Gärung


Die durch Ausgasung schäumende Oberfläche eines gärenden Stoffes

Der Ausdruck Gärung wird für einige etwas verschiedene Begriffe verwendet:

Übergeordnet
Energiegewinnung durch Oxidation organischer Stoffe
Untergeordnet
Milchsäuregärung
alkoholische Gärung
Propionsäuregärung
Buttersäuregärung
Ameisensäuregärung
2,3-Butandiolgärung
Malolaktische Gärung
Nicht-glykolytische Gärung
Gärung stickstoffhaltiger Verb.
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(1) ältere Bedeutung: Stoffliche Veränderung biotischer Stoffe (durch Lebewesen gebildete Stoffe), die mit erkennbaren Veränderungen der Stoffe, aber ohne Entstehung von Fäulnisgerüchen einhergehen, und die mit oder ohne Zutritt von Luft ablaufen.

(2) neuere Bedeutungen: Mikrobieller Abbau organischer Stoffe zum Zweck der Energiegewinnung ohne Einbeziehung externer Elektronenakzeptoren wie beispielsweise Sauerstoff (O2) oder Nitrat (NO3)

Begriffsbildung

Die Bezeichnung Gärung wurde ursprünglich angewendet auf stoffliche Veränderungen biotischer Stoffe in Abwesenheit oder in Gegenwart von Luft, die mit erkennbaren Veränderungen der Masse einhergehen, beispielsweise mit Wallen, Gasbildung, Erwärmung und Zersetzung, nicht aber mit Entstehung von Fäulnisgeruch. Der Einfluss von Sauerstoff wurde bei der Definition nicht beachtet, auch dann nicht, als Sauerstoff entdeckt war. Dementsprechend wurden die Vorgänge bei der Umwandlung von Most in Wein, von Bierwürze in Bier, von Wein in Essig als Gärung bezeichnet und auch gegenwärtig ist das in der Technik üblich.

Geschichte

Um 1815 wurde die chemische Gleichung der Gärung von Joseph Louis Gay-Lussac aufgestellt. Eilhard Mitscherlich vermutete biologische Katalysatoren (Fermente), die nur in Kontakt mit Zucker treten und sich selbst nicht verändern. Auf Basis von Mitscherlichs Ideen konnte Charles Cagniard de la Tour bei mikroskopischen Untersuchungen lebende Organismen nachweisen.[1][2] Theodor Schwann fand, dass ein Fleischextrakt, nach Erhitzen auf 100 °C in luftabgedichteten Behältern längere Zeit unzersetzt erhalten bleibt. Diese Versuche wiederholte er mit einer Zuckerlösung und konnte auch in diesem Fall die Gärung vermeiden.[3][4] Auch Friedrich Traugott Kützing fand, dass das Gären von zuckerhaltigen Flüssigkeiten, verbunden mit Ethanol- und Kohlenstoffdioxidbildung (alkoholische Gärung) ein biotischer Vorgang ist und Bierhefe aus Mikroorganismen besteht [5]), und dass auch die Milchsäuregärung (Louis Pasteur 1857[6]) und die Buttersäuregärung (Louis Pasteur 1861[7]) durch Mikroorganismen verursacht werden. Pasteur (1861) fand, dass die Mikroorganismen der Buttersäuregärung ohne Sauerstoff leben, stoffwechseln und wachsen können, und dass Sauerstoff auf sie hemmend wirkt, was damals überraschend war. Man bezeichnet diesen Effekt heutzutage als den Pasteur-Effekt. Auch für die Gärungsorganismen einiger anderer Gärungen wurde gefunden, dass sie ohne Sauerstoff leben können.

Die Erkenntnis, dass die untersuchten Gärungen (alkoholische Gärung, Milchsäuregärung und Buttersäuregärung) ohne Sauerstoff ablaufen, wurde zunächst für alle Arten von Gärung als zutreffend angenommen. Später erkannte man jedoch, dass nicht alle Gärungen ohne Einbeziehung von Sauerstoff ablaufen, beispielsweise die Essigsäuregärung[8]. Man hat deshalb neue, voneinander etwas abweichende Begriffe definiert, die aber alle Sauerstoff (O2) als Elektronenakzeptor ausschließen, und hat sie als Gärung bezeichnet. Definitionen für Gärung im neuen Sinn ergeben sich aus folgender Formulierung

Mikrobieller Abbau organischer Stoffe ohne Einbeziehung von externen Elektronenakzeptoren wie beispielsweise Sauerstoff (O2) zum Zweck der Energiegewinnung.

Dies kann unter anaeroben oder aeroben Bedingungen stattfinden.[9] Gärungen, auf die diese Definitionen nicht zutreffen, beispielsweise die Essigsäuregärung, hat man damit ausgeschlossen und man bezeichnet sie als keine eigentlichen Gärungen in naturwissenschaftlichem Sinn.

