Anakinra


Anakinra

Anakinra

Strukturformel
Vorhandene Strukturdaten: PDB 1ilr, 1ilt, 1ira, 1irp, 2irt
Eigenschaften des menschlichen Proteins
Masse/Länge Primärstruktur 153 aa; 17,26 kDa
Isoformen 4
Bezeichner
Gen-Name IL1RN
Externe IDs OMIM: 147679 UniProtP18510 CAS-Nummer: 143090-92-0
Arzneistoffangaben
ATC-Code L04AC03[1]
DrugBank DB00026
Wirkstoffklasse Immunsuppressiva, Interleukin-Inhibitoren[1]
Verschreibungspflicht Ja
Vorkommen
Homologie-Familie IL-1 family
Übergeordnetes Taxon Euteleostomi

Anakinra (Handelsname Kineret®; Inhaber der Zulassung Swedish Orphan Biovitrum AB (Sobi) ist ein gentechnisch hergestellter humaner Interleukin-1-Rezeptorantagonist, der in Kombination mit Methotrexat zur Behandlung der Rheumatoiden Arthritis (RA) bei erwachsenen Patienten zugelassen ist, die nur unzureichend auf eine Monotherapie mit Methotrexat ansprechen. Interleukin-1 ist ein entzündungsfördernder Botenstoff, der bei Patienten mit rheumatoider Arthritis vermehrt vorkommt.[1][2]

Pharmakologische Eigenschaften

Wirkungsmechanismus (Pharmakodynamik)

Pharmakologisch wirkt Anakinra durch kompetitive Bindung an den Interleukin-1 Typ I Rezeptor (IL1RI), wodurch es die biologische Aktivität von IL-1 alpha und IL-1 beta hemmt. Interleukin-1 (IL-1) ist ein zentrales proinflammatorisches Zytokin, das als Mediator vieler zellulärer Antworten dient, einschließlich solcher, die bei Synovitis wesentlich sind. IL-1 findet sich im Plasma und der Synovialflüssigkeit von Patienten mit rheumatoider Arthritis. Eine Korrelation zwischen der IL-1 Konzentration im Plasma und der Aktivität der Erkrankung wurde berichtet. Anakinra hemmt in vitro die von IL-1 hervorgerufenen Reaktionen, einschließlich der Induktion von Stickstoffmonoxid und der Produktion von Prostaglandin E2 und/oder von Kollagenase durch Synovialzellen, Fibroblasten und Chondrozyten.[1]

Klinische Angaben

Anwendungsgebiete (Indikationen)

Anakinra ist zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis bei erwachsenen Patienten in Kombination mit Methotrexat zugelassen, wenn das Ansprechen auf die Monotherapie mit Methotrexat nur unzureichend ist.[1] Erste Studien haben ergeben, dass Anakinra auch in der Behandlung sowohl des Morbus Still des Jugendlichen (Systemic onset juvenile idiopathic arthritis, SoJIA) als auch des Erwachsenen (Adult onset Still´s Disease, AoSD) positive Wirkungen zeigt.[3][4] Auch bei anderen Erkrankungen (s.u.) konnten positive Effekte nachgewiesen werden.

Wirksamkeit

Anakinra mindert die Aktivität von Interleukin-1α (IL-1α) und Interleukin 1β (IL-1β), indem es deren Bindung an den Interleukin-1 Typ I Rezeptor hemmt. Interleukin-1 ist an Entzündungsprozessen beteiligt, die bei rheumatoider Arthritis eine Rolle spielen. In der Kombination mit Methotrexat konnte eine statistisch signifikante Verbesserung der Krankheitssymptome um 20 % (ACR-20-Ansprechen) bei 38 Prozent der Patienten im Vergleich zu 22 Prozent unter Methotrexat-Monotherapie nachgewiesen werden.[1][5]

Bei Patienten mit aktiver rheumatoider Arthritis erreichte eine Begleittherapie mit Anakinra nach Monotherapie mit Methotrexat, Leflunomid oder Cyclosporin-A signifikante Ansprechraten. 73 Prozent erreichten eine Verbesserung um 20 Prozent (ACR20), 41 Prozent erreichten eine Verbesserung um 50 Prozent (ACR50), 23 Prozent erreichten eine Verbesserung um 70 Prozent (ACR70). 14 Prozent der Patienten erreichten eine Remission (DAS28 < 1,6).[6]

