Direktsaat


Direktsaat bei Zuckerrüben
Zur Direktsaat geeignete Universalsämaschine mit Scheibenscharen

Unter Direktsaat versteht man eine Ackerbaumethode ohne Bodenbearbeitung vor der Saat, die bereits auf mehr als 100 Millionen Hektar weltweit eingesetzt wird.[1][2] Die Saat erfolgt ohne Bodenbearbeitung direkt nach erfolgter Ernte bzw. in das unbearbeitete Brachland. Die Rückstände des Pflanzenmateriales der Vorkultur verbleiben als Mulch auf dem Acker.[3] Spezielle Vorrichtungen an der Sämaschine wie Meißel-, Schneidscheiben- oder Kreuzschlitzschare öffnen lediglich schmale Schlitze in die Bodenoberfläche. Diese Schlitze werden nach Saatgutablage mit Boden abgedeckt. Der Boden erfährt nur in den eigentlichen Saatreihen einen mechanischen Eingriff, es erfolgt aber keine Bearbeitung der gesamten Ackerfläche unter anderem um das Auflaufen von Unkraut zu verhindern. Die Unkrautregulierung erfolgt hauptsächlich durch Fruchtfolgemaßnahmen, gezieltem Einsatz von Gründüngung und dem Einsatz von Herbiziden.

Von modifizierter Direktsaat spricht man dann, wenn im Zusammenhang mit der Direktsaat zusätzliche Arbeiten vorgenommen werden. Dies kann sowohl der Einsatz von Mulchgeräten, Scheibeneggen als auch der Anbau von Reihenfräsen vor dem Säschar sein. Ziele dieser pfluglosen Saatbettbereitung sind: störungsfreie Saat, gleichmäßigere Ablagetiefe und Bodenbedeckung des Saatgutes sowie schnellere Bodenerwärmung, mit gleichmäßigerem Feldaufgang speziell bei Mais- und Zuckerrübensaat.

Die genaue Abgrenzung der Saatverfahrenbegriffe Direktsaat und Mulchsaat ist umstritten und wird regional sehr unterschiedlich gehandhabt. Während einerseits vorgeschlagen wird den Umfang der Bodenbearbeitung beim Sävorgang als Begriffsabgrenzung zu benutzen (Direktsaat < 50 % Bodenbewegung – Mulchsaat > 50 % Bodenbewegung), wird andererseits in einigen Regionen des deutschsprachigen Raums selbst eine Saat ohne Bodenbearbeitung als Mulchsaat bezeichnet.

Verfahren

Wicken als Gründüngung. Durch die dichte Bodenbedeckung werden zugleich Unkräuter unterdrückt
abgestorbener Gelbsenfbestand als Grundlage für Mulch- oder Direktsaat von Zuckerrüben

Bei der Direktsaat wird auf jegliche Bodenbearbeitung verzichtet. Lediglich der Sävorgang selbst stellt einen Eingriff in den Boden dar. Ausgesät werden können im Direktsaatverfahren nicht nur Hauptfrüchte, sondern auch diverse Zwischenfrüchte, die positive Effekte auf die nachfolgende Hauptfrucht haben. Die Zwischenfrüchte bzw. die Reste der Hauptfrüchte nach der Ernte werden entweder chemisch oder mechanisch abgetötet bzw. sind durch Abfrieren im Winter (vgl. Gründüngung) zusammengebrochen, um die für dieses Verfahren typische Mulchschicht zu erhalten. Abhängig von der Kombination von Hauptfrucht und Zwischenfrucht kommt es in einigen Fällen sogar in Betracht, die Hauptfrucht direkt in die Zwischenfrucht hinein zu säen.

