Städte können ein Rückzugsgebiet für Fledermäuse sein



Bio-News vom 13.01.2022

Verstädterung stellt eine erhebliche Bedrohung für Fledermauspopulationen auf der ganzen Welt dar, insbesondere durch künstliches Licht während der Nacht und die Verringerung des Lebensraums und Nahrungsangebots. Unter bestimmten Voraussetzungen können jedoch Flächen innerhalb von Ballungsräumen für Fledermäuse geeignet sein, so dass ein entsprechender Umgang mit diesen Flächen zum Fledermausschutz beitragen kann. Ein Wissenschaftsteam identifizierte mit der Unterstützung von mehr als 200 Berliner Bürgerwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern diese Bedingungen und erforschte, wie sie sich auf die Verbreitung und Häufigkeit von Fledermausarten auswirken.

Das Team des Leibniz-IZW kommt zu dem Schluss, dass bereits ein geringes Maß an nächtlichem künstlichem Licht für alle Fledermäuse in Städten nachteilig ist, für viele ist darüber hinaus der Zugang zu Vegetation und Gewässern wichtig. Die Ergebnisse und Schlussfolgerungen sind in der Fachzeitschrift „Environmental Pollution" veröffentlicht.

Der Verlust der biologischen Vielfalt gefährdet wichtige Ökosystemfunktionen und damit die Gesundheit und das Wohlergehen der Menschen in einer Größenordnung, die mit anderen Prozessen des globalen Wandels wie dem Klimawandel vergleichbar ist. Zu den Hauptursachen für den Verlust biologischer Vielfalt gehören der Verlust und die Verschlechterung von Lebensräumen. Hier spielen Landwirtschaft und Holzeinschlag eine wichtige Rolle, aber auch die Verstädterung, die eine dramatische Umwandlung von natürlichen in extrem vom Menschen überformte (anthropogene) Landschaften bewirkt. Diese Prozesse haben schwerwiegende nachteilige Auswirkungen auf viele der über 1.400 Fledermausarten, die einen erheblichen Anteil der gesamten Säugetiervielfalt ausmachen.


Zwei Bürgerwissenschaftlerinnen mit dem „Bat Detector“ im Einsatz.

Publikation:


Lewanzik D, Straka TM, Lorenz J, Marggraf L, Voigt-Heucke S, Schumann A, Brandt M, Voigt CC
Evaluating the potential of urban areas for bat conservation with citizen science data
Environmental Pollution

DOI: 10.1016/j.envpol.2021.118785



„Für den Fledermausschutz ist es wichtig, mehr über die Bedingungen zu erfahren, die sich positiv oder negativ auf Fledermäuse in diesen unterschiedlichen Ökosystemen - auch in Städten - auswirken“, sagt Daniel Lewanzik, Wissenschaftler in der der Leibniz-IZW-Abteilung Evolutionäre Ökologie. Lewanzik und seine Kolleginnen und Kollegen arbeiteten mit mehr als 200 Bürgerwissenschaftler:innen zusammen, um die Ultraschallrufe von fünf Fledermausarten bis zu sechs Mal im Laufe von zwei Jahren an 600 Stellen in Berlin aufzuzeichnen. „Mit diesem großen Datensatz konnten wir untersuchen, welche Eigenschaften der urbanen Landschaft die Anwesenheit von Fledermäusen beeinflussen. Darüber wollten wir verstehen, wie man diese Umgebungen so verbessern kann, dass Fledermauspopulationen selbst in Stadtlebensräumen bestehen können“, erklärt Christian Voigt, Leiter der Leibniz-IZW-Abteilung für Evolutionäre Ökologie und Seniorautor der Untersuchung.

Die Ergebnisse untermauern den Verdacht, dass sich künstliches Licht in der Nacht negativ auf alle Fledermausarten auswirkt und sogar das Vorkommen von Arten verringert, die bisher als „lichttolerant“ galten. Mückenfledermäuse erwiesen sich als besonders lichtempfindlich: Bereits bei mittlerer Beleuchtungsstärke wurden sie nur noch selten im Stadtlebensraum entdeckt, bei höherer Beleuchtungsstärke verschwanden sie ganz. Außerdem kamen Mückenfledermäuse fast viermal häufiger in Gebieten mit weißen Laternen als in Gebieten mit orangefarbenen Laternen vor, während Rauhautfledermäuse und Mausohrfledermäuse keine Vorliebe für eine bestimmte Lichtfarbe zeigten. Zusätzlich zeigte sich bei Mausohrfledermäusen ein Einfluss der Jahreszeiten: sie reagierten im Sommer negativ auf zunehmende künstliche Beleuchtung bei Nacht, im Herbst jedoch nicht.

Vegetation, die Anwesenheit offener Gewässer sowie das Ausmaß der durch Straßen und Gebäude versiegelten Flächen hatten ebenfalls einen erheblichen Einfluss auf einige Arten, in Abhängigkeit von deren Nahrungsgewohnheiten. Arten, die entlang von Vegetationsrändern (z. B. Zwergfledermäuse) nach Nahrung suchen, benötigen in der Regel Baumreihen, Arten die direkt über Wasserflächen (z. B. Wasserfledermäuse) nach Nahrung suchen, sind auf offenes Wasser angewiesen. Die meisten untersuchten Arten, insbesondere solche, die im offenen Luftraum jagen, mieden stark versiegelte Flächen mit einem hohen Anteil an umliegenden Gebäuden.

„Unsere Ergebnisse zeigen, wie wichtig es ist, das künstliche Licht in der Nacht auf das für menschliche Aktivitäten absolut notwendige Minimum zu reduzieren und, wo immer möglich, Optionen zum Dimmen von Beleuchtung im Außenbereich einzusetzen, zum Beispiel über Bewegungssensoren“, fassen Lewanzik und Voigt zusammen. Sie empfehlen außerdem, bestehende Biotope unbedingt zu erhalten und zudem neue zu schaffen, wo immer dies möglich ist, und diese Fragmente durch ununterbrochene Vegetation und Dunkelkorridore (z. B. Wohngärten und Baumreihen) miteinander und mit Gewässern zu verbinden. Die Untersuchung zeigt, dass auch Städte geeignete Lebensräume für geschützte und bedrohte Arten bieten können, wenn diese Voraussetzungen beachtet werden.

Das gemeinsame Sammeln von Daten mit „Citizen Scientists“ war eine positive Erfahrung, sagen die Autoren. „Die Zusammenarbeit mit mehr als 200 hochmotivierten Helferinnen und Helfern ermöglichte es, zeitgleich Daten im gesamten Stadtgebiet Berlins zu erheben“, sagt Miriam Brandt, Leiterin des Leibniz-IZW-Wissenschaftsmanagements und Leiterin des Projekts „WTimpact“. WTimpact ist ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung von 2017 bis 2021 gefördertes Verbundprojekt, in dessen Rahmen die Forschungsarbeiten zu Fledermäusen in Berlin durchgeführt wurden. „Gleichzeitig konnten wir interessierten Bürgerinnen und Bürgern einen meist kaum wahrgenommenen Teil der Stadtnatur nahebringen – viele Teilnehmende waren überrascht, Fledermäuse in urbanen Gegenden zu finden, wo sie sie nicht vermutet hätten.“


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) im Forschungsverbund Berlin e.V. via Informationsdienst Wissenschaft erstellt

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