Art und Dauer der Anwendung

Anakinra wird in einer Dosierung von 100 mg täglich subkutan injiziert. Dabei sollte die Dosis jeden Tag ungefähr zur gleichen Zeit gegeben werden.[1]

Anwendung während Schwangerschaft und Stillzeit

Anakinra wurde nicht bei Schwangeren untersucht. Die Anwendung von Anakinra während der Schwangerschaft und bei Frauen im gebärfähigen Alter, die nicht verhüten, wird nicht empfohlen. Es ist nicht bekannt, ob Anakinra/Metabolite von Anakinra in die Muttermilch übertreten. Ein Risiko für das Neugeborene/Kind kann nicht ausgeschlossen werden. Das Stillen soll während der Behandlung mit Anakinra unterbrochen werden.[1]

Unerwünschte Wirkungen (Nebenwirkungen)

Sehr häufige Nebenwirkungen (mindestens 1 Anwender von 10) von Anakinra sind Reaktionen an der Einstichstelle. Diese sind in der Regel leicht bis mäßig und klingen in den meisten Fällen nach ca. 14-28 Tagen ab.[7] Weitere sehr häufige Nebenwirkungen sind Kopfschmerzen. Häufige Nebenwirkungen (≥1/100 bis < 1/10) sind Neutropenie und schwerwiegende Infektionen. Gelegentliche Nebenwirkungen (≥1/1.000 bis < 1/100) sind allergische Reaktionen.[1] Die Häufigkeit schwerer Nebenwirkungen und Infektionen bei Behandlung mit Anakinra war in Studien vergleichbar mit der Häufigkeit in der Placebogruppe.[8]

Sonstige Informationen

Chemische und pharmazeutische Informationen

Anakinra ist der Internationale Freiname für den N2–L–Methionyl–26–177–Interleukin–1–Rezeptorantagonisten. Anakinra ist eine auf die Aminosäuren 26–177 verkürzte und endständig L–methionylierte Isoform des humanen Interleukin–1–Rezeptorantagonisten und besitzt eine Sequenzlänge von 153 Aminosäuren, die Summenformel ist C759H1186N208O232S10 und die molare Masse beträgt 17,26 kDa.[9]

Produktion

Anakinra wird gentechnisch mit Hilfe des Mikroorganismus Escherichia coli hergestellt; es wurde 1989 von Synergen patentiert.[9]

Weitere Erkrankungen, die mit einer IL-1-Blockade behandelt werden können

Der Einsatz von Anakinra in den hier genannten Indikationen geht über die in Deutschland zugelassene Indikation hinaus.[4]

  • Erkrankungen von Knochen, Gelenken und Muskeln

Ankylosierende Spondylitis, erosive Osteoarthritis der Hand, chronisch rezidivierende multifokale Osteomyelitis (CRMO, Knochenrheuma), traumatische Knieverletzungen

  • Erbliche systemische autoinflammatorische Erkrankungen

Familiäres Mittelmeerfieber (FMF), Cryopyrin-assoziiertes periodisches Syndrom (CAPS), TNF-Rezeptor-assoziiertes periodisches Syndrom (TRAPS), Hyper-IgD-Syndrom (HIDS), pyogene Arthritis, Pyoderma gangrenosum und Akne (PAPA-) Syndrom, Defizienz des IL-1-Rezeptorantagonisten (DIRA)

  • Systemische inflammatorische Erkrankungen

Schnitzler-Syndrom, Morbus Behçet, Synovitis, Akne, Pustolosis, Hyperostosis (SAPHO-) Syndrom, Makrophagen-Aktivierungssyndrom (MAS), Peridodisches Fieber, aphtöse Stomatitis, Pharyngitis und Adenitis (PFAPA)

  • Allgemeine entzündliche Erkrankungen

Gicht, Calciumpyrophosphatdihydrat (CPPD)-Kristallarthropathie (Chondrokalzinose), Diabetes-Typ-2, Hidradenitis suppurativa, pustulöse Psoriasis, neutrophile Dermatosen, systolische Herzinsuffizienz, trockene Augen (Sicca-Syndrom, Keratoconjunctivitis sicca)

