Ökologische Ökonomie


Die Ökologische Ökonomie oder auch Ökologische Ökonomik ist ein inter- bzw. transdisziplinäres Wissenschaftsfeld, das sich mit der Erforschung von Handlungsmöglichkeiten angesichts ökologischer Grenzen der Tragfähigkeit natürlicher Systeme befasst. Ziel ist die wissenschaftliche Fundierung einer nachhaltigen Entwicklung unter Berücksichtigung ökologischer, wirtschaftlicher, politischer und gesellschaftlicher Aspekte. Die Ökologische Ökonomie geht von einem sozial-ökologischen Systemzusammenhang zwischen natürlicher, sozio-ökonomischer und kultureller Entwicklung aus.

Einordnung

Als Ökologische Ökonomie werden insbesondere in den 1980er Jahren entstandene Ansätze zur Erneuerung der Umweltökonomie bezeichnet. Die „traditionelle“ Umweltökonomie basiert im Wesentlichen auf der neoklassischen Theorie und versteht Umweltprobleme hauptsächlich als fehlerhafte Ressourcenallokation aufgrund externer Effekte. Die Ökologische Ökonomie wendet sich gegen diese rein ökonomische Betrachtungsweise und versteht sich demgegenüber transdisziplinär. Zum Beispiel wird in deutsch-sprachigen Raum versucht, unter Bezug auf sozial-ökologische Forschung explizit auf die gesellschaftliche Bedingtheit ökologischer Begrenzungen einzugehen. Ökologische Grenzen der materiellen Größe der Wirtschaft („scale“, materieller Durchfluss; vgl. Herman Daly) werden als absolut betrachtet und als Wachstumsgrenzen in die Wirtschaftswissenschaften übertragen. Zur Bestimmung der Wachstumsgrenzen werden beispielsweise die thermodynamischen Grundbedingungen von Produktion und Konsum auf dem „Raumschiff Erde“ (Kenneth E. Boulding) betrachtet. Welche Elemente des Naturkapitals in welchem Umfang durch produziertes Kapital auf dem Weg zu den Grenzen des Wachstums ersetzt werden können und dürfen, ist ein wichtiges Arbeitsgebiet der Ökologischen Ökonomik.

Methodische Einordnung

Die in der Zeitschrift Ecological Economics veröffentlichten Beiträge decken sowohl inhaltlich als auch methodisch ein weites Spektrum an Themen ab, das nur unscharf gegen Beiträge innerhalb der (neo-) klassischen Umwelt- und Ressourcenökonomik abgegrenzt werden kann. Die Tendenz geht dabei dahin, einige der oft unkritisch angewandten Axiome bzw. Arbeitshypothesen der Neoklassik entweder zu hinterfragen oder explizit zu negieren. Beispiele dafür sind

  • die Betonung der Verteilungsdimension ("Gerechtigkeit") wirtschaftlicher Entscheidungen gegenüber einer alleinigen Orientierung an der gesamtwirtschaftlichen Effizienz,
  • die Ablehnung des Kaldor-Hicks-Kriteriums als unbesehen "gültiges" Entscheidungskriterium für gesellschaftliche Allokationsfragen,
  • der Wunsch nach Ergänzung, wenn nicht Überwindung der Nutzen-Kosten-Analyse bei erhöhter Akzeptanz multi-kriteriale Verfahren,
  • die Aufmerksamkeit für multiple Perspektiven auf den Zusammenhang zwischen Umwelt und Entwicklung einschließlich der Thematisierung von Machtfragen.

Unter verschiedenen Namen tauchen gelegentlich im deutschen Sprachraum Versuche auf, Umweltökonomik und Ökologische Ökonomik zu verbinden (z.b. Nachhaltige Ökonomie, Neue Umweltökonomie).

Soweit angesichts der Heterogenität der Beiträge von einem einheitlichen Wissenschaftsverständnis gesprochen werden kann, strebt die Ökologische Ökonomie tendenziell danach, auch komplexe Zusammenhänge und Notwendigkeiten nachhaltiger Entwicklung anzugehen. Sie überschreitet dabei notwendigerweise die engen Grenzen einer disziplinär ausgerichteten „Normalwissenschaft“ hin zu einer problemorientierten und diszipinenübergreifenden Transdisziplinarität. Der produktive Umgang mit Unsicherheit und Nichtwissen steht im Zentrum einer solchen „post-normalen“ Wissenschaft (siehe auch Sozial-ökologische Forschung).

Institutionen in Deutschland

In Deutschland wurden 1985 die Vereinigung für ökologische Wirtschaftsforschung (VÖW) und das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) gegründet, im Jahr 1996 die Vereinigung für Ökologische Ökonomie (VÖÖ). International sind insbesondere die European Society for Ecological Economics (ESEE) und die International Society for Ecological Economics (ISEE) erwähnenswert.

Das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig war 2007 Tagungsort der ersten Tagung der ESEE in Deutschland und verfügte damals über das deutschlandweit größte Forscherteam Ökologischer Ökonomie.[1] An der Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg ist ein Lehrstuhl zur Ökologischen Ökonomie von Bernd Siebenhüner besetzt.[2]

Siehe auch

Weblinks

Weiterführende Literatur

Zeitschriften

Bücher

  • Costanza, Robert (ed.): Ecological Economics: The Science and Management of Sustainability, New York: Columbia University Press, 1991.
  • Daly, Herman E.: Beyond Growth, Boston: Beacon Press, 1996.
  • Costanza, Robert: An Introduction to ecological economics, St. Lucie Press: Boca Raton, Florida 1997 (278 pp.).
    • Die deutsche Ausgabe erschien unter dem Titel Einführung in die ökologische Ökonomik, hrsg. von Thiemo W. Eser, Lucius & Lucius, Stuttgart 2001 (355 S.) [= UTB; 2190].
  • Marggraf, Rainer; Streb, Sabine: Ökonomische Bewertung der natürlichen Umwelt. Theorie, politische Bedeutung, ethische Diskussion. Heidelberg, Berlin: Spektrum, Akad. Verl., 1997. XII, 270 S. Gebundene Ausgabe. ISBN 3-86025-206-2 .
  • Faber, Malte; Manstetten, Reiner; Proobs, John: Ecological Economics. Concepts and Methods, Cheltenham, Northampton: Edward Elgar, 1998.
  • Lang, Eva; Busch-Lüty, C.; Kopfmüller, J. (Hrsg.): Wiedervorlage dringend: Ansätze für eine Ökonomie der Nachhaltigkeit, München: Oekom, 2007.
  • Rogall, Holger: Ökologische Ökonomie. Eine Einführung, Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften, 2008

Lexikonartikel

  • Meinhold, Roman: Ecological Economics, in: Encyclopedia of Environmental Issues, Salem Press, 2011.

Einzelnachweise

  1. Pressemitteilung des UFZ vom 5. Juni 2007: Natur- und Sozialwissenschaften für eine nachhaltige Entwicklung
  2. Fachgebiet der Ökologischen Ökonomie an der Universität Oldenburg

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