Entgegen der Trends: Wie sich die Artenvielfalt in Europa lokal verändert



Bio-News vom 13.07.2020

Senckenberg-Forschende haben mit einem internationalen Team die Ergebnisse einer einmaligen Zusammenstellung von 161 Langzeitmessreihen (15–91 Jahre) von 6200 marinen, terrestrischen und im Süßwasser lebenden Arten in 21 europäischen Ländern veröffentlicht. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zeigen, dass sich lokale Biodiversitätstrends in Europa teilweise erheblich von globalen Mustern unterscheiden. Insbesondere die Zusammensetzung von Artengemeinschaften hat sich lokal stark verändert.

Global scheint der Trend klar: Seit Jahren nimmt weltweit die Artenvielfalt in nahezu allen Tier- und Pflanzengruppen besorgniserregend ab. „Lokal ist dies etwas komplexer – hier spielen Faktoren vor Ort, wie beispielsweise der Verlust seltener Arten sowie die Ansiedlung neuer Arten, eine große Rolle für das Gesamtergebnis“, erklärt Prof. Dr. Peter Haase, Abteilungsleiter „Fließgewässerökologie und Naturschutzforschung“ am Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt und fährt fort: „Ökosystemfunktionen – und die damit verbundenen Vorteile für uns Menschen – hängen immer mit der jeweiligen lokal vorhandenen Vielfalt und Häufigkeit von Arten zusammen und lassen sich schwer einfach ‚nach oben’ skalieren. Es ist daher unerlässlich, dass wir die unterschiedlichen Biodiversitäts-Trends in den einzelnen Ökosystemen kennen, um diese nachhaltig schützen zu können.“


Die über 6200 untersuchten Arten umfassen acht taxonomische Gruppen, darunter Insekten, Vögel und Blütenpflanzen.

Publikation:


Pilotto, F., Kühn, I., Adrian, R. et al.
Meta-analysis of multidecadal biodiversity trends in Europe
Nat Commun 11, 3486 (2020)

DOI: 10.1038/s41467-020-17171-y



Gemeinsam mit der bei Senckenberg und an der schwedischen Umeå Universität tätigen Erstautorin Francesca Pilotto hat Haase mit 64 weiteren internationalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler 161 Langzeitserien von 115 Standorten in 21 europäischen Ländern ausgewertet und in Verbindung zueinander gesetzt.

Die über 6200 im Meer, an Land oder in Fließgewässern lebenden Arten aus neun biogeographischen Regionen umfassen acht taxonomische Gruppen, darunter Insekten, Vögel und Blütenpflanzen. Die Mehrzahl der untersuchten Standorte gehört zum globalen Netzwerk „Long-Term Ecological Research (LTER)“; einem internationalen Zusammenschluss zur langfristigen, interdisziplinären Umweltbeobachtung.

Die Auswertung der Forschenden zeigt, dass sich in weiten Teilen Mittel- und Südeuropas weder Artenvielfalt noch Anzahl der Arten und Individuen verändert haben, während in Nordeuropa ein Anstieg in Vielfalt und Artenzahlen zu beobachten ist. Letzteres ist u.a. auf die steigenden Temperaturen im Zuge des Klimawandels zurückzuführen. Zudem ist in weiten Teilen Europas ein Austausch der bisherigen Flora und Fauna durch neue, häufig an wärmere Gebiete angepasste Arten zu beobachten.

Die Autorinnen und Autoren geben diesbezüglich in ihrer Studie zu bedenken, dass die meisten Messreihen frühestens in den 1980er Jahren starteten und zu diesem Zeitpunkt bereits ein hoher Artenverlust zu verzeichnen war. „Je nach Großlebensraum und taxonomischer Gruppe können sich die Trends zudem deutlich unterscheiden. Während in marinen Gebieten beispielsweise in den untersuchten Zeiträumen die Vielfalt anstieg, ist dies für die Fließgewässer nicht zu beobachten. Die Diversität von am Gewässergrund lebenden Algen nahm im Schnitt ab, während Vögel und aquatische Wirbellose überraschenderweise einen Anstieg aufweisen. Wir sehen also, dass die Trends nicht immer Arten- oder Ökosystem-übergreifend gleich sind“, erläutert Pilotto.

Das Team fordert auf Grundlage ihrer Ergebnisse einen Ausbau der Langzeitmessreihen sowie eine Vereinheitlichung der europäischen Messmethoden in den verschiedenen Lebensräumen. „Nur so kann es uns gelingen, für die einzelnen Regionen und ihre Tier- und Pflanzenarten sinnvolle Schutzmaßnahmen zu entwickeln“, schließt Haase.


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Senckenberg Forschungsinstituts und Naturmuseen via Informationsdienst Wissenschaft erstellt

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