Aluminiumhydroxid


Kristallstruktur
Gibbsit-Struktur
Allgemeines
Name Aluminiumhydroxid
Andere Namen
  • Hydrargillit
  • Bayerit
  • Böhmit
  • Diaspor
  • Nordstrandit
  • Tonerdehydrat
Verhältnisformel Al(OH)3
Kurzbeschreibung

weißer geruchloser Feststoff[1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 21645-51-2
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Arzneistoffangaben
ATC-Code

A02AB01

Eigenschaften
Molare Masse 78,00 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Dichte

2,42 g·cm−3[1]

Schmelzpunkt

300 °C (Kristallwasserabgabe)[1]

Dampfdruck

< 0,1 hPa (20 °C)[1]

Löslichkeit

unlöslich in Wasser (1,5 mg·l−1)[1]

Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung [1]
keine GHS-Piktogramme
H- und P-Sätze H: keine H-Sätze
P: keine P-Sätze [1]
MAK
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Das Aluminiumhydroxid, Summenformel Al(OH)3, wird nach seinen Erscheinungsformen unterschieden und hat amphoteren Charakter.

Modifikationen

Vom Aluminiumorthohydroxid Al(OH)3 sind drei Modifikationen bekannt:

  • monoklin, γ-Al(OH)3: Bekannt als Mineral Gibbsit (Hydrargillit)
  • hexagonal, β-Al(OH)3: Bekannt als Mineral Bayerit
  • triklin: Bekannt als Mineral Nordstrandit

Weiterhin existiert das wasserärmere Aluminiummetahydroxid (Aluminiumoxidhydroxid) AlO(OH), von dem folgende Variationen existieren:

  • orthorhombisch, α-AlO(OH): Bekannt als Mineral Diaspor
  • orthorhombisch, γ-AlO(OH): Bekannt als Mineral Böhmit

Vorkommen

Die Aluminiumhydroxid-Modifikationen Gibbsit und Bayerit kommen in der Natur als Bestandteile des Bauxits vor.

Aluminiumhydroxid

Synthese

Durch Fällung von Aluminiumhydroxid mit Ammoniak in wässriger Aluminiumsalzlösung erhält man eine als Aluminiumoxidhydrat bezeichnete amorphe und voluminöse Form, die sich über die Zeit langsam über Bayerit und Böhmit in den thermodynamisch stabilen Hydrargillit wandelt. Durch Erhitzung von Hydrargillit auf 300 °C wird eine teilweise Entwässerung zu kristallisiertem Böhmit bewirkt. Diaspor wird dargestellt, indem Böhmit in wässriger Natronlauge unter Druck (50 MPa) auf 380 °C erhitzt wird.

Wird Kohlenstoffdioxid in eine Natriumaluminatlösung eingeleitet, bildet sich bei 80 °C kristallines α-Al(OH)3. Bei geringerer Temperatur würde zunächst Bayerit entstehen, der allmählich in α-Al(OH)3 übergeht.

Großtechnisch wird Aluminiumhydroxid aus Bauxit durch Aufschluss mit Natronlauge nach dem Bayer-Verfahren hergestellt. Größter Hersteller war in Deutschland die VAW (Vereinigte Aluminiumwerke AG). Heute wird Aluminiumhydroxid großtechnisch in Deutschland nur noch von der Aluminium Oxid Stade GmbH (AOS) produziert.


Werden die verschiedenen Aluminiumhydroxidformen durch starkes Erhitzen dehydriert (calciniert), erhält man Aluminiumoxid Al2O3.

Reaktionsverhalten

Unter Einwirkung von Basen wird Aluminiumhydroxid in Aluminate überführt:

$ \mathrm {Al(OH)_{3}+OH^{-}\longrightarrow [Al(OH)_{4}]^{-}} $

In Säuren reagiert es zu den entsprechenden Aluminiumsalzlösungen.

$ \mathrm {Al(OH)_{3}+3\ H^{+}\longrightarrow Al^{3+}+3\ H_{2}O} $

Die Reaktionsgeschwindigkeit ist dabei abhängig von der beteiligten Modifikation, so ist die Löslichkeit in Säuren bei amorpher Struktur wesentlich größer als bei kristalliner Form.

Verwendung in der Industrie

Aluminiumhydroxid tritt als Bayerit und Hydrargillit als Zwischenprodukte bei der Aluminiumgewinnung nach dem Bayer-Prozess in Erscheinung und wird dort als Nebenprodukt („Feuchthydrat“) gewonnen und als Rohstoff zur Herstellung diverser Al-Verbindungen in der Industrie verwendet, z. B. Herstellung von Natriumaluminat-Lösung oder Polyaluminiumchlorid.

Aluminiumhydroxid (Hydrargillit, auch ATH von Aluminiumtrihydrat genannt) ist das weltweit bedeutendste mineralische Flammschutzmittel. Es zeichnet sich besonders durch seine Umweltfreundlichkeit (halogenfrei) und Effizienz als Rauchgasunterdrückungsmittel aus.

