Ökologie-Experiment in Münchenbuchsee bringt erste Resultate



Bio-News vom 19.05.2020

Auf einer 3000 Quadratmeter grossen Wiese in Münchenbuchsee starteten Forschende des Instituts für Pflanzenwissenschaften der Universität Bern vor vier Jahren das grösste Experiment für Biodiversität und Ökosystemfunktionen in der Schweiz. Nun ist die erste wissenschaftliche Publikation aus dem Projekt erschienen: Eine Studie zu den Auswirkungen der Stickstoffdüngung auf die Funktionsweise von Ökosystemen.

Münchenbuchsee in der Nähe von Bern beheimatet das grösste Experiment für Biodiversität und Ökosystemfunktionen in der Schweiz. Seit 2015 erforschen hier unter der Leitung von Professor Eric Allan Ökologinnen und Ökologen des Instituts für Pflanzenwissenschaften der Universität Bern im Rahmen des Experiments «PaNDiv» die vielfältigen Effekte von Stickstoffdüngung auf die Funktionsweise von Ökosystemen. Das Experiment besteht aus 336 mit Holzpfählen begrenzten Pflanzenparzellen auf einer rund 3000 Quadratmeter grossen Wiese. Nun ist in der Fachzeitschrift Functional Ecology die erste Studie des PaNDiv-Teams erschienen. Darin zeigen die Forschenden, wie die Stickstoffanreicherung im Boden den Zersetzungsprozess von totem Pflanzenmaterial beschleunigt. Es ist die erste einer Reihe von Publikationen, in denen zukünftig Forschungsresultate aus dem PaNDiv-Experiment präsentiert werden.


Kleine Holzpfähle begrenzen insgesamt 336 kleine Pflanzenparzellen auf einer von rund 3000 Quadratmeter grossen Wiesenfläche. PaNDiv ist das grösste Experiment für Biodiversität und Ökosystemfunktionen in der Schweiz.

Publikation:


Pichon et al.
Decomposition disentangled: a test of the multiple mechanisms by which nitrogen enrichment alters litter decomposition
Functional Ecology, 30. März 2020, in press

DOI: 10.1111/1365-2435.13560



Stickstoff im Boden: Ein zweischneidiges Schwert

Aufgrund von menschlichen Aktivitäten, vor allem in der Landwirtschaft durch die Verwendung von Dünger und in der Industrie, nimmt global die Stickstoffmenge im Boden zu. Die Folgen auf unsere Umwelt sind gross. Ein hoher Stickstoffeintrag in Ökosysteme fördert das Pflanzenwachstum. Das ist von Vorteil und gewollt für die landwirtschaftliche Produktion, hat aber auch Nachteile. Gewisse Pflanzenarten, vorwiegend schnell wachsende, konkurrenzstarke, profitieren mehr von Stickstoff als andere. Das führt dazu, dass sich infolge des Stickstoffeintrags die Zusammensetzung der Pflanzengesellschaften verändert und dass die Artenvielfalt abnimmt. Stickstoff kann auch dazu führen, dass Pflanzenschädlinge (z.B. Pilz-Erreger) häufiger auftreten. Viele dieser Prozesse, die durch Stickstoffeintrag in Gang gesetzt werden, sind inzwischen gut erforscht. Darüber, wie diese Prozesse zusammenhängen und sich gegenseitig beeinflussen, ist allerdings weniger bekannt. Das Experiment in Münchenbuchsee ist deshalb so aufgebaut, dass mehrere Prozesse gleichzeitig untersucht werden können.

Eine einzigartige Versuchsanordnung

Die Bedeutung der Pflanzen-Biodiversität auf die Funktionsweise von Ökosystemen wurde bereits in viele Experimenten untersucht. «Das PaNDiv-Experiment ist jedoch in seiner Versuchsanordnung einzigartig. Es variiert nicht nur die Pflanzenvielfalt auf kleinen Parzellen von 2 mal 2 Metern, sondern auch die Stickstoffanreicherung und die Eigenschaften der vorhandenen Pflanzenarten, indem es Pflanzengemeinschaften schafft, die nur aus schnell oder langsam wachsenden Pflanzenarten bestehen», sagt Eric Allan, Leiter des Experiments und Professor am Institut für Pflanzenwissenschaften.

Darüber hinaus sprühten die Forschenden die Hälfte ihrer experimentellen Pflanzengemeinschaften mit Fungiziden ein, um deren Auswirkungen auf die Ökosystemfunktionen zu untersuchen. Auf jeder Parzelle massen die Forschenden mehrere Ökosystemfunktionen: die Biomasseproduktion, die Bodenatmung, den Stickstoff-, Phosphor- und Kohlenstoffkreislauf sowie die Anzahl der Insekten und von vorhandenen Pflanzenschädlingen (Pilz-Erreger).