Kritik

Pro

Da bei der Direktsaat auf jede Form der Bodenbearbeitung verzichtet wird, sinken die Maschinenkosten und es kann teilweise auf sonst nötige Geräte wie Pflug, Grubber oder Eggen verzichtet werden. Ebenfalls bewirkt der Verzicht auf Bodenbearbeitung eine Verbesserung der Gefügestabilität und fördert besonders die Population epigäischer Regenwürmer. Charakteristisch für das Direktsaatsystem ist die Mulchschicht, die den Boden im günstigsten Fall das ganze Jahr bedeckt. Diese Mulchschicht bremst aufprallende Regentropfen und verringert so die Bodenerosion. Außerdem unterdrückt sie zusammen mit den Zwischenfrüchten das Wachstum von Ackerunkräutern. Durch die dauerhafte Bedeckung wird überdies der Wasserverlust durch Verdunstung gesenkt.

Weil nur die Hauptfrucht durch die Ernte abgetragen wird und die Ernterückstände und die Zwischenfrüchte auf dem Acker verbleiben, sammelt sich mit der Zeit eine große Menge an organischem Kohlenstoff in Form von Humus an, der die Bodenstabilität und -fruchtbarkeit positiv beeinflusst.

Kontra

Ein großer Nachteil der Direktsaat als Anbausystem ist, dass das System sich erst nach einer gewissen Zeit auszahlt. Der Anteil von organischem Kohlenstoff nimmt zum Beispiel kurz nach der Umstellung zunächst ab, um erst zu einem späteren Zeitpunkt wieder anzusteigen. Während dieser Zeit sinkt der Ertrag im Vergleich zu Feldern mit konventioneller Bodenbearbeitung deutlich. Ferner ist bei der Direktsaat eine hohe Anfälligkeit für Schädlingsbefall festzustellen. Vor allem Schnecken haben einen großen negativen Einfluss auf das Anbausystem und können den Landwirt zu einem kompletten Umbruch der Fläche zwingen, wodurch der bis dahin akkumulierte Kohlenstoff mineralisiert wird und dem System entweicht. Das Anbaumanagement verlangt vom Landwirt aufgrund des erhöhten Anteils von Zwischenfrüchten in der Fruchtfolge außerdem ein hohes Maß an fachlichem Wissen. Da die bewirtschafteten Flächen auch weiterhin zur Aussaat oder zum mechanischen Mulchen mit Maschinen befahren werden müssen, aber keine Bodenbearbeitung erfolgt, wird sich mit der Zeit eine erhöhte Bodenverdichtung einstellen. Da das Direktsaatsystem auf chemische Eingriffe angewiesen ist, lässt es sich nicht mit den Standards des ökologischen Landbaus in Einklang bringen.

Kontroverse

Es wird kontrovers diskutiert, wie sich die Direktsaat als Anbausystem auf die Umweltbelastung durch Herbizideinsatz auswirkt. Für eine höhere Belastung würde sprechen, dass durch die Abtötung der Zwischenfrüchte die Aufwandsmenge steigt. Ebenso entstehen durch die fehlende Bodenbearbeitung bevorzugte Fließwege, in denen Herbizide schneller ins Grundwasser gelangen können als bei konventioneller Bodenbearbeitung. Herbizide sind außerdem dazu in der Lage, den Mineralisationsprozess, der der entscheidende Vorteil des Systems ist, zu verlangsamen. Für eine geringere Umweltbelastung würde sprechen, dass durch die Mulchbedeckung ein geringerer Oberflächenabfluss stattfindet und so Herbizide in geringerer Menge ausgespült werden. Außerdem wird durch die große Vielzahl von Mikroporen eine größere Menge im Boden zurückgehalten. Auch das Klima beeinflusst den Grad der Umweltbelastung. So bewirkt ein hoher Anteil von Starkregen ein schnelles Lösen und Auswaschen der Herbizide. Ein leichter Regen vor einem Starkregenereignis löst die Herbizide erst, wodurch sie dann auf physikalischem Wege in den wesentlich stabileren Aggregaten gebunden werden können.

Besonderheit in den Tropen

Durch die Mulchbedeckung entsteht eine höhere Albedo, die die Bodentemperatur im Vergleich zur konventionellen Bodenbearbeitung um 8 – 16 °C senkt. So entsteht eine wesentlich bessere Feuchtekonservierung, die sich positiv auf die Erträge auswirkt. Sollte aber aus irgendeinem Grund die Mulchschicht dünner sein als sonst oder gar nicht mehr vorhanden sein, so steigt der Feuchtigkeitsverlust durch Verdunstung in heißem tropischem Klima stark an.

