Rückkehr der See-Elefanten: von wenigen zu Tausenden
Bio-News vom 27.09.2024
Eine neue internationale Studie hat die genetischen Auswirkungen der Jagd auf die Nördlichen See-Elefanten nachgewiesen. Die Studie zeigt, dass diese Robbenart nur knapp dem Aussterben durch die Jagd entgangen ist, was nachhaltige genetische Auswirkungen auf die heutige Population hat. 15 deutsche, britische und US-amerikanische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von sieben Universitäten und vier Forschungseinrichtungen arbeiteten für diese Studie unter der Leitung der Universität Bielefeld zusammen.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts standen die Nördlichen See-Elefanten kurz davor, durch die Jagd ausgerottet zu werden. „Genetische Analysen deuten darauf hin, dass die Population zu dieser Zeit wahrscheinlich auf weniger als 25 Tiere reduziert war“, erklärt Professor Dr. Joseph Hoffman, Hauptautor der Studie und Leiter der Arbeitsgruppe Evolutionäre Populationsgenetik an der Universität Bielefeld. Ein solch drastischer Rückgang der Population kann die genetische Vielfalt einer Art auslöschen, was das Risiko der Inzucht erhöht und ihr Überleben bedroht. Die Population der Nördlichen See-Elefanten hat sich inzwischen wieder auf etwa 225.000 Individuen erholt. Die in der Zeitschrift „Nature Ecology and Evolution“ veröffentlichte Studie untersucht, wie sich das Beinahe-Aussterben auf die genetische Vielfalt und die Gesundheit der Art auswirkte.
Publikation:
Hoffman, J.I., Vendrami, D.L.J., Hench, K. et al.
Genomic and fitness consequences of a near-extinction event in the northern elephant seal
Nat Ecol Evol (2024)
DOI: 10.1038/s41559-024-02533-2
Anpassungsfähigkeit in Gefahr
Für ihre Analysen kombinierten die Forschende genetische Daten, Gesundheitsdaten, Modellierungen der Populationsgrößen und genetische Simulationen. Ihre Ergebnisse deuten darauf hin, dass der starke Rückgang der Population zum Verlust vieler nützlicher und schädlicher Gene aus dem Genpool des Nördlichen See-Elefanten geführt hat. Dieses Muster wurde bei den eng verwandten Südlichen See-Elefanten nicht beobachtet, die keinen so drastischen Rückgang durchmachten.
„Die stark reduzierte genetische Vielfalt, einschließlich des Verlusts nützlicher Genkopien, könnte die Fähigkeit der Nördlichen See-Elefanten beeinträchtigen, mit künftigen Umweltveränderungen zurechtzukommen – einschließlich derjenigen, die durch den anthropogenen Klimawandel, den Wandel des Lebensraums der Art oder sogar durch natürliche Bedrohungen wie Krankheitsausbrüche verursacht werden“, warnt der Erstautor der Studie, Professor Dr. Kanchon K. Dasmahapatra von der University of York, Großbritannien.
Überraschende Ergebnisse zur Inzucht
Alle Individuen einer Art tragen einige schädliche Mutationen in sich, auch wenn ihre Auswirkungen in der Regel verborgen bleiben. Bei Inzuchttieren kann es jedoch zu Gesundheitsproblemen kommen, wenn diese Mutationen sichtbar werden. „Wir untersuchten mehrere wichtige Gesundheitsmerkmale dieser Robben, darunter Körpergewicht, Speckdicke und Krankheitsanfälligkeit. Zu unserer Überraschung fanden wir keine Anzeichen für Gesundheitsprobleme, die auf Inzucht zurückzuführen sind“, sagt Joseph Hoffman. „Wir vermuten, dass der starke Rückgang der Population viele schädliche Mutationen beseitigt haben könnte.“
Bedeutung für Artenschutz
„Unsere Studie zeigt, wie die einzigartige Populationsgeschichte einer Art ihre genetische Vielfalt prägt“, sagt Dasmahapatra. Die Ergebnisse bieten wichtige Erkenntnisse für den Artenschutz und das Management von Ökosystemen. Hoffman ergänzt: „Unsere Forschung unterstreicht, wie wichtig es ist, die Geschichte einer Spezies zu verstehen, wenn man Artenschutzstrategien plant. Jede Art reagiert anders auf Bedrohungen, so dass individuelle Ansätze unerlässlich sind.“
Zusammenarbeit
Für die Studie kooperierten Wissenschaftler*innen der Universitäten Bielefeld, Düsseldorf, Cambridge (Großbritannien), California Santa Cruz und Davis (USA), Hampton (USA) und York (Großbritannien) sowie des Zentrums für Biotechnologie der Universität Bielefeld, des British Antarctic Survey (Großbritannien), des Northwest Fisheries Science Centre (Seattle, USA) und des Alan Turing Institute (Großbritannien).
Diese Newsmeldung wurde mit Material der Universität Bielefeld via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.