Die Evolution des Großen Pandas begann als Allesfresser



Bio-News vom 16.09.2024

Die einzige Bärenart aus der etwa 11,5 Millionen Jahre alten Fundstelle Hammerschmiede im Allgäu war ein Verwandter des Großen Pandas, seine Ernährung ähnelte jedoch eher der pflanzlich-tierischen Mischkost heutiger Braunbären.

Die Hammerschmiede erlangte 2019 Bekanntheit durch die Entdeckung des etwa 11,5 Millionen Jahre alten, aufrecht gehenden Menschenaffen Danuvius guggenmosi, der den Spitznamen Udo trägt. Kürzlich durchgeführte Ausgrabungen unter der Leitung von Madelaine Böhme brachten eine bemerkenswerte Diversität von 166 fossilen Tierarten ans Licht. „Solch ein blühendes Ökosystem bietet eine Fülle von ökologischen Nischen für die darin lebenden Arten“, sagt Böhme. Viele der entdeckten Tiere hätten sowohl im Wasser als auch an Land gelebt oder eine kletternde Lebensweise gehabt. „So konnten sie sich an den bewaldeten Fluss anpassen, der zu jener Zeit in der Region vorhanden war“, sagt die Forscherin.


Seine Vorfahren waren Allesfresser: Großer Panda

Publikation:


Nikolaos Kargopoulos, Juan Abella, Alexander Daasch, Thomas Kaiser, Panagiotis Kampouridis, Thomas Lechner, Madelaine Böhme
The primitive giant panda Kretzoiarctos beatrix (Ursidae, Carnivora) from the hominid locality of Hammerschmiede: dietary implications

Papers in Palaeontology (2024)

DOI: https://doi.org/10.1002/spp2.1588



Was die Zähne verraten

Kretzoiarctos beatrix, die einzige Bärenart aus der Hammerschmiede, gilt als der älteste Verwandte des heutigen Großen Pandas. Dies liegt an der Form und Struktur seiner Zähne, die denen des chinesischen Bären ähneln, welcher sich hauptsächlich von Bambus ernährt. Obwohl Kretzoiarctos beatrix kleiner als die heutigen Braunbären war, überstieg sein Gewicht 100 Kilogramm. „Die heutigen Großen Pandas gehören in der zoologischen Systematik zu den Fleischfressern. Tatsächlich ernähren sie sich aber ausschließlich von Pflanzen. Sie haben sich auf harte pflanzliche Nahrung, insbesondere Bambus spezialisiert“, berichtet Dr. Nikolaos Kargopoulos von der Universität Tübingen und der University of Cape Town, der Erstautor der neuen Studien. Wissenschaftlich interessant sei, wie sich bei ursprünglichen Fleischfressern eine Anpassung an eine solch extreme pflanzliche Ernährungsweise entwickelte.



In einer ersten Studie analysierte das Forschungsteam die Ernährung von Kretzoiarctos durch die Makro- und Mikromorphologie der gefundenen Zähne. Auf der Makroebene verändert sich die Zahnform entsprechend ihrer Funktion in der Nahrungsverarbeitung, was Rückschlüsse auf die vorrangige Nahrung des Tieres zulässt. Auf der Mikroebene lassen sich auf der Zahnoberfläche Kratzer und Dellen erkennen, die durch den Kontakt mit Nahrungspartikeln entstehen. „Die Merkmale dieser Oberflächenveränderungen können Aufschluss über die Ernährungsgewohnheiten eines Tieres während eines kurzen Zeitraums vor seinem Tod geben“, sagt der Wissenschaftler.


Publikation:


Nikolaos Kargopoulos, Alberto Valenciano, Juan Abella, Michael Morlo, George E. Konidaris, Panagiotis Kampouridis, Thomas Lechner, Madelaine Böhme
The carnivoran guilds from the Late Miocene hominid locality of Hammerschmiede (Bavaria, Germany)
Geobios (2024)

DOI: https://doi.org/10.1016/j.geobios.2024.02.003


Zähne des Oberkiefers und des Unterkiefers von Kretzoiarctos beatrix und ihre farblich markierten Abkaufacetten, welche zur Charakterisierung der Ernährungspräferenzen untersucht wurden.

Das Forschungsteam untersuchte die Makro- und Mikromorphologie der Zähne von Kretzoiarctos im Vergleich zu Braunbären, Eisbären, südamerikanischen Brillenbären sowie heutigen und ausgestorbenen Großen Pandas. Es stellte fest, dass der Bär aus der Hammerschmiede weder auf harte Pflanzen spezialisiert war noch ein reiner Fleischfresser wie der Eisbär. Die Nahrung der ausgestorbenen Spezies war vielmehr der eines modernen Braunbären ähnlich und umfasste sowohl pflanzliche als auch tierische Elemente. „Diese Ergebnisse sind wichtig für unser Verständnis der Evolution von Bären und der Entwicklung des Veganismus bei den Großen Pandas. Kretzoiarctos beatrix, die ältesten Großen Pandas, waren demnach Generalisten. Eine Spezialisierung in der Ernährung der Pandas erfolgte erst spät in ihrer Evolution“, sagt Böhme.

Die Vielfalt der Raubtiere aus der Hammerschmiede

Neben dem Panda wurden bisher in der Hammerschmiede weitere 27 Raubtierarten gefunden, berichten die Forscher in einer zweiten Studie. Die Räuber reichen von winzigen, wie-selartigen Tieren, die weniger als ein Kilogramm wogen, bis hin zu großen Hyänen und Säbelzahnkatzen, die mehr als 100 Kilogramm auf die Waage gebracht haben dürften. „Ihre jeweilige Hauptnahrung deckt eine große Bandbreite ab: Es gab reine Fleischfresser wie die Säbelzahnkatzen, Fischfresser wie die Otter, Knochenfresser wie die Hyänen und Insektenfresser wie die Zibetkatze. Einige andere Arten wie Pandas und Marder ernährten sich opportunistisch von Pflanzen und Tieren unterschiedlicher Größe“, fasst Kargopoulos zusammen. Die entdeckten Arten seien auch hinsichtlich ihrer bevorzugten Lebensräume sehr unterschiedlich: „Die Otterartigen waren gute Schwimmer, Bären, Hyänen und andere hielten sich auf dem Land auf oder lebten grabend wie die Stinktiere. Besonders viele Arten waren Baumkletterer wie die Marder, die Katzenartigen, die Schleichkatzen und die Katzenbären“, erläutert der Forscher.

„Eine derart vielfältige Raubtierpopulation ist nicht nur fossil äußerst selten; es gibt wohl auch kaum einen modernen Lebensraum mit ähnlich vielen Arten“, sagt Böhme. Die Vielfalt der Arten an der Spitze der Nahrungskette zeigt, dass das Ökosystem der Hammerschmiede sehr gut funktioniert haben muss. Darüber hinaus existierten sogar Arten nebeneinander, die ähnliche ökologische Nischen besetzten, erklärt die Forscherin. „Zum Beispiel gab es vier verschiedene fischotterartige Tiere gleicher Größe und Art der Ernährung. Sie würden normalerweise um die natürlichen Ressourcen in ihrer Umgebung konkurrieren. Aber es scheint, dass die Ressourcen der Hammerschmiede reich genug waren, um den Bedarf aller Arten zu decken.“


Diese Newsmeldung wurde mit Material der Eberhard Karls Universität Tübingen via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.


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