El Niño


Anomalie der Meeresoberflächentemperatur (°C), beobachtet im Dezember 1997 während des letzten starken El Niños (Quelle: NCEP, NOAA)

El Niño (span. für „der Junge, das Kind“, hier konkret: „das Christuskind“, USA: El Niño – Southern Oscillation (dt.: El Niño – Südliche Oszillation) (ENSO)) nennt man das Auftreten ungewöhnlicher, nicht zyklischer, veränderter Strömungen im ozeanographisch-meteorologischen System des äquatorialen Pazifiks. Der Name ist vom Zeitpunkt des Auftretens abgeleitet, nämlich zur Weihnachtszeit. Er stammt von peruanischen Fischern, die den Effekt aufgrund der dadurch ausbleibenden Fischschwärme wirtschaftlich zu spüren bekommen.

Ablauf

Vor Indonesien liegt die Wassertemperatur im Pazifik in normalen Jahren um die Weihnachtszeit bei 28 °C, vor der Küste Perus normalerweise dagegen nur bei 24 °C. Durch die Passatwinde kommt es vor Peru zum Auftrieb von kühlem Wasser aus den Tiefen des Ozeans. Dieser Auftrieb ist Teil des Humboldtstroms vor der Küste Südamerikas. Bei einem El Niño schwächt sich der kalte Humboldtstrom ab und kommt zum Erliegen. Das Oberflächenwasser vor der Küste Perus erwärmt sich so sehr, dass die obere Wasserschicht nicht mehr mit dem kühlen und nährstoffreichen Tiefenwasser durchmischt wird. Deshalb kommt es zum Absterben des Planktons, welches zum Zusammenbruch ganzer Nahrungsketten führt.

Normalerweise strömt warmes Oberflächenwasser aus dem Pazifik vor Südamerika in Richtung Westen, nach Indonesien. Bei einem El Niño kehrt sich dieser Prozess durch eine Verschiebung der Windzonen um. Innerhalb von ca. drei Monaten strömt die Warmwasserschicht von Südostasien nach Südamerika. Dies geschieht durch die äquatorialen Kelvinwellen. Der Ostpazifik vor Südamerika erwärmt sich, während vor Australien und Indonesien die Wassertemperatur absinkt. Die Walkerzirkulation hat sich nun umgekehrt.

El Niño ist ein natürliches Klimaphänomen; in den letzten Jahren stoppt die warme Meeresschicht weiter vor der Küste. Ob dies im Zusammenhang mit dem anthropogenen Treibhauseffekt oder mit längerfristigen natürlichen Schwankungen des Pazifiks steht, der derzeit von einer warmen in eine kalte Phase umschwenkt, ist bisher nicht geklärt.

Fernwirkungen

Auswirkungen von El Niño – Dezember 2002, Ocean Beach, San Diego

Auf drei Vierteln der Erde werden die Wettermuster beeinflusst. Auf den Galápagos-Inseln und an der südamerikanischen Küste kommt es zu starken Regenfällen. Diese führen zu Überschwemmungen entlang der westlichen Küste Südamerikas. Selbst an der nordamerikanischen Westküste kommt es zu Überschwemmungen.

Der Regenwald im Amazonasgebiet leidet dagegen unter Trockenheit. Vor Mexiko können gewaltige Wirbelstürme entstehen, die enorme Schäden anrichten. In Südostasien und Australien kommt es durch den fehlenden Regen zu Buschfeuern und riesigen Waldbränden. Während es in Ostafrika in Ländern wie Kenia und Tansania mehr Regen gibt, ist es in Sambia, Simbabwe, Mosambik und Botswana (Südafrika) deutlich trockener.

Es kommt zu einem Massensterben von Fischen, Seevögeln und Korallen. Durch die Erwärmung des Meereswassers kommt es zum Absterben des Planktons vor der peruanischen Küste. Hier gibt es in normalen Jahren bis zu zehnmal so viel Fisch wie an anderen Küsten. Bei El Niño finden die Fische nichts mehr zu fressen und wandern ab. Die Robbenkolonien finden keine Nahrung mehr und viele Tiere verhungern. Der wirtschaftliche Schaden für die Menschen ist kaum zu beziffern.