Weblinks

Commons: Direktsaat – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Rolf Derpsch Direktsaat Link Aktuelles
  2. Horst Eichhorn (Herausgeber): Landtechnik. 7. Auflage, Ulmer, Stuttgart 1999, ISBN 3-8001-1086-5, S. 311 o. 316
  3. Rolf Derpsch: Webseite Direktsaat, Nachhaltiger Ackerbau

Literatur

  • Baker C.J.,Saxton K.E.,Ritchie W.R. (2007): No-Till Seeding in Conservation Agrivulture
  • Beste, A.(2005): Landwirtschaftlicher Bodenschutz in der Praxis. Grundlagen, Analyse, Management. Erhaltung der Bodenfunktionen für Produktion, Gewässerschutz und Hochwasservermeidung.
  • BMVEL (2001): Standpunktpapier zur Definition „gute fachliche Praxis“ im Bundesbodenschutzgesetz.
  • Buchner, W. und Köller, K.,1990. Integrierte Bodenbearbeitung, Ulmer Stuttgart 126 S.
  • David R. Huggins,P. Reganold: Bodenschutz durch Verzicht auf Pflügen In: Spektrum der Wissenschaft, Mai 2009, Seite 78-85 ISSN 0170-2971
  • Derpsch, R., Friedrich, T., Kassam, A. und Li, H.W., 2010. Current status of adoption of no-till farming in the world and some of its main benefits. Int. J. Agric. & Biol. Eng. Vol. 3. Nº 1.
  • DLG, 1997. Direktsaat. Merkblatt 301 der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft, 16 S.
  • Duiker, S. and Myres, J.C., 2006. Steps towards a successful transition to no-till. College of Agricultural Science, Agricultural Research and Cooperative Extension, PennState University, 36 S.
  • Kahnt, G., 1976. Ackerbau ohne Pflug, Voraussetzungen, Verfahren und Grenzen der Direktsaat im Körnerfruchtbau. Ulmer, Stuttgart, 126 S.
  • Köller, K. und Linke, C., 2001. Erfolgreicher Ackerbau ohne Pflug. 2. Aufl. DLG-Verlag, Frankfurt a.M. 176 S.
  • Kreiye, H. (2001): Auswirkungen nichtwendender Bodenbearbeitung auf das Schadorganismenauftreten in einer Zuckerrüben-Weizen-Weizen-Fruchtfolge. Cuvillier Verlag, Göttingen
  • Landesanstalt für Pflanzenbau Forchheim , Hg.(2003): Pflanzenbauliche und wirtschaftliche Auswirkungen verschiedener Verfahren der Bodenbearbeitung. = Sonderheft 1, Forchheim.
  • Linke, C., 1998. Direktsaat – eine Bestandsaufnahme unter besonderer Berücksichtigung technischer, agronomischer und ökonomischer Aspekte. Dissertation, Universität Hohenheim, 482 pp
  • Lütke-Entrup/Schneider (2004): Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit landwirtschaftlicher Systeme der Bodennutzung durch Fruchtfolgegestaltung und konservierende Bodenbearbeitung/Direktsaat. In: Bodenschutz und landwirtschaftliche Bodennutzung – Umweltwirkungen am Beispiel der konservierenden Bodenbearbeitung.. Texte 35/04 Umweltbundesamt, Berlin.
  • Phillips, S. and Young, H. 1973. No-Tillage Farming. Reiman Associates, Milwaukee, Wisconsin. 224 p

Sturny W.G., Chervet A. Maurer-Troxler C., Ramseier L., Müller M., Schafflützel R., Richner W., Streit B., Weisskopf P. und Zihlmann U. 2007. Direktsaat und Pflug im Systemvergleich – eine Synthese, AGRARForschung (jetzt "Agrarforschung Schweiz") 14 (8): 350-357

  • R.E. Phillips und S.H. Phillips: No-tillage agriculture, principles and practices. New York 1984