Eine neue Wirtschaftsweise - Wie man mit Pilzen Zukunft gestaltet



Bio-News vom 18.05.2020

Pilzbiotechnologie als Innovationsmotor für eine biobasierte Wirtschaft – Weißbuch erschienen.

Wie können wir in der nicht mehr so fernen Zukunft zehn Milliarden Menschen ernähren und dabei Umweltschäden aller Art vermeiden? Wie stellen wir den steigenden Bedarf an Textilien oder Leder für eine wachsende Bevölkerung sicher, senken dabei jedoch erheblich den Wasserverbrauch und verzichten sogar auf Tierleid? Wie kommen wir weg vom Erdöl und stellen trotzdem Produkte der chemischen Industrie her? Wie bauen wir Häuser ohne klimaschädlichen Beton und klimaneutral? Diese sind nur einige der Zukunftsfragen, die die Menschheit heute bewegen. Potenzielle Antworten für all diese Fragen lassen sich in neuesten Entwicklungen der Pilzbiotechnologie sind nachlesbar in dem Weißbuch „Growing a circular economy with fungal biotechnology“.


Blick durchs Fluoreszenz-Mikroskop: Ein eingefärbtes Protein in den Pilzfäden des roten Schimmelpilzes "Neurospora crassa". Dieser wird nicht nur seit Jahrzenten als Modellsystem für die genetische Forschung eingesetzt, sondern ist auch ein effizienter Biomasseverwerter.

Publikation:


Meyer, V., Basenko, E.Y., Benz, J.P. et al.
Growing a circular economy with fungal biotechnology: a white paper
Fungal Biol Biotechnol 7, 5 (2020)

DOI: 10.1186/s40694-020-00095-z



Dieses Grundsatzpapier wurde kürzlich vom paneuropäischen Think Tank EUROFUNG unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. Vera Meyer (TU Berlin) veröffentlicht und fasst die Diskussionen führender europäischer und amerikanischer Forscherinnen und Forscher und global agierender Unternehmen zusammen. Die Expertinnen und Experten sind sich einig: Pilzbiotechnologie ist Innovations- und Wachstumsmotor für eine Vielzahl an Industrien und kann unsere erdölbasierte Wirtschaft in eine biobasierte Wirtschaft transformieren helfen. Investitionen in diese Zukunftstechnologie tragen nicht nur zur Erreichung von zehn der 17 UN-Nachhaltigkeitsziele bei, sondern werden auch unsere Art zu leben und zu arbeiten nachhaltig verändern.

Bioökonomie ist das Thema des BMBF-Wissenschaftsjahres 2020. Es präsentiert dieses Jahr als „Köpfe des Wandels“ unter anderem die Erstautorin des Weißbuchs, Prof. Dr.-Ing. Vera Meyer, Leiterin des Fachgebietes Angewandte und Molekulare Mikrobiologie an der TU Berlin, sowie Mitautor Prof. Dr. Philipp Benz, Leiter der Professur für Holz-Bioprozesse der TUM School of Life Sciences Weihenstephan an der TU München. „Weltweit gibt es etwa sechs Millionen verschiedene Pilzarten, alle mit spezifischen Eigenschaften“, sagt Vera Meyer. „Einige davon bieten uns heute die einmalige Chance, eine neuartige und innovative Wirtschaftsweise aufzubauen, die vollständig biobasiert ist und sich den Prinzipien Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit fest verschrieben hat.“

Zusammen mit ihrem Kollegen Philipp Benz und weiteren EUROFUNG Akteuren hat sie das Weißbuch „Growing a circular economy with fungal biotechnology“ veröffentlicht. Es ist das Resultat des zweiten internationalen EUROFUNG Think Tanks, den sie als Sprecherin des Konsortiums im Oktober 2019 an der TU Berlin organisiert hat und das sich der Erforschung industriell nutzbarer Pilze und der Entwicklung neuartiger Produktionsprozesse für Erzeugnisse der Bioökonomie widmet.

Lebensmittel, Medikamente, Treibstoff, Verpackung und Kleidung – Pilze sind nachhaltige Alleskönner

„Die wenigsten Menschen wissen, dass Pilze heute schon eine große Rolle bei der Produktion von Enzymen in verschiedenen Industrien spielen“, erklärt Philipp Benz. „Dazu gehört die Produktion von Lebensmitteln, Waschmitteln, Papier, Kraftstoffen, Medikamenten und weiteren Produkten der chemischen und pharmazeutischen Industrie. Unser heutiger Lifestyle ist daher ohne Pilzbiotechnologie undenkbar, auch wenn dies den meisten Menschen nicht bekannt ist.“ Vera Meyer ergänzt: „Umso wichtiger, dass wir jetzt im Weißbuch detaillierter beschreiben, welche potenziellen Sprunginnovationen der Pilzbiotechnologie uns nun als Nächstes erwarten. Wir halten es für ein realistisches Szenario, dass wir in naher Zukunft auch Textilien, Verpackungen, Möbel und selbst Baustoffe mit Hilfe von Pilzen herstellen können. Und dies auf Basis von nachwachsenden pflanzlichen Rohstoffen aus der Agrar- und Forstwirtschaft.“

Die Entwicklung von neuen Produkten und auch Produktionsprozessen ist äußerst komplex und erfordert große interdisziplinäre Anstrengungen und weitreichende Investitionen. Ein Ziel des Weißbuchs ist es daher, die Öffentlichkeit, Lehrende, Forschenden in Politik und Wirtschaft sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler anderer Disziplinen zu informieren, welches zukunftweisendes Innovationspotenzial in der Pilzbiotechnologie steckt. So informieren die Forscherinnen und Forscher in dem Weißbuch insbesondere darüber, dass diese Biotech-Branche mit der Entwicklung weiterer rohstoffbasierter Produkte und Wertstoffe zur Erreichung von zehn der 17 Nachhaltigkeitsziele beitragen kann, die von den Vereinten Nationen formuliert worden sind.

Dazu gehören unter anderem die Produktion von ausreichenden Nahrungsmitteln für die Weltbevölkerung, sauberes Wasser, erschwingliche und saubere Energie aus nachwachsenden Rohstoffen und auch der Schutz des Klimas. Beispielsweise werden für die Herstellung von einem Kilo Baumwolle 10.000 Liter Wasser benötigt. Die gleiche Menge Textilien aus Pilzen verbraucht nur 100 Liter. Verbundstoffe, die biotechnologisch aus Pilzen und pflanzlicher Biomasse wie Stroh oder Holzspänen gewonnen werden, und in der Baustoffindustrie eingesetzt werden könnten, produzieren bei der Herstellung ungleich weniger CO2 als herkömmliche Baustoffe wie Beton und sind nach Gebrauch auch noch kompostierbar.


Diese Newsmeldung wurde mit Material der Technischen Universität Berlin via Informationsdienst Wissenschaft erstellt

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