Anwendung und Wirkungen im menschlichen Körper

Körperpflege und Sexualpraktik in Afrika

Aluminiumhydroxid schließt die Poren der Haut, daher enthalten 2/3 aller Deodorants Aluminiumverbindungen[2], aber auch Sonnencremes und Zahnpasten enthalten Aluminiumhydroxid. In Zahnpasten wird Aluminiumhydroxid als Polier- und Reinigungsmittel verwendet. Deodorants auf der Basis von Aluminiumchlorohydrat standen eine Zeit lang im Verdacht, Brustkrebs auszulösen.[3]. Dieser Verdacht wurde durch eine Arbeit aus dem Jahr 2008 ausgeräumt.[4] Außerdem dienen Aluminiumhydroxidsteinchen einer Sexualpraktik in Afrika. Durch Einführen in die Vagina wird die Vaginalschleimhaut ausgetrocknet, was den Lustgewinn des Mannes steigern soll („Trockener Sex“).

Medizinische Anwendungen

Bei Dialysepatienten

In der Medizin wird Aluminiumhydroxid bei Dialysepatienten als Phosphatbinder eingesetzt. Dabei zeigte sich bei längerem Einsatz eine zerebrale Toxizität (Demenz), ebenso eine Knochentoxizität, weshalb ein Einsatz von höchstens vier Wochen empfohlen wird. Auch als Adjuvans bei Toxoidimpfstoffen wird Aluminiumhydroxid zur Wirkungsverstärkung angewendet.

Neutralisierung der Magensäure bei Sodbrennen

Ebenso wird Aluminiumhydroxid für Antazida verwendet. Ein Antazidum (Mehrzahl: Antazida) ist ein Arzneimittel zur Neutralisierung der Magensäure. Beim Antazidum handelt sich um eine schwache Base oder das Salz einer schwachen Säure, so dass dessen Wirkmechanismus unter anderem durch die Pufferung der Magensäure zu erklären ist. Anwendungsgebiet für Antazida ist die symptomatische Behandlung von Erkrankungen, bei denen die Magensäure gebunden werden soll. Dazu gehören Sodbrennen, saures Aufstoßen und säurebedingte Magenschmerzen. Meistens werden Antazida jedoch als rezeptfreie Selbstmedikation gegen Refluxösophagitis (Speiseröhrenentzündung) eingesetzt.

Wirkungsverstärker in Impfstoffen

Aluminiumhydroxid wird im Jahr 2012 noch als Wirkungsverstärker [5] bei inaktivierten Impfstoffen (also solchen, die keine vermehrungsfähigen Erreger enthalten) verwendet. Es soll in der verwendeten Dosierung ungiftig sein (Zweifel daran siehe [2]) und verursacht nur einen lokalen Gewebsreiz. Dadurch bleibt der Impfstoff länger im Gewebe und es werden mehr weiße Blutkörperchen stärker und länger "angelockt". Damit hat sich Aluminiumhydroxid als Verstärker so bewährt, dass eine sogenannte Grundimmunisierung (das sind 3 Dosen desselben inaktivierten Impfstoffes innerhalb eines Jahres) einen jahrelangen (z.B. gegen FSME 3-5 Jahre) bis jahrzehntelangen (z.B. gegen Hepatitis A) Schutz gewährt. Ohne dieses "Adjuvans" (Hilfsstoff) müssten zum Erreichen eines länger anhaltenden Impfschutzes mehr Stiche "ertragen" werden. Und man ist natürlich bemüht, die für einen Impfschutz notwendige Zahl von Einzelimpfungen so niedrig wie möglich zu halten. Es ist klar, dass die für eine Impfung verwendete, relativ geringe Menge des abgetöteten Erregers das Immunsystem nicht ähnlich stark stimulieren kann, wie eine Infektion mit dem sich vermehrenden Erreger. Wenn also aus Sicherheitsgründen nur mit abgetöteten Erregern oder mit Teilen dieser Erreger geimpft werden kann, muss eine solche "inaktivierte Impfung" mehrmals wiederholt werden, bis genug Abwehrstoffe für einen sicheren Schutz gebildet sind. Hierbei hilft das Aluminiumhydroxid die Zahl der für den Schutz notwendigen Einzelimpfungen zu verringern. Als neueres Adjuvans (Wirkungsverstärker) wird z.B. Squalen verwendet, eine ölige Substanz, die dem natürlichen Vitamin E nachgebildet ist.

Weblinks

Commons: Aluminiumhydroxid – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 1,6 1,7 1,8 1,9 Eintrag zu Aluminiumhydroxid in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA (JavaScript erforderlich)
  2. 2,0 2,1 Film Die Akte Aluminium von Bert Ehgartner, Koproduktion von Langbein & Partner, ORF, SRF, ZDF, ARTE, 2012
  3. P. D. Darbre: Aluminium, antiperspirants and breast cancer. J. Inorg. Biochem. (2005) 99(9): S. 1912-1919 PMID 16045991
  4. Namer M, Luporsi E, Gligorov J, Lokiec F, Spielmann M.: The use of deodorants/antiperspirants does not constitute a risk factor for breast cancer. Centre Antoine-Lacassagne, Nice, France. (2008); PMID 18829420.
  5. Impflexikon auf http://www.gesunde-kinder.at | Inhalte von Impfstoffen: Aluminiumhydroxid

Literatur

  • Martin Okrusch, Siegfried Matthes: Mineralogie. 7. Auflage. Springer Verlag, Berlin 2005, ISBN 3-540-23812-3.

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