Durch die hohen Temperaturen tritt auch in den Gebieten die Korallenbleiche in den Riffen auf, die bisher davon verschont blieben.

Europa bleibt bis auf wenige Ausnahmen, wie etwa dem in Europa ungewöhnlich kalten Winter 1941/1942, von den Fernwirkungen El Niños verschont. Allerdings wurde eine Auswirkung auf den kalten und schneereichen Winter 2010/2011 in Europa und Nordamerika diskutiert. [1]

Geschichte

Bedingungen für das Auftreten von El Niño stellten sich innerhalb der letzten 300 Jahre in Zeitabschnitten von zwei bis sieben (oder acht) Jahren ein. Jedoch sind die meisten Niños eher schwach ausgeprägt. Es gibt Hinweise auf sehr starke El-Niño-Ereignisse zu Beginn des Holozäns vor etwa 10.000 Jahren.

Größere El-Niño-Ereignisse wurden für die Jahre 1790-1793, 1828, 1876-1878, 1891, 1925/1926, 1972/1973 und 1982/1983 notiert. In der jüngsten Vergangenheit kam es in den Jahren 1983/1984 und 1997/1998 zu größeren Ereignissen. Generell lässt sich aufgrund der derzeit warmen PDO-Phase eine Verschiebung hin zu einem generell positiveren Zustand der ENSO (El Niño-Southern Oscillation) erkennen.

Frühzeit der Beobachtung

El Niño beeinträchtigte die vorkolumbianischen Inka und mag sogar zum Untergang der Moche und anderer kolumbianischer und peruanischer Kulturen beigetragen haben. Die erste echte Aufzeichnung stammt aus dem Jahr 1726. Eine weitere frühe Aufzeichnung erwähnt sogar den Ausdruck El Niño in Bezug auf Klimaereignisse im Jahr 1892. Sie stammt von Captain Camilo Carrillo aus seinem Bericht auf dem Kongress der geographischen Gesellschaft in Lima, in dem er sagte, dass peruanische Seeleute diese warme nördliche Strömung El Niño nannten, da sie in der Zeit um Weihnachten auftrete.

Das Phänomen war von langfristigem Interesse, da es sich auf die Guanoindustrie auswirkte und auch auf andere Industriezweige, die biologische Produkte des Meeres nutzten.

Charles Todd beobachtete im Jahr 1893, dass Trockenzeiten in Indien und Australien zeitgleich mit dem Phänomen eintraten. Dasselbe hielt auch Norman Lockyer im Jahr 1904 fest. Eine Verbindung mit Überflutungen wurde 1895 von Pezet und Eguiguren ins Feld geführt. 1924 prägte Gilbert Walker (Namensgeber für die Walkerzirkulation) den Begriff Südliche Oszillation.

Generell wird zurückgewiesen, dass das Phänomen Auswirkungen bis nach Europa hat. Jedoch gibt es Jahre, in denen das Klima Europas mit einem ENSO-Ereignis zu korrelieren scheint. Eine neuere Studie will ermittelt haben, dass ein starker El Niño zwischen 1789 und 1793 zu Einbrüchen bei der Ernte in Europa geführt haben könnte, was dazu beitrug, dass die Französische Revolution zustande kam. Andere Studien sehen eine Beziehung zwischen dem besonders harten Winter 1941/42 beim deutschen Russlandfeldzug und El Niño. Hierbei sind möglicherweise eher langskalige Zyklen wie die PDO zu berücksichtigen, als El Niño selbst.

Neuere Beobachtungen

Das große El-Niño-Ereignis von 1982/83 führte zu einer starken Belebung des Interesses durch die wissenschaftlichen Kreise. Die Zeit von 1990 bis 1994 war sehr auffällig, da El Niño in diesen Jahren in ungewöhnlich schneller Folge auftrat.

