Trinkwasserqualität leidet unter klimawandelbedingtem Waldverlust



Bio-News vom 09.09.2022

Das in Talsperren gespeicherte Wasser sichert unsere Trinkwasserversorgung. Gute Wasserqualität ist dafür wichtig – wird aber durch den Klimawandel stark gefährdet. Ein Forschungsteam konnte in einer Modellstudie an der Rappbodetalsperre im Harz zeigen, wie sich der klimabedingte Waldverlust etwa durch Waldbrände im Einzugsgebiet der größten Trinkwassertalsperre Deutschlands auf die Wasserqualität auswirken kann. Solche indirekten Folgen des Klimawandels seien ein stark unterschätztes Problem, mahnen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

Hitzewellen, Dürre, Überschwemmungen, Waldbrände – die Folgen des Klimawandels nehmen zu und verändern unsere Umwelt. Ein eindrückliches Beispiel ist die Landschaft des Einzugsgebiets der Rappbodetalsperre im Ostharz. Sie ist die größte Trinkwassertalsperre in Deutschland und versorgt rund eine Million Menschen mit Trinkwasser. Durch lange Dürreperioden in den Jahren 2015 bis 2020 wurden die Baumbestände im Harz so stark geschwächt, dass sich Schädlinge wie der Borkenkäfer ausbreiten konnten.


Die Rappbodetalsperre im Harz ist von Wäldern umgeben und die größte Trinkwassertalsperre Deutschlands.

Publikation:


Xiangzhen Kong, Salman Ghaffar, Maria Determann, Kurt Friese, Seifeddine Jomaa, Chenxi Mi, Tom Shatwell, Karsten Rinke, Michael Rode
Reservoir water quality deterioration due to deforestation emphasizes the indirect effects of global change
Water Research 221 (2022)

DOI: 10.1016/j.watres.2022.118721



Das verstärkte den Effekt nochmals: Die Bäume nahmen weiter Schaden, starben binnen kürzester Zeit ab. „Das von Nadelwald – vorwiegend Fichte – geprägte Einzugsgebiet der Rappbode hat in den vergangenen vier Jahren über 50 Prozent seines Waldes verloren“, sagt der UFZ-Hydrologe und Letztautor Prof. Michael Rode. „Dieser massive Waldverlust schreitet schnell voran und ist dramatisch. Er wird für das Trinkwasserreservoir nicht folgenlos bleiben.“

Wälder spielen im Wasserkreislauf eine wichtige Rolle: Sie filtern das Wasser, binden Nährstoffe und sind deshalb notwendig für eine gute Wasserqualität. Für die Trinkwasseraufbereitung ist es umso besser, je weniger Nährstoffe – also Stickstoff- oder Phosphorverbindungen – das Wasser einer Talsperre enthält.

„Dann können sich weniger Algen entwickeln, und die Trinkwasseraufbereitung im Wasserwerk läuft kostengünstiger und mit weniger Aufwand“, erklärt UFZ-Seenforscher und Mitautor Dr. Karsten Rinke. „Das Nährstoffmanagement in Wasserschutzgebieten ist daher sehr wichtig. Langfristige Konzepte, bei denen Forst- und Wasserwirtschaft eng zusammenarbeiten, haben in den vergangenen Jahrzehnten die Entwicklung großer Waldareale im Einzugsgebiet der Rappbodetalsperre vorangetrieben.“ Der rasante Entwaldungsprozess im Ostharz bereite den Talsperren- und Wasserwerksbetreibern nun tatsächlich große Sorgen.

Diese Entwicklung hat das UFZ-Team zum Anlass genommen, in ihrer Modellstudie zu untersuchen, welche Auswirkungen klimabedingte Entwaldungsprozesse auf die Wasserqualität von Talsperren haben. Dafür legte es Daten aus dem Umweltbeobachtungsnetzwerk TERENO (Terrestrial Environmental Observatories) zugrunde, an dem das UFZ mit dem Observatorium im Harz/Mitteldeutschen Tiefland beteiligt ist.

„Wir konnten auf Umweltdaten aus einem Zeitraum von über zehn Jahren zurückgreifen und hatten so eine solide Datengrundlage“, sagt Dr. Xiangzhen Kong, ebenfalls Hydrologe am UFZ und Erstautor der Studie. Um die zukünftigen Klimaveränderungen zu prognostizieren, nutzte das Team Daten aus dem internationalen Projekt ISIMIP (Inter-sectoral Impact Model Intercomparison Project). „Diese speisten wir zunächst in ein Modell ein, um die klimabedingten Auswirkungen auf den Nährstoffhaushalt des Einzugsgebiets modellieren zu können“, erklärt Kong. „Die daraus generierten Daten durchliefen anschließend ein Talsperren-Ökosystem-Modell, mit dem wir die Auswirkungen unterschiedlicher Entwaldungsszenarien auf die voraussichtliche Wasserqualität im Jahr 2035 ermitteln konnten.“

Die Rappbodetalsperre wird aus drei unterschiedlichen Einzugsgebieten gespeist, zwei davon waren Teil der Studie. „Das Einzugsgebiet der Hassel ist landwirtschaftlich geprägt, das der Rappbode walddominiert – zumindest war es das ursprünglich einmal, ehe die Fichtenbestände abstarben“, sagt Kong. Bevor das Wasser aus den beiden Einzugsgebieten in die große Rappbodetalsperre fließt, wird es jeweils in einer Vorsperre gestaut und zwischengespeichert. Das Wasser in der Hassel-Vorsperre ist durch den landwirtschaftlichen Einfluss deutlich nährstoffreicher als das Wasser der Rappbode-Vorsperre.

„Wir können zeigen, dass bei einem zu erwartenden Waldverlust von bis zu 80 Prozent in der Rappbode-Vorsperre die gelösten Phosphorkonzentrationen um 85 Prozent und die Stickstoffkonzentrationen um mehr als 120 Prozent innerhalb von nur 15 Jahren steigen werden. Die Rappbode-Vorsperre erreicht damit einen nahezu ebenso hohen Nährstoffzustand wie die Hassel-Vorsperre“, sagt Kong. Dies führe in der Rappbode-Vorsperre zu einem Anstieg beispielsweise bei Kieselalgen um mehr als 80 Prozent und bei Grünalgen sogar um mehr als 200 Prozent. Diese Ergebnisse zeigen, dass im Bereich des Trinkwassermanagements Anpassungen auf verschiedensten Ebenen notwendig sein werden. „In Einzugsgebieten von Talsperren sollten Nährstoffeinträge noch stärker als bisher heruntergefahren werden, bereits begonnene Wiederaufforstungsprojekte mit trockenresistenten Baumarten weiter vorangetrieben und Wasserwerke mit selektiven Wasserentnahmestrategien an die anstehenden Entwicklungen angepasst werden“, sagt Rode.

Die Ergebnisse für die Rappbodetalsperre lassen sich auch auf andere Einzugsgebiete von Talsperren in vergleichbaren Regionen übertragen. „Der Waldverlust als indirekte Folge des Klimawandels hat auf die Wasserqualität von Talsperren einen stärkeren Effekt als direkte Auswirkungen des Klimawandels wie etwa die Erhöhung der Wassertemperatur. In diesem Ausmaß hat uns das tatsächlich überrascht“, resümiert Xiangzhen Kong.


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung - UFZ via Informationsdienst Wissenschaft erstellt

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