Oasen sind Hotspots biologischer und kultureller Diversität



Bio-News vom 02.09.2023

Ein Forschungsteam aus Frankfurt hat den Zusammenhang von kultureller und biologischer Vielfalt für ausgewählte Oasen der Sahara untersucht. In ihrer Studie zeigen die Forschenden am Beispiel Algeriens, dass Oasen Zentren der biokulturellen Diversität sind. Da Kultur und Artenvielfalt in diesen einzigartigen Wüsten-Lebensräumen besonders eng verknüpft sind, sollten sie bei Maßnahmen zur nachhaltigen Nutzung und zum Schutz zusammengedacht werden, so die Forschenden.

Trockengebiete sind die Heimat vielfältiger Nomadenkulturen, einer einzigartigen Tier- und Pflanzenvielfalt und eines Viertels der Sprachen der Welt. Zwar ist der Artenreichtum in Trockengebieten geringer als beispielsweise in tropischen Wäldern, dafür beheimaten Wüsten eine besonders angepasste und einzigartige Vielfalt an Tieren und Pflanzen. Gleichzeitig ist die Diversität innerhalb der Arten aufgrund der Unterschiedlichkeit und Isolation einzelner Ökosysteme besonders ausgeprägt. Oasen – grüne, fruchtbare Inseln innerhalb von Wüstengebieten – spielen dabei eine zentrale Rolle.


Oasen sind Zentren der biologischen und kulturellen Vielfalt in der Sahara (hier Mides, Tunesien).

Publikation:


Tydecks L, Hernández-Agüero JA, Böhning-Gaese K, Bremerich V, Jeschke JM, Schütt B, et al.
Oases in the Sahara Desert– Linking biological and cultural diversity

PLoS ONE 18(8): e0290304 (2023)

DOI: 10.1371/journal.pone.0290304



„Für Oasen in der Sahara ist insbesondere die Vielfalt der landwirtschaftlich genutzten Pflanzen- und Tierarten von großer Bedeutung“, erklärt der Mitautor der Studie Dr. Juan Antonio Hernández-Agüero, vormals wissenschaftlicher Mitarbeiter am Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt und heute an der Vrije Universiteit Amsterdam tätig, und fährt fort: „Dattelpalmoasen sind ein typisches Beispiel: Neben der wirtschaftlichen Bedeutung der Früchte weisen sie eine hohe genetische Diversität auf und bieten Lebens- und Rückzugsräume für eine Vielzahl von Tieren. Hier zeigt sich die eng verknüpfte Entwicklung von menschlicher Kultur und Biodiversität sehr deutlich.“


Eine besondere Rolle spielt die Vielfalt der landwirtschaftlich genutzten Arten – Dattelpalmoasen wie hier Zagora in Marokko weisen eine hohe genetische Diversität auf und bieten Lebensräume für eine Vielzahl von Tieren.

Um die möglichen Mechanismen biokultureller Diversität in der Sahara besser zu verstehen, nahmen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Oasen Algeriens genauer in den Blick und analysierten die wechselseitigen Beziehungen verschiedener Faktoren biologischer und kultureller Vielfalt – etwa die Anzahl der Tier- und Pflanzenarten und die Zahl ethnischer Gruppen und Sprachen.



Hernández-Agüero weiter: „Zusammen beheimaten sie 552 Pflanzen-, 14 Amphibien-, 328 Vögel-, 98 Säugetier- und 72 Reptilienarten, wobei die Vielfalt noch deutlich höher sein kann. Darüber hinaus gibt es in den algerischen Oasen zwölf ethnische Bevölkerungsgruppen, die jeweils eigene Sprachen sprechen, darunter fünf gefährdete Sprachen. Von den insgesamt 22 Sprachen Algeriens – einem Land mit global gesehen nur moderater Vielfalt – wird also über die Hälfte in Oasen gesprochen. Acht von zehn bedrohten großen Wirbeltierarten der Sahara-Sahel-Region finden hier Rückzugsgebiete. Oasen sind offenkundig von immenser Bedeutung für die biokulturelle Vielfalt des gesamten Landes. Auf der Ebene der einzelnen Oasen konnten wir zudem eine starke Korrelation zwischen der Anzahl der Arten und der Sprachen feststellen.“

Globalisierungsprozesse, die Industrialisierung der Landwirtschaft und der Tourismus verändern aktuell auch die Oasen der Sahara zusehends. Neben traditionellen Produkten wie Datteln und Oliven werden dort auch zunehmend Tomaten und anderes Gemüse für Hotels und Restaurants angebaut. Hinzu kommen Aktivitäten wie Ölförderung oder Uranabbau. „Über viele Generationen hinweg haben traditionelle lokale Bewirtschaftungspraktiken den Schutz der biologischen Vielfalt gewährleistet“, erläutert Prof. Dr. Klement Tockner, Initiator und Leiter der Studie, und weiter: „Daher ist es von entscheidender Bedeutung, die biologische und die kulturelle Vielfalt gemeinsam zu betrachten, um Oasen in der Sahara – aber auch weltweit – in ihrer Vielfalt und Bedeutung für die Menschen nachhaltig zu nutzen und auch zu schützen. Immerhin leben in Nordafrika und in Asien etwa 450 Millionen Menschen in oder bei Oasen. Aufgrund ihrer natürlichen Ressourcen zählen sie somit zu den am dichtesten besiedelten Lebensräumen weltweit. Und sie sind bedrohter denn je zuvor.“


Diese Newsmeldung wurde mit Material der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.

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