Zahlreiche Flohkrebse in den Korallenriffen südöstlich von Island entdeckt



Bio-News vom 23.12.2020

Das Naturhistorische Museum Wien und das Centrum für Naturkunde (CeNak) der Universität Hamburg untersuchen gemeinsam Kaltwasserriffe südlich von Island und fanden unzählige kaum erforschte Flohkrebse, Amphipoda. Die Ergebnisse der Forschung, welche Arten hier vorkommen und wie klimatische Veränderungen auf die Organismen sich auswirken, wurden jüngst veröffentlicht.

Bunte Korallengärten erstrecken sich in tausend Meter Wassertiefe südöstlich von Island. Während Korallen in tropischen Gewässern bei der Nahrungszufuhr von Algen abhängig sind, können sich die Korallen in den kalten, nährstoffreichen Gewässern der Tiefsee allein von Plankton ernähren. Auf dem Reykjanes Ridge, der Verlängerung des Mittelatlantischen Rückens, befinden sich ausgedehnte Korallenriffe.


Eine der neuentdeckten und hier untersuchten Flohkrebsarten der Gattung Neopleustes

Publikation:


Martin Schwentner & Anne-Nina Lörz
Population genetics of cold-water coral associated Pleustidae (Crustacea, Amphipoda) reveals cryptic diversity and recent expansion off Iceland

Marine Ecology

DOI: 10.1111/maec.12625



Kaltwasserriffe gehören zu stark gefährdeten Ökosystemen. Sie sind Heimat unzähliger wirbelloser Tiere, die in ihren Verzweigungen Schutz und Nahrung finden. Unter anderem leben in den Riffen kaum erforschte Amphipoda, Flohkrebse.

Mit modernsten Methoden wurden diese Flohkrebse nun untersucht. Per ROV (Remote Operated Vehicle), einem Kameratauchroboter, wurden Weichkorallen in der Tiefsee gefilmt, fotografiert und selektiv beprobt. Bei einer Beprobung wird beispielsweise ein „Zweig“ einer Koralle abgeschnitten und an das Deck des Forschungsschiffes „Sonne“ geholt. Diese Methode ist besonders schonend: Beifang wird vermieden, das Leben der Koralle wird nicht gefährdet und es werden keine Schäden auf dem Tiefseeboden angerichtet. Außerdem lässt sich so detailliert das Zusammenleben von Korallen und wirbellosen Tieren untersuchen. Auf einem Ast einer Weichkoralle tummeln sich hunderte von Flohkrebsen.

Vertreter der Amphipodenfamilie Pleustidae, einer Flohkrebsart, konnten bei dieser gezielten Beprobung genau ihrem jeweiligen Korallenwirt zugeordnet werden. So können erstmals populationsgenetische Untersuchungen vorgenommen werden, welche für Tiefseeorganismen sehr selten sind.

Die Analysen des Erbguts kurzer DNA-Abschnitte (so genannter genomischer Marker) zeigten:

  1. einerseits das Vorhandensein kryptischer Arten. Kryptische Arten sehen morphologisch (äußerlich) gleich aus, unterscheiden sich aber genetisch.
  2. und andererseits auch eine sehr hohe morphologische Variabilität innerhalb einzelner Art. So waren mehrere vermeintliche Arten genetisch nicht unterscheidbar.

Erstaunlich war, dass zwei der untersuchten Flohkrebsarten auf allen untersuchten Korallenarten gefunden wurden. Sie waren somit nicht wirtspezifisch. Bei diesen Arten zeigten sich auch nur geringe genetische Unterschiede zwischen Populationen, die rund 130 km auseinander lagen. Die Ergebnisse deuten auf regelmäßigen Austausch zwischen diesen Populationen hin. Die Untersuchungen weisen darauf hin, dass sich diese Arten in der Expansionsphase befinden. Dies könnte auf die sich stark verändernden Lebensbedingungen um Island seit der letzten Eiszeit zurückzuführen sein.

„Wir waren sehr überrascht, dass zwei der Arten ein so breites Wirtsspektrum aufweisen. Wir hatten erwartet, dass sich die einzelnen Flohkrebse auf eine oder wenige Korallenarten spezialisiert hätten, auch um gegenseitige Konkurrenz zu vermeiden. Übrigens sind beide Arten der Wissenschaft noch unbekannt und befinden sich momentan in der Beschreibung“, beschreibt Dr. Anne-Nina Lörz von dem Centrum für Naturkunde der Universität Hamburg die Untersuchungen.

Dr. Martin Schwentner, Kurator der Sammlung Krebstiere des Naturhistorischen Museums Wien, vermutet, dass sich die klimatischen Veränderungen seit der letzten Eiszeit auch auf diese korallen-bewohnenden Krebse ausgewirkt haben. „Wie sich die aktuellen Klimaveränderungen auf diese Krebse und die Tiefseekorallen auswirken werden, ist noch nicht abzusehen und muss weiter erforscht werden“, betont der Forscher.


Diese Newsmeldung wurde mit Material Naturhistorischens Museum Wien via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.

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