Schimpansenmütter fördern Sozialkompetenz ihres Nachwuchses
Bio-News vom 14.09.2013
Junge Schimpansen, die ohne ihre leibliche Mutter aufwachsen, verfügen über eine geringere Sozialkompetenz als Artgenossen, die von der Mutter aufgezogen wurden. Forscher des Max-Planck-Instituts für Psycholinguistik in Nijmegen, Niederlande, haben beobachtet, dass sich Schimpansenwaisen zwar häufig an Spielen ihrer Altersgenossen beteiligen, ihre Spielrunden jedoch deutlich kürzer ausfallen und öfter zu Aggression führen. Offenbar vermitteln Schimpansenmütter ihrem Nachwuchs wichtige soziale Kompetenzen.
Publikation:
Edwin J. C. van Leeuwen, Innocent Chitalu Mulenga, Diana Lisensky Chidester
Early social deprivation negatively affects social skill acquisition in chimpanzees (Pan troglodytes)
Animal Cognition
DOI: 10.1007/s10071-013-0672-5
Edwin Van Leeuwen und seine Kollegen Innocent Mulenga und Diana Lisensky vom Max-Planck-Institut für Psycholinguistik in Nijmegen haben in einer Aufzuchtstation in Sambia das Spielverhalten von verwaisten mit dem von der Mutter aufgezogenen Schimpansenjungen verglichen. Im Chimfunshi Wildlife Orphanage Trust werden die Schimpansenwaisen anfänglich von Menschen betreut. Sobald sie kräftig genug sind – gewöhnlich im Alter von ein bis zwei Jahren – wachsen sie in einer Gruppe von Schimpansenwaisen auf. „Die Schimpansen in der Studie waren zwischen vier und neun Jahre alt und haben sich somit gewissermaßen gegenseitig erzogen“, erklärt van Leeuwen von der Forschungsgruppe für vergleichende kognitive Ethnologie.
Die Wissenschaftler hatten eigentlich erwartet, dass die jungen Waisen weniger häufig und ruppiger spielen würden als die von Müttern aufgezogenen Jungtiere. Schließlich fehlte ihnen die wichtigste Bezugsperson in einer sensitiven Phase der Sozialisierung und sie mussten auch weiterhin ohne das sichere und unterstützende soziale Umfeld auskommen, das eine Mutter bietet.
Zur Überraschung der Forscher beteiligten sich die Schimpansenwaisen aber sogar häufiger am Spiel der Altersgenossen als die von den Müttern aufgezogenen Jungen, wenn auch kürzer. Ihr Spiel führte jedoch häufiger zu Aggressionen als das Spiel der jungen Schimpansen, die von der Mutter aufgezogen wurden. „Obwohl die Schimpansenwaisen gerne spielten“, so Van Leeuwen „konnten sie die Spielrunden aber offenbar schlechter koordinieren und verhindern, dass sie zu Aggressionen führen.“
Wie bei den Menschen scheinen auch die Schimpansenmütter für die Entwicklung der Sozialkompetenz des Nachwuchses von Bedeutung zu sein, folgern die Forscher. Van Leeuwen: „Es scheint, als bereiteten Mütter ihren Nachwuchs auf die Aufgaben vor, die für ein erfolgreiches Zusammenleben in der Gruppe besonders wichtig sind. Als Ersatz für die fehlende Mutter könnte ein anderes erwachsenes Tier als Bezugsperson die sozialen Kompetenzen fördern. Dies sollten Auffangstationen und anderen Einrichtungen berücksichtigen, die Schimpansen in das Sozialleben einer Gruppe eingliedern wollen.“
Diese Newsmeldung wurde via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.