In der ersten, nun erschienenen, Studie des PaNDiv-Teams konzentrierten sich die Forschenden auf den Zersetzungsprozess von totem Pflanzenmaterial (Kompostierung). Die Geschwindigkeit dieses Prozesses ist entscheidend für die Erhaltung eines gesunden und fruchtbaren Bodens. Zudem ist diese Ökosystemfunktion aber auch ein wichtiger Teil des Kohlenstoffkreislaufs und daher von zentraler Bedeutung für das Verständnis von Klimaveränderungen. Die Studie beantwortet die Frage: Wie schnell zersetzt sich die auf jeder Parzelle produzierte Biomasse, und wie wird die Zersetzungsrate durch Stickstoffdüngung, Diversitätsverlust oder die Eigenschaften der auf der Parzelle vorhandenen Pflanzen beeinflusst?

Für ihre Versuchsanordnung nähten die Forschenden mehr als 800 kleine Nylonsäckchen, die sie mit verschiedenen Arten von Pflanzenmaterial füllten, und legten sie dreieinhalb Monate lang auf die Parzellen auf dem Feld. Danach massen sie, wieviel Material zersetzt wurde. «Der Aufwand hat sich gelohnt. Wir sind mit der Qualität der Ergebnisse sehr zufrieden», erklärt Dr. Noémie Pichon, Hauptautorin des Artikels.

Veränderte Artenzusammensetzung beschleunigt Kompostierung

Die Studie zeigt, dass die Stickstoffanreicherung die Zersetzungsraten des Pflanzenmaterials im Experiment beschleunigt. «Die Wirkung trat allerdings indirekt ein: Der Stickstoff führt dazu, dass auf den Parzellen die schnell wachsenden Pflanzen die langsamer wachsenden mehr und mehr verdrängen», so Noémie Pichon. Weil schnell wachsende Pflanzen auch schneller verrotten als langsam wachsenden Pflanzen, werde durch die Veränderung in der Artenzusammensetzung auch die Zersetzung beschleunigt . «Die Auswirkungen von Stickstoffdüngung auf die Kompostierung werden also unterschätzt, wenn man die Veränderung der Artenzusammensetzung nicht miteinbezieht», sagt Pichon.

«Das einzigartige PaNDiv-Design ermöglichte es uns, diese indirekte Auswirkung von Stickstoff aufzudecken. Die Ergebnisse zeigen, warum diese Art von Experiment notwendig ist: Nur durch das gleichzeitige Testen vieler verschiedener Faktoren können wir deren Bedeutung verstehen und somit vorhersagen, wie sich unsere Ökosysteme in Zukunft verändern werden», erklärt Professor Eric Allan.

Das PaNDiv-Experiment in Münchenbuchsee

Die Forschenden im PaNDiv-Experiment konzentrieren sich auf verschiedene Akteure im Ökosystem (Pflanzen, Insekten, Bodenorganismen, pilzliche Krankheitserreger) und wenden verschiedene Techniken an, von Feldbeobachtungen und Laboranalysen bis hin zu komplexen mathematischen Modellen und der Analyse von mit Drohnen aufgenommenen Infrarotbildern. So dient PaNDiv auch als praktische Lernplattform für Studierende der Universität Bern.

Im PaNDiv Experiment arbeiten derzeit drei Doktorandinnen der Universität Bern, ein Doktorand aus Kopenhagen (Dänemark) und ein Doktorand aus Cádiz (Spanien). Es besteht auch eine Zusammenarbeit mit Forschenden der EPFL sowie der Universität Münster (Deutschland). Zwei Studentinnen schlossen ihr Doktorat und eine Vielzahl weiterer Studierenden schlossen ihre Master- oder Bachelorarbeit bereits auf dem PaNDiv-Experiment ab.

Der Betrieb des PaNDiv-Experiments wurde durch die Corona-Pandemie gestört, konnte aber nach Reorganisation des Personaleinsatzes und der Unterhaltsstrategie in Übereinstimmung mit den Hygiene- und Sicherheitsmassnahmen gesichert werden. Das Team wird seine Forschungen über die komplexen Auswirkungen der globalen Veränderungen auf die Funktionsweise unserer Ökosysteme fortführen können.


Diese Newsmeldung wurde mit Material der Universität Bern via Informationsdienst Wissenschaft erstellt

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