Bacillus subtilis
- Bakterien
- Bacteria
- Modellorganismus
- Bakterium mit sequenziertem Genom
Bacillus subtilis | ||||||||||||
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Bacillus subtilis | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Bacillus subtilis | ||||||||||||
(Ehrenberg 1835) Cohn 1872 |
Bacillus subtilis (lat. bacillum/bacillus, Stäbchen; subtilis, schlicht) oder Heubazillus ist ein weit verbreitetes grampositives, stäbchenförmiges, begeißeltes Bakterium. Wie alle Bakterien der Gattung Bacillus ist B. subtilis ein aerob wachsender Endosporenbildner.
Taxonomie
Taxonomisch zählt man B. subtilis zu den Eubakterien (Bacteria), genauer zu den Gram-positiven (Firmicutes). Dort wird er der Klasse der Bazillen und Clostridien zugeordnet (niedriger GC-Gehalt). Dieser Klasse ist die Bazillus-Staphylokokken-Gruppe untergeordnet, welche unter anderem die Familie Bacillaceae mit der Gattung Bacillus (etwa 150 Arten) einschließt (Claus & Berkeley, 1986). Die phylogenetische Nähe zu Pathogenen wie Staphylokokken, Listerien, Mykobakterien und Mykoplasmen macht B. subtilis für die molekularbiologische und -medizinische Forschung besonders interessant.
Historisches
B. subtilis wurde im Jahre 1835 durch Christian Gottfried Ehrenberg als Vibrio subtilis (Gekrümmtes Stäbchen) beschrieben. 1872 wurde es durch Ferdinand Julius Cohn in Bacillus subtilis (Stäbchen) umbenannt und von Fischer 1895 einer gleichnamigen Gattung zugeordnet.
Morphologie
Das stäbchenförmige B. subtilis weist üblicherweise eine Größe von ca. 2 bis 3 µm auf, die Dicke liegt bei ca. 0,6 µm. Die Zellen sind peritrich also mehrfach und über die ganze Zelle verteilt begeißelt und können sich dadurch schnell fortbewegen. Das Bakterium wird von einer grampositiven Zellwand umgeben, die einem Zellinnendruck von 20 Atmosphären standhält.
Lebensweise und Physiologie
B. subtilis ist ubiquitär verbreitet und kann aus Boden (insbesondere Komposterde), Wasser und Luft isoliert werden. Sein natürlicher Standort sind aber die oberen Schichten des Bodens. Dort ist es aufgrund häufig wechselnder Umgebungsbedingungen fast ständig Stress- und Hungersituationen ausgesetzt, denen es sich entsprechend anpassen muss.
Den Namen Heubazillus trägt es, da es sich leicht in einem so genannten Heuaufguss anreichern lässt. Die Generationszeit beträgt bei optimalem Nährstoffangebot, optimaler Sauerstoffversorgung und einer optimalen Wachstumstemperatur von 40 °C ca. 26 Minuten.
B. subtilis ernährt sich chemoorganoheterotroph, d. h. er nutzt von anderen Lebewesen erzeugte Nährstoffe um Energie und körpereigene Substanz zu generieren. B. subtilis besiedelt sowohl die Rhizosphäre als auch die oberen Schichten des Bodens. Dort hat er als typisches Fäulnisbakterium Anteil an der Rückführung organischer Stoffe in die Nahrungskreisläufe. Er besitzt ein großes Arsenal an Glukan- (polymer verkettete Zucker) und Protein-abbauenden Enzymen, die bei Bedarf aus der Zelle exportiert werden.
Als Kohlenstoff- und Energiequelle wird bevorzugt Traubenzucker (Glukose) genutzt. Bei ausreichender Konzentration verhindert Glukose die Aktivierung von Genen, deren Produkte andere Kohlenstoffquellen in den Stoffwechsel einschleusen. Bei Glukoseabwesenheit können auch andere Zucker oder kohlenstoffhaltige Substrate genutzt werden.(Katabolitrepression)
Zur Energiegewinnung dient Sauerstoff als bevorzugter terminaler Elektronenakzeptor (Zellatmung). Auch hier wird die Nutzung alternativ in Frage kommender Substrate bei Sauerstoffzutritt unterdrückt. Unter anaeroben Bedingungen können die Zellen bei Glukose- und Nitrat-Anwesenheit noch genug Energie für langsames Wachstum erzeugen. Sind keine als Elektronenakzeptor nutzbaren Substrate verfügbar, dann ist B. subtilis in der Lage, auch ausschließlich durch Gärungsstoffwechsel bei Erzeugung von Milchsäure, Ethanol, Acetoin und 2,3-Butandiol zu überleben.
