Hormonelles Zusammenspiel bei Bäumen
Bio-News vom 03.05.2022
In Pappeln verstärken sich Pflanzenhormone bei der Abwehr von pathogenen Pilzen gegenseitig. Forschende haben gezeigt, dass in Pappeln, die erhöhte Mengen an Salicylsäure produzierten, auch höhere Mengen an Jasmonsäure nachweisbar waren. Pflanzen, die höhere Konzentrationen beider Hormone aufwiesen, waren außerdem resistenter gegen den Rostpilz Melamspora larici-populina, ohne dass sich dies negativ auf das Wachstum auswirkte. Kenntnisse über das positive Zusammenspiel dieser an der pflanzlichen Abwehr beteiligten Hormone könnten dazu beitragen, Pappeln und andere Bäume besser gegen Schädlinge und Krankheitserreger zu schützen.
Entgegen bisheriger Annahmen unterdrücken sich die Abwehrhormone Salicylsäure und Jasmonsäure bei der Regulierung der chemischen Verteidigung von Pflanzen gegen Schaderreger nicht immer gegenseitig. In Bäumen kann das Zusammenwirken beider Hormone die Pflanzenresistenz sogar steigern. Zu diesem Ergebnis kam ein Forschungsteam am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in einer neuen Studie an Pappeln. Die Forschenden zeigten, dass in Pappeln, die erhöhte Mengen an Salicylsäure produzierten oder die mit Salicylsäure behandelt worden waren, auch höhere Mengen an Jasmonsäure nachweisbar waren. Pflanzen, die höhere Konzentrationen beider Hormone aufwiesen, waren außerdem resistenter gegen den Rostpilz Melamspora larici-populina, ohne dass sich dies negativ auf das Wachstum auswirkte. Kenntnisse über das positive Zusammenspiel dieser an der pflanzlichen Abwehr beteiligten Hormone könnten dazu beitragen, Pappeln und andere Bäume besser gegen Schädlinge und Krankheitserreger zu schützen.
Publikation:
Ullah, C., Schmidt, A., Reichelt, M., Tsai, C.-J., Gershenzon, J.
Lack of antagonism between salicylic acid and jasmonate signaling pathways in poplar
New Phytologist (2022)
DOI: 10.1111/nph.18148
Projektgruppe©Anna Schroll / Max-Planck-Institut für chemische Ökologie
Die Aufgabe von Pflanzen- bzw. Phytohormonen ist es, das Wachstum und die Entwicklung von Pflanzen zu koordinieren. Darüber hinaus steuern sie aber auch die pflanzliche Immunantwort auf Krankheitserreger wie beispielsweise pathogene Pilze. Bislang bestand in der Wissenschaft weitgehend ein Konsens darüber, dass die Signalwege der Abwehrhormone Salicylsäure und Jasmonsäure entgegengesetzt wirken: Bildet die Pflanze also mehr Salicylsäure, blockiert dies die Produktion von Jasmonsäure und umgekehrt. Dies haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Studien zur Modellpflanze Arabidopsis thaliana (Ackerschmalwand) und vielen anderen einjährigen Pflanzen immer wieder gezeigt.
„Im Gegensatz zu der Annahme, dass Salicylsäure und Jasmonsäure antagonistisch, also gegeneinander wirken, hatten wir in unseren früheren Studien an Pappelbäumen bereits beobachtet, dass die Konzentrationen beider Hormone als Reaktion auf eine Infektion mit pathogenen Pilzen ansteigen. Daher bestand die wichtigste Forschungsfrage für uns darin, das Zusammenspiel dieser beiden Abwehrhormone in der Pappel genauer zu bestimmen,“ erläutert Chhana Ullah, der Erstautor der Publikation, den Ausgangspunkt der aktuellen Studie.
Um experimentell zu klären, wie sich Salicylsäuregehalte auf die Bildung von Jasmonsäure auswirken, veränderten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Versuchspflanzen der heimischen Schwarzpappel (Populus nigra) genetisch so, dass sie höhere Mengen von Salicylsäure produzierten als Kontrollpflanzen. In einem weiteren Experiment trugen sie Salicylsäure auf die Pappelblätter von genetisch unveränderten Pflanzen auf. „Wir manipulierten den Salicylsäuregehalt in Pappeln durch gentechnische Veränderung und direkte chemische Applikation und führten anschließend umfangreiche chemische Analysen der Pflanzen mit und ohne Pilzinfektion durch. So konnten wir die Auswirkungen der Salicylsäure von anderen Faktoren trennen und zeigen, dass sie die Produktion von Jasmonsäure direkt stimuliert,“ erklärt Chhana Ullah.
