Der Urahn des Weißen Hais
Bio-News vom 04.07.2019
Die Gruppe der Makrelenhaiartige umfasst einige der charismatischsten uns bekannten Haiarten, wie den Makohai, den berüchtigten Weißen Hai und nicht zuletzt Megalodon, den größten bekannten räuberischen Hai, der jemals die Weltmeere durchstreifte. Eine internationale ForscherInnengruppe um Patrick L. Jambura von der Universität Wien fand nun heraus, dass die Zähne dieser Top-Räuber eine einzigartige Struktur besitzen, aufgrund welcher sie den Ursprung dieser Gruppe zu einer kleinen, bodenlebenden Haiart aus dem mittleren Jura (vor 165 Millionen Jahren) zurück rekonstruieren konnten. Die Ergebnisse wurden kürzlich im Fachjournal Scientific Reports veröffentlicht.
Ähnlich zu menschlichen Zähnen bestehen Haizähne aus zwei mineralisierten Geweben: einer harten Schale (Zahnschmelz) und dem darunter liegenden Dentin. Das Dentin der Haizähne kann unterschiedlich aufgebaut sein: entweder ist es sehr kompakt wie in den Zähnen der Säugetiere (Orthodentin) oder es ist spongiös und erinnert an echte Knochen (Osteodentin). Orthodentin kommt nur in der Zahnkrone vor, während das Osteodentin die Wurzel bildet, mit der der Zahn im Kiefer verankert ist. Bei einigen Haiarten kommt Osteodentin auch in der Krone vor und ergänzt das dortige Orthodentin.
Publikation:
Patrick L. Jambura, René Kindlimann, Faviel López-Romero, Giuseppe Marramá, Cathrin Pfaff, Sebastian Stumpf, Julia Türtscher, Charles J. Underwood, David J. Ward, Jürgen Kriwet
Micro-computed tomography imaging reveals the development of a unique tooth mineralization pattern in mackerel sharks (Chondrichthyes; Lamniformes) in deep time
Scientific Reports
DOI: 10.1038/s41598-019-46081-3
Patrick L. Jambura von der Universität Wien und seine Kolleginnen und Kollegen verwendeten hochauflösende Mikro-CT Aufnahmen um den Zahnaufbau des Weißen Hais und seiner Verwandten zu untersuchen und fanden dabei eine einzigartige Ausbildung der Zahnkrone, die von keinem anderen Hai bekannt ist: die Zähne von Vertretern dieser Gruppe besitzen kein Orthodentin. Stattdessen bildet das Osteodentin nicht nur die Wurzel, sondern füllt auch die gesamte Zahnkrone aus. Dieser Aufbau ist nicht nur eine Neuerung innerhalb der Haie, sondern ist im gesamten Tierreich absolut einzigartig.
Eine weitere Haiart wurde im Rahmen dieser Studie untersucht - der bereits vor langer Zeit ausgestorbene Hai Palaeocarcharias stromeri. Diese Art ist bekannt für seine gut erhaltenen Skelette aus den 150 Millionen Jahren alten Solnhofenern Plattenkalken in Süddeutschland, doch die Zähne der Gattung sind auch aus noch älteren Ablagerungen (165 Millionen Jahren) bekannt (Anmerkung: Haiskelette bestehen nicht aus Knochen sondern aus Knorpel, der normalerweise bei der Fossilisation nicht erhalten bleibt). Palaeocarcharias war ein eher unscheinbarer Hai und hatte nicht viel gemeinsam mit den heutigen Makrelenhaiartigen. Er war ein träger, bodenlebender Hai der nicht größer als einen Meter wurde, im Flachwasser lebte und sich dort wahrscheinlich von kleinen Fischen ernährte, die er mit seinen dolchartigen Zähnen aufspießte.
Bis heute waren die Verwandtschaftsverhältnisse dieser Art ein Rätsel für Forschenden, da der Körperbau sehr an einen Teppichhai erinnert, die Zähne jedoch Ähnlichkeiten mit Makrelenhaiartigen aufweisen. Die Untersuchung der Zahnmikrostruktur dieser Art offenbarten, dass Palaeocarcharias den selben einzigartigen Zahnaufbau besitzt, der nur von Vertretern der Makrelenhaiartigen bekannt ist. Dies ist ein starkes Indiz dafür, dass dieser kleine, unscheinbare Hai den Weg für eine der berüchtigsten Hai-Linien bereitete, aus welcher sowohl der ausgestorbene Megalodon als auch der heutige Weiße Hai entstammen.
"Orthodentin kommt in den Zähnen aller bekannten Wirbeltiere vor, egal ob Fisch oder Säugetier - mit Ausnahme der Makrelenhaiartigen, welche einen einzigartigen Zahnaufbau aufweisen. Diese Entdeckung erlaubt es uns, den fossilen Hai Palaeocarcharias dieser Gruppe zuzuordnen, was ihn gleichzeitig zum ältesten bekannten Vorfahren des Weißen Hais macht. Es ist amüsant zu sehen, dass selbst dieser gigantische Top-Räuber, der heutzutage in aller Munde ist, in der Evolution ganz klein anfing", so Jambura.
Diese Newsmeldung wurde via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.