Widrigen Umweltbedingungen versucht sich B.subtilis durch aktive Fortbewegung mit Hilfe seiner Geißel zu entziehen. Ferner kann sich B.subtilis über die sogenannte generelle Stressantwort als vegetativ aktive Zelle mit Schwankungen von Umweltfaktoren auseinandersetzen. In letzter Konsequenz kann B.subtilis durch ein atypisches Zellteilungsprogramm Sporen bilden, die lange Perioden – allerdings unter Aufgabe der ökologischen Nische und Ausscheiden aus evolutionären Prozessen – überdauern. Im Lichtmikroskop sind Sporen bzw. Vorsporen in sporulierenden Zellen auch ohne Färbung als stark lichtbrechende, ovale Strukturen zu erkennen.
Eine weitere Eigenschaft ist die Ausbildung der Kompetenz. Kompetenz bei Bakterien heißt die Fähigkeit, extrazelluläre (Fremd)DNA aufzunehmen und diese zwecks Erweiterung des eigenen Genoms zu integrieren oder sie zur Ernährung zu nutzen.
Bedeutung für den Menschen
Noch heute wird B. subtilis in der Humanmedizin angewandt. In der Roten Liste der in Deutschland verfügbaren Fertigarzneimittel von 1997 (Rote Liste, 1997) stößt man beispielsweise auf die Präparate Utilin, Utilin N und Bactisubtil, die Zellen oder Sporen von B. subtilis als Lyophilisate (gefriergetrocknete Suspensionen) oder Suspensionen enthalten und zur Behandlung von chronischen Dermatosen bzw. von Durchfall, Gärungs- und Fäulnisdyspepsien, Enteritis, Enterocolitis oder von intestinalen Störungen chemo- oder strahlentherapierter Krebspatienten angewendet werden.
Aufgrund der hohen Hitzeresistenz der B. subtilis-Sporen werden diese auch als Indikator bei entsprechenden Sterilisationsprozessen in Pharmazie, Medizin und Lebensmittelindustrie eingesetzt.
In der Landwirtschaft wird der B.-subtilis-Stamm QST 713 auch als „Serenade“ vermarktet und dient als biologisches Fungizid für Samen von beispielsweise Baumwolle, Gemüse, Erdnüssen und Sojabohnen. B. subtilis besiedelt während der Keimung das Wurzelsystem und beugt durch Konkurrenz Verpilzungen vor. Des Weiteren produzieren die Bakterien flüchtige organische Verbindungen (VOC), welche fungizid wirken. Besonders unter Glucoseanwesenheit ist die Produktion der fungiziden VOC sehr hoch.
Aufgrund seiner Fähigkeit zur Sekretion extrazellulärer Enzyme wird B. subtilis insbesondere für die Herstellung von Waschmittelenzymen (z. B. Subtilisin), aber außerdem auch für die Synthese von Riboflavin (Vitamin B2) und des Antibiotikums Bacitracin in der biotechnologischen Industrie genutzt.
In Japan wird die Subspecies Bacillus subtilis natto zur Bereitung der gleichnamigen Spezialität Nattō verwendet.
B. subtilis kann unter seltenen Umständen auch pathogen wirken, z.B. kann es bei Augenverletzungen und Eindringen des Bakteriums zur Blindheit kommen (Panophthalmie)[1].
Genetik
B. subtilis gilt als das bestuntersuchte grampositive Bakterium. Mehrere Gründe sind hierfür verantwortlich:
- Die Entdeckung der Kompetenz durch John Spizizen im Jahr 1961 erlaubte die Entwicklung von Verfahren zur Kartierung von Genen über Transformation, sodass vor Beginn des Sequenzierungsprojektes schon Genkarten vorhanden waren.
- Wegen seiner Fähigkeit, Sporen zu bilden, wird B. subtilis als Modellsystem für einfache Zelldifferenzierung untersucht: Während der Sporulation muss die Regulation der Genexpression räumlich (in Vorspore und Mutterzelle) und zeitlich (es dauert etwa 8 Stunden, bis aus einer vegetativen Zelle eine Spore entsteht) koordiniert werden.
- B. subtilis kann im Gegensatz zu anderen Bacillaceae (z. B. B. anthracis oder B. cereus) sehr selten pathogen wirken – eine ideale Voraussetzung für Laborarbeiten.
- B. subtilis ist von industrieller Bedeutung.
In den Jahren 1990 bis 1997 wurde sein Genom erforscht und komplett durchsequenziert, wobei sich die Sequenzierungsstrategie an bereits vorhandenen Genkarten orientierte. Der zirkuläre DNA-Doppelstrang umfasst 4.214.810 Basenpaare; der GC-Gehalt liegt bei 43,52 %. Von der Gesamtsequenz haben 86,87 % der Nukleotide codierende Funktion, die restlichen Nukleotide befinden sich in z. T. regulatorisch bedeutsamen Regionen zwischen den Genen. Im Durchschnitt misst ein Gen 893,41 Nukleotide, das längste ist 14.793 und das kürzeste vorausgesagte 63 Nukleotide lang.
Einzelnachweise
- ↑ Werner Köhler (Hrsg.) Medizinische Mikrobiologie, 8. Aufl., München / Jena 2001 ISBN 978-3-437-41640-8