Greifen und Zugreifen – wie das Lernen feinmotorischer Bewegungen das Gehirn verändert



Bio-News vom 12.06.2019

Trainieren wir das Greifen und Ergreifen von Gegenständen, so trainieren wir unser Gehirn. Genaugenommen verändern sich dabei die Verbindungen einer Neuronenpopulation im Nucleus ruber, einer Region des Mittelhirns. Entdeckt haben diese Gruppe von Nervenzellen Forschende am Biozentrum der Universität Basel. Sie konnten zudem nachweisen, wie sich diese Hirnregion durch feinmotorischen Bewegungen plastisch umformt. Die Ergebnisse der Studie sind im Fachjournal „Nature Communications“ veröffentlicht.

Schon das Ergreifen einer Kaffeetasse ist eine feinmotorische Bewegung mit höchster Präzision. Gleichzeitig setzt diese Koordinationsfähigkeit eine Gehirnleistung voraus, die erlernt und geübt werden kann. Die Forschungsgruppe von Prof. Kelly Tan am Biozentrum der Universität Basel hat bei der Untersuchung des Nucleus ruber – einer Region im Mittelhirn, welche feinmotorische Bewegung steuert – eine neue Population von Nervenzellen identifiziert und gezeigt, dass sich beim Trainieren feinmotorischer Bewegung diese Region verändert. Je mehr das Greifen geübt wird, desto mehr verstärken sich die Verbindungen zwischen den Neuronen dieser Nervenzellgruppe.

Nucleus ruber, eine bislang kaum erforschte Hirnregion

Das Greifen ist eine Fähigkeit, die trainiert und verbessert werden kann, auch im Erwachsenenalter. Damit die Muskeln eine Bewegung korrekt ausführen können, müssen die Befehle des Gehirns über das Rückenmark weitergeleitet werden. Der Nucleus ruber, der über lange Zeit hinweg wenig Aufmerksamkeit in der Hirnforschung erhielt, spielt für die Feinmotorik eine wichtige Rolle. Denn hier lernt das Gehirn neue feinmotorische Fähigkeiten des Greifens und speichert das Gelernte ab.


Unsere Feinmotorik wie das Greifen wird im Nucleus ruber, einer Region des Mittelhirns, gesteuert.

Publikation:


Giorgio Rizzi, Mustafa Coban & Kelly R. Tan
Excitatory rubral cells encode the acquisition of novel complex motor tasks

Nature Communications (2019)

DOI: 10.1038/s41467-019-10223-y



Kelly Tans Team hat den Nucleus ruber im Mausmodell nun genauer untersucht und dessen Struktur und neuronale Zusammensetzung analysiert. „Wir haben herausgefunden, dass diese Region des Gehirns sehr heterogen ist und aus verschiedenen Neuronenpopulationen besteht“, sagt Giorgio Rizzi, Erstautor der Studie.

Verbesserte Feinmotorik durch plastische Änderungen im Gehirn

Eine dieser Neuronenpopulationen konnte das Forschungsteam identifizieren und zeigen, dass das Erlernen neuer Greifbewegungen die Verbindungen zwischen den einzelnen Neuronen stärkt. „Dadurch wird beim Lernen neuer feinmotorischer Bewegungen die ausgeführte Bewegung optimiert und im Gehirn quasi als Code gespeichert“, erklärt Tan. „Somit konnten wir die Plastizität des Gehirns nun auch im Nucleus ruber nachweisen“.

In einem weiteren Schritt möchte das Team nun untersuchen, wie beständig diese gestärkten Nervenzellverbindungen des Nucleus ruber sind und inwieweit sie sich wieder zurückbilden, wenn die erlernte feinmotorische Bewegung nicht weiter ausgeübt wird. Auch im Hinblick auf das Verständnis vom Parkinson-Syndrom, bei dem die Betroffenen unter motorischen Störungen leiden, könnte die Ergebnisse neue Erkenntnisse liefern. Dazu möchte das Team herausfinden, ob auch die Verbindungen der Neuronen im Nucleus ruber von Parkinson-Patienten verändert sind und inwieweit ein Training der Feinmotorik das neuronale Netzwerk wieder stärken kann.


Diese Newsmeldung wurde via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.

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