In Pflanzen, die viel Salicylsäure enthielten, waren demnach auch größere Konzentrationen von Jasmonsäure nachweisbar. Außerdem bildeten diese Pflanzen mehr antimikrobielle Wirkstoffe, sogenannte Flavonoide, und zwar auch dann, wenn gar keine Infektion mit einem Erreger vorlag. Weitere vergleichende Untersuchungen mit Pflanzen, die viel Salicylsäure produzierten, und Kontrollpflanzen, die jeweils mit dem Rostpilz Melamspora larici-populina infiziert worden waren, ergaben, dass hohe Salicylsäuregehalte Pappeln resistenter gegen Pilzbefall machten.
Erstaunlicherweise ging die höhere Pilzresistenz aufgrund einer erhöhten Abwehrbereitschaft nicht zu Lasten des Pflanzenwachstums, wie es bei der Ackerschmalwand und anderen einjährigen Kräutern beobachtet worden war. Bei der Ackerschmalwand übernimmt auch nur entweder die Salicylsäure oder die Jasmonsäure die Steuerung der Immunantwort, während das jeweils andere Hormon unterdrückt wird. Dabei werden höhere Mengen Salicylsäure bei Befall mit biotrophen Krankheitserregern, die sich von lebendem Pflanzenmaterial ernähren, gebildet, während Jasmonsäure nach Insektenfraß bzw. Befall mit nekrotrophen Schaderregern, die von totem pflanzlichen Gewebe leben, produziert wird.
„Die negative Wechselwirkung zwischen den beiden Abwehrhormonen in Pflanzen wie der Ackerschmalwand ermöglicht es der Pflanze, sich vorrangig gegen eine bestimmte Art von Schädling zu schützen. Einjährige Pflanzen können von dieser Strategie profitieren, weil ihnen die Ressourcen fehlen, um sich gegen verschiedene Feinde gleichzeitig zu verteidigen. Dies könnte auch der Grund dafür sein, dass die Ackerschmalwand ihr Wachstum einschränkt, wenn sie sich im Verteidigungsmodus befindet,“ meint Jonathan Gershenzon, der Leiter der Abteilung Biochemie, in der die Studie durchgeführt wurde.
Im Gegensatz zu Kräutern wie der Ackerschmalwand sind die Ressourcen bei Bäumen und anderen holzigen Pflanzen unter normalen Umständen weniger begrenzt. Außerdem werden Bäume aufgrund ihrer langen Lebensdauer von viel mehr verschiedenen Feinden, wie beispielsweise Pilzen und bakteriellen Erregern, blattfressenden Raupen sowie holzzerstörenden Insekten, gleichzeitig angegriffen. Möglicherweise haben sie sich im Laufe der Evolution so entwickelt, dass sie die Signalwege für Salicylsäure und Jasmonsäure gemeinsam zur Verteidigung nutzen. Die größere Verfügbarkeit von Ressourcen in langlebigen Gehölzen könnte auch der Grund dafür sein, dass hohe Salicylsäurekonzentrationen das Pflanzenwachstum in Pappeln nicht beeinträchtigen.
Überrascht waren die Forschenden, dass hohe Salicylsäuregehalte in Pappeln sogenannte Pathogenese-bezogene Gene (pathogenesis related / PR genes) Gene nicht aktivierten, obwohl diese in der Ackerschwalwand als etablierte Marker für den Salicylsäure-Signalweg bekannt sind. „Allerdings stellten wir fest, dass die Aktivierung der PR-Gene in für Rostpilzbefall anfälligen Pappeln deutlich nachweisbar war. Offenbar wird die Aktivierung der PR-Gene in der Pappel nicht durch Salicylsäure-Signale, sondern über einen anderen Mechanismus reguliert,“ erläutert Chhana Ullah.
Wie genau der molekulare Mechanismus der positiven Wechselwirkung zwischen Salicylsäure und Jasmonsäure bei der Pappel funktioniert, müssen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Chhana Ullah noch herausfinden, ebenso welche Rolle die PR-Gene in der Pappel und anderen Holzgewächsen spielen. Fest steht aber, dass ein grundlegendes Wissen über die positive Wechselwirkung zwischen Salicylsäure und Jasmonsäure in der Pappel und verwandten Bäumen einen wichtigen Beitrag dazu leisten könnte, diese Pflanzen besser vor Schädlingsbefall und Krankheiten zu schützen, wie Jonathan Gershenzon festhält: „Pappeln sind aufgrund ihrer vielfältigen Nutzung durch den Menschen als Bäume des Volkes bekannt, daher der Gattungsname Populus: die lateinische Bezeichnung für Volk. Da Pappeln sehr schnell wachsen und einen hohen Zellulosegehalt haben, sind sie vor allem für die Papier- und Zellstoffindustrie wichtig. Sie sind aber auch für die energetische Nutzung interessant.“ Ihren Schutz zu verbessern dient daher uns allen.
Diese Newsmeldung wurde mit Material des Max-Planck-Instituts für chemischen Ökologie via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.