Ernst Haeckel und die Paläontologie



Bio-News vom 04.05.2022

Bis vor kurzem war eine Verbindung des deutschen Zoologen Ernst Haeckel zur Paläontologie unbekannt – eine jüngst entdeckte Mitschrift seiner Vorlesung über „Paleontologie“ von 1866 wirft ein neues Licht auf den Naturgelehrten. Die Neuentdeckung wurde von Wissenschaftlern in einem 119-seitigen Werk veröffentlicht. Entdeckt wurde das Dokument im Nachlass von Nikolai Miklucho-Maclay, einem Studenten Haeckels. Das neu erschienene Buch gibt die Mitschrift aus Haeckels Paläontologie-Vorlesung wieder als auch von der Tafel übertragene Zeichnungen.

Ernst Haeckel gilt als „deutscher Darwin“: Der 1834 in Potsdam geborene und 1919 in Jena verstorbene Mediziner, Zoologe, Philosoph, Zeichner und Freidenker trug ab den 1860er Jahren maßgeblich dazu bei, die Ideen Charles Darwins in Deutschland zu verbreiten. „Unsere jüngste Entdeckung zeigt, dass ‚Darwins Kampfhund‘ auch der Paläontologie und den Lebenswelten der Erdgeschichte zugetan war“, erzählt Prof. Dr. Uwe Hoßfeld von der Friedrich-Schiller-Universität Jena und fährt fort: „Das ist umso bemerkenswerter, da Haeckel sich vor allem mit wirbellosen Meerestieren wie Quallen beschäftigte, die so gut wie nie fossil erhalten bleiben.“


Kopffüßer-Fossilien aus der Sammlung des Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment an der Universität Tübingen.

Publikation:


Ingmar Werneburg, Uwe Hoßfeld, Christian Udo Rehm, Georgy Levit (Hg.)
Vorlesung über Paleontologie von Ernst Haeckel, 119 Seiten, zahlr. Abbildungen, 24,90 Euro
Scidinge Hall Verlag Tübingen, ISBN 978-3-947020-17-1 Interview mit Ingmar Werneburg

Gemeinsam mit seinem Jenenser Kollegen PD Dr. Georgy S. Levit und mit PD Dr. Ingmar Werneburg vom Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment an der Universität Tübingen hat der Jenaer Biologiedidaktiker eine bislang unbekannte Mitschrift aus einer Vorlesung von Ernst Haeckel in einem 119-seitigen Buch veröffentlicht. Die Aufzeichnungen stammen von einem damaligen Studenten Haeckels, dem späteren Ethnologen und Anthropologen Nikolai Miklucho-Maclay, und sie wurden im Archiv der Russischen Geographischen Gesellschaft in St. Petersburg entdeckt. Der Mitherausgeber des Buches und ehemalige Lehramtsstudent Christian Udo Rehm hat den Text für seine Staatsexamensarbeit im Detail transkribiert und die Skizzen der Mitschrift umgezeichnet. Zudem wurde die Vorlesungsaufzeichnung in einen wissenschaftshistorischen Kontext gesetzt.

Mitschrift von Nikolai Miklucho-Maclay aus der Paläontologie-Vorlesung Haeckels zu fossilen Kopffüßern.

„Die Vorlesungstätigkeit Haeckels erstreckte sich von 1861 bis 1909 über einen Zeitraum von 96 Semestern. In diesen 48 Jahren konnte er nur fünf Semester – oftmals wegen seiner Reisetätigkeit – nicht lesen. Über die Inhalte der gehaltenen Vorlesungen gibt es generell nur sehr wenige Aufzeichnungen; mit Miklucho-Maclays Vorlesungsskript zur Paläontologie haben wir erstmals eine komplette Mitschrift zu diesem Fachgebiet“, freut sich Levit und ergänzt: „Die Notizen bieten neben dem ästhetischen Eigenwert auch einen wertvollen Einblick in Haeckels Vortragsweise und seine Schwerpunktsetzung: Eher schnell ging er in nur wenigen Stunden durch die Zeitalter der Erdgeschichte, während er der Taxonomie und allgemein-zoologischen Themen deutlich mehr Zeit widmete.“

Am Zoologischen Institut der Universität Jena weht laut den Herausgebern des Buches immer noch „der Geist Ernst Haeckels durch die Hallen“: Es wird eine klassische Zoologie mit Vergleichender Anatomie und der theoretischen Einbindung in die Ideengeschichte der biologischen Wissenschaften gelehrt. Die Universität Tübingen ist hingegen seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts ein Zentrum der Paläontologie – auch Haeckel waren die Schriften der Tübinger Paläontologen Friedrich August von Quenstedt und seines Studenten Franz Hilgendorf, welcher den ersten paläontologischen Nachweis für Darwins Evolutionstheorie vorlegte, vertraut.



„Auch heute noch werden Paläontologie und Zoologie leider häufig getrennt betrachtet. Haeckels Wirken hat – zeitbedingt – diese Entwicklung mit vorangetrieben, wie wir in unserer Einführung erläutern: Die wenigen bruchstückhaften Fossilien und das Fehlen von Methoden zu deren Einbindung in evolutionäre Analysen machten die Paläontologie für Haeckels Argumentationsketten eher uninteressant. Auf der anderen Seite betrachtete er, gerade in seinen frühen theoretischen Schriften, Paläontologie, Embryologie und Zoologie als innige Triade der Evolutionsforschung, was uns heute als Vorbild einer ganzheitlichen Naturschau dienen sollte. Um so wichtiger war es uns, dieses Buch gemeinsam mit biologischer, paläontologischer und wissenschaftshistorischer Perspektive zu veröffentlichen. In der Publikation finden sich zahlreiche Fotos aus unserer paläontologischen Sammlung – Stücke, die Haeckel aus den Büchern Quenstedts kannte“, erläutert Werneburg und resümiert: „So kommt zusammen, was zusammengehört!“


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Senckenberg Forschungsinstituts und Naturmuseen via Informationsdienst Wissenschaft erstellt

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