Eine zusätzliche Unsicherheit wird dadurch verursacht, dass Gärung im Englischen als fermentation bezeichnet wird. Im Deutschen wird der Ausdruck Fermentation aber in mindestens drei verschiedenen Bedeutungen verwendet:

  1. Gärung in der neueren Bedeutung als biotischer Energiestoffwechsel ohne Einbeziehung von Sauerstoff.
  2. Veränderungen biotischen Rohmaterials, eingeleitet zur Herstellung bestimmter Produkte, beispielsweise Fermentation von Tabakblättern bei der Herstellung von Rauchtabak und Fermentation von Kakaosamen in ihrer Pulpe im Zuge der Herstellung von Kakaopulver und Schokolade. Bei diesen Fermentationen wird Sauerstoff nicht oder nur unvollständig ausgeschlossen.
  3. In der Biotechnik die gesteuerte Produktion von biotischen Stoffwechselprodukten in dazu geeigneten Anlagen, mit oder ohne Einbeziehung von Sauerstoff.

Gärungsarten

Bedeutung

Biologische Bedeutung

Im Vergleich zur aeroben Atmung wird bei Gärungen nur eine geringe Menge Energie gewonnen, da hierbei statt Citratzyklus und anschließender Atmungskette nur die Substratkettenphosphorylierung genutzt wird. Die Gärung ist jedoch ein Weg, um durch Substratkettenphosphorylierung schnell ATP zu bilden. Dies ist auch bei anaerob wachsenden Organismen vorteilhaft, da sie nicht auf den externen Elektronenakzeptor Sauerstoff angewiesen sind.

In manchen Fällen sind auch die Habitate höherentwickelter, aerob lebender Organismen sauerstoffarm. Quastenflosser und andere Meereswirbeltiere betreiben Gärung zur Deckung ihres Energiebedarfes, da sie in Tiefen leben, in denen die Konzentration gelösten Sauerstoffes gering ist. Auch Tintenfische beziehen einen Teil ihrer Energie aus der Vergärung von Pyruvat, dabei entsteht Octopin.

Organismen, die eine Gärung betreiben, nennt man auch (primäre) Gärer. Manche Mikroorganismen sind dagegen so genannte sekundäre Gärer: Sie nehmen die Gärprodukte primärer Gärer auf und vergären sie weiter zu Kohlenstoffdioxid (CO2), Acetat oder Wasserstoff (H2).[10]

Technische Bedeutung

Gärungen werden vielfältig zur Herstellung, Veredelung und Konservierung von Lebensmitteln und Futtermitteln genutzt (vor allem die alkoholische Gärung und die Milchsäuregärung).

Siehe auch

Literatur

  • Katharina Munk (Hrsg.): Taschenlehrbuch Biologie: Mikrobiologie. Thieme Verlag Stuttgart, New York 2008, ISBN 978-3-13-144861-3, S. 374ff.
  • Reinhard Renneberg: Biotechnologie für Einsteiger. 2. Auflage, Elsevier Spektrum Akademischer Verlag, München 2007, ISBN 3-827-41847-X

Einzelnachweise

  1. Comptes rendus de l'Academie des Sciences, 4, 903 (1837)
  2. Charles Cagniard-Latour: Mémoire sur la fermentation vineuse. In: Annales de chimie et de physique. Bd. 68, 1838, S. 206-222.
  3. Pogg. Ann. d. Ph., 41, 184 (1837).
  4. Theodor Schwann: Vorläufige Mitteilung, betreffend Versuche über die Weingährung und Fäulnis. In: Annalen der Physik und Chemie. Bd. 41, 1837, S. 184-193.
  5. Kützing, F. T. (1837): Microscopische Untersuchungen über die Hefe und Essigmutter, nebst mehreren andern dazu gehörigen vegetabilischen Gebilden. In: Journ. prakt. Chem. 11, S. 385–409.
  6. Louis Pasteur: Mémoire sur la fermentation appelée lactique. (Extrait des l'auteur). In: Comptes rendus de l'Académie des Sciences. Bd. 45, 1857, S. 913-916.
  7. Louis Pasteur: Animalcules infusoires vivant sans gaz oxygène libre et déterminant des fermentation. In: Comptes rendus de l'Académie des Sciences. Bd. 52, 1861, S. 344-347.
  8. Franz Lafar: Die Essigsäure-Gärung. In: Franz Lafar (Hrsg.): Handbuch der Technischen Mykologie, Bd. V, Kap. 19, Gustav Fischer, Jena 1913
  9. Alfred Pühler, Manfred Regitz und Rolf D. Schmid: Römpp Kompakt-Lexikon Biochemie und Molekularbiologie. Thieme, Stuttgart 2000; ISBN 3-13-116681-9; S. 200.
  10. Katharina Munk (Hrsg.): Taschenlehrbuch Biologie: Mikrobiologie. Thieme Verlag Stuttgart, New York 2008, ISBN 978-3-13-144861-3, S. 376.

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