Literatur

  • Ernst Mutschler et al.: Mutschler - Arzneimittelwirkungen Lehrbuch der Pharmakologie und Toxikologie. 10. Auflage. Wissenschaftl. Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2012, ISBN 978-3-8047-2898-1, S. 248 f.
  • Singh JA, Christensen R, Wells GA, et al.: Biologics for rheumatoid arthritis: an overview of Cochrane reviews. In: Cochrane Database Syst Rev. Nr. 4, 2009, S. CD007848, doi:10.1002/14651858.CD007848.pub2, PMID 19821440 (cochranejournalclub.com [PDF]).
  • Cohen SB, et al.: A multicentre, double blind, randomised, placebo controlled trial of anakinra (Kineret®), a recombinant interleukin 1 receptor antagonist, in patients with rheumatoid arthritis treated with background Methotrexate. In: Ann Rheum Dis. 63. Jahrgang, Nr. 9, 2004, S. 1062–1068, doi:10.1136/ard.2003.016014 (bmj.com).
  • Bresnihan B and Cobby M, Clinical and radiological effects of Anakinra in patients with rheumatoid arthritis. Rheumatology 2003 May;42(Suppl 2):ii22–ii28.
  • Karanikolas G, et al. Adjunctive anakinra in patients with active rheumatoid arthritis despite methotrexate, or leflunomide, or cyclosporin-A monotherapy: a 48-week, comparative, prospective study. Rheumatology. 2008 Sep;47(9):1384-1388.
  • Konttinen L, et al. Effectiveness of anakinra in rheumatic disease in patients naive to biological drugs or previously on TNF blocking drugs: an observational study. Clin Rheumatol. 2006 Nov;25(6):882-884.
  • Schiff MH, et al. The Safety of anakinra in high-risk patients with active rheumatoid arthritis: six-month observations of patients with comorbid conditions. Arthritis Rheum 2004 Jun; 50(6):1752-1760.
  • Singh JA, et al. Adverse effects of biologics: a network meta-analysis and Cochrane overview (Review). Cochrane Database Syst Rev. 2011 Feb 16;(2):CD008794.

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 1,6 1,7 1,8 Zusammenfassung der Merkmale von Anakinra (auf Deutsch), Europäische Arzneimittelagentur (EMA)
  2. Europäischer öffentlicher Beurteilungsbericht (EPAR) (auf Englisch) Europäische Arzneimittelagentur (EMA)
  3. Nordström D et al.: Beneficial Effect of Interleukin 1 Inhibition with Anakinra in Adult-onset Still's Disease. An Open, Randomized, Multicenter Study, J Rheumatol. 2012 Aug 1
  4. 4,0 4,1 Dinarello C et al.: Treating inflammation by blocking interleukin-1 in a broad spectrum of diseases, Nature Reviews Drug Discovery 11, 633-652 (August 2012) | doi:10.1038/nrd3800
  5. Cohen SB et al.: A multicentre, double blind, randomised, placebo controlled trial of anakinra (Kineret®), a recombinant interleukin 1 receptor antagonist, in patients with rheumatoid arthritis treated with background Methotrexate. In: Ann Rheum Dis. 63:1062-1068. doi:10.1136/ard.2003.016014
  6. Karanikolas G, Charalambopoulos D, Vaiopoulos G, et al. Adjunctive anakinra in patients with active rheumatoid arthritis despite methotrexate, or leflunomide, or cyclosporin-A monotherapy: a 48-week, comparative, prospective study. In: Rheumatology. 2008 Sep;47(9):1384-1388.
  7. Kaiser C, Knight A, Nordström D, Pettersson T, Fransson J, Florin-Robertsson E, Pilström B. Injection-site reactions upon Kineret (anakinra) administration: experiences and explanations. In: Rheumatol Int. 2012 Feb;32(2):295-9.
  8. Schiff MH, DiVittorio G, Tesser J, et al. The Safety of Anakinra in High-Risk Patients With Active Rheumatoid Arthritis In: Arthritis Rheum. 2004 Jun; 50(6):1752-1760
  9. 9,0 9,1 Thieme Chemistry (Hrsg.): RÖMPP Online - Version 3.4. Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart 2009.

Weblinks

  • COPE: IL1Ra C O P E (Cytokines & Cells Online Pathfinder Encyclopedia)

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