Über den Jahreswechsel 1982/83 und im Jahr 1997/98 war El Niño ungewöhnlich stark ausgeprägt. Die Wassertemperatur lag sieben Grad Celsius über der normalen Durchschnittstemperatur, so dass Wärmeenergie in die Erdatmosphäre abgegeben wurde. Bei diesem Ereignis wurde die Luft zeitweilig um bis zu 1,5 °C erwärmt, viel im Vergleich zur üblichen Erwärmung von 0,25 °C im Umfeld eines El Niño. 1997/98 kam es darüber hinaus zu einem geschätzten Absterben von 16 % der weltweiten Riffsysteme. Seit diesem Zeitpunkt ist der Effekt der Korallen-Ausbleichung weltweit bekannt geworden und alle Regionen konnten entsprechende Bleichstellen zuordnen.

In den letzten Jahren soll sich nach Angaben von Sang-Wook Yeh und Mitarbeitern das Klimaphänomen verändert haben: Es tritt nicht mehr zungenförmig, sondern hufeisenförmig auf. Dieser Trend könnte durch den Klimawandel oder durch die natürlich wiederkehrenden Zyklen des Pazifiks verursacht, möglicherweise in den kommenden Jahrzehnten verstärkt eintreten.[2]

Vorhersagemöglichkeiten und SOI-Metrik

Eine aktuelle Studie zeigt, dass El-Niño-Ereignisse, insbesondere große Ereignisse, genauer als bisher angenommen voraussagbar sein könnten,[3] (siehe hierzu auch Witterungsprognose).

Das El-Niño-Phänomen lässt sich durch charakteristische Luftdruckanomalien im südpazifischen Raum vorhersagen. Hierzu werden Luftdruckmessungen aus Tahiti und Darwin (Australien) ausgewertet. Ergebnis dieser Auswertung ist der Southern Oscillation Index (SOI).

Ein verwandtes Phänomen im Atlantik ist die Nordatlantische Oszillation.

La Niña

Im Gegensatz zu El Niño ist La Niña eine außergewöhnlich kalte Strömung im äquatorialen Pazifik, also sozusagen ein Anti-El-Niño, worauf auch die Namensgebung (spanisch kleines Mädchen) beruht. Durch diese kalte Strömung entwickelt sich über Indonesien ein besonders starkes Tiefdruckgebiet. Die Passatwinde wehen stark und lang anhaltend. Dadurch kühlt sich der östliche Pazifik weiter ab und es gibt in Indonesien besonders viel Regen. Dagegen ist es in Peru sehr trocken und es fällt kaum Regen.

Siehe auch

Literatur

  • César N. Caviedes: El Niño: Klima macht Geschichte. Darmstadt: Primus, 2005. - ISBN 3-89678-528-1
  • Christian Eckert: Stichwort El Niño. Heyne 1998 - ISBN 978-3-453-14332-6
  • Petra Demmler: Das Meer - Wasser, Eis und Klima Verlag Eugen Ulmer, 2011. - ISBN 3-8001-5864-7 Kapitel "Was das Christkind bringt - El Niño"
  • Kuenzer, C., Zhao, D.; Scipal, K.; Sabel, D.; Naeimi, V.; Bartalis, Z.; Hasenauer, S.; Mehl, H.; Dech, S.; Waganer, W.: El Niño southern oscillation influences represented in ERS scatterometer-derived soil moisture data. In: Applied Geography. 2009, doi:10.1016/j.apgeog.2009.04.004.

Weblinks

Commons: ENSO – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. El Niño macht Europa kalt Spiegel Online vom 13. Februar 2010
    Winterchaos und Dürreperiode – US-Forscher: Wetterkapriolen kein Zufall (nicht mehr online verfügbar), Tagesschau.de vom 12. Februar 2010
  2. Das Klimaphänomen El Niño hat sich verändert, Artikel der Welt vom 13. Februar 2010
  3. Nature, Vol. 428, S. 733–735

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