Gentechnikfrei


Datei:Ohne Gentechnik logo.svg
Das Logo „Ohne Gentechnik“

Die Begriffe gentechnikfrei, ohne Gentechnik oder (fälschlich) genfrei werden verwendet, um Produkte zu bezeichnen, die frei von gentechnisch veränderten Organismen sind und auch ohne deren Hilfe erzeugt wurden. Im Zusammenhang mit Lebensmitteln werden die Begriffe verwendet, um gentechnikfreie von gentechnisch veränderten Lebensmitteln abzugrenzen. Bei tierischen Produkten werden dabei meist auch gentechnikfreie Futtermittel mit eingeschlossen. Seit August 2009 gibt es in Deutschland für Lebensmittel „Ohne Gentechnik“ ein einheitliches Logo, jedoch mit zahlreichen Ausnahmeregeln.[1]

Der Begriff „genfrei“ ist in diesem Zusammenhang irreführend, da fast alle Nahrungsmittel aus Lebewesen hergestellt werden und daher deren Gene enthalten. In der biologischen Fachsprache kommt der Begriff „genfrei“ im Zusammenhang mit Bereichen des Genoms vor, die keine Gene enthalten. Hierzu zählen beispielsweise die Centromere und Telomere der Chromosomen und Heterochromatin generell.[2]

Eine Gentechnikfreie Zone ist ein Gebiet, das frei von gentechnisch veränderten Organismen in der Tier- oder/und Pflanzenzucht ist oder sein soll.

Gentechnikfreie Lebensmittel

In Deutschland ist eine freiwillige Kennzeichnung Ohne Gentechnik erlaubt. Von 1998 bis 2008 waren die Anforderungen sehr streng und schlossen jede Anwendung der Gentechnik auf allen Verarbeitungsstufen aus. Kaum ein Produkt mit dieser Kennzeichnung kam auf den Markt. Seit 1. Mai 2008 sind die Anforderungen für die Ohne Gentechnik-Kennzeichnung deutlich abgeschwächt: So müssen Tiere nicht ihr ganzes Leben mit gentechnikfreiem Futter gefüttert werden. Bei Schweinen ist in den letzten vier Monaten vor der Schlachtung auf entsprechende Futterpflanzen zu verzichten, bei Milch produzierenden Tieren reichen die letzten drei Monate, bei Hühnern für die Eiererzeugung die letzten sechs Wochen. Gentechnisch veränderte Futterbeimischungen werden bis 0,9 % toleriert. Außerdem sind mithilfe von gentechnisch veränderten Mikroorganismen hergestellte Futtermittelzusätze wie Vitamine oder Aminosäuren, sowie gentechnisch hergestellte Arzneimittel und Impfstoffe erlaubt.[3]

Eine Öko-Test-Studie über Sojaprodukte ergab, dass zwei Drittel von 33 getesteten Produkte gentechnisch veränderte Bestandteile enthielten. Derartige Beimischungen seien weit verbreitet, da durch Kontamination bei Ernte, Transport und Verarbeitung gentechnisch veränderte Bestandteile in die Produkte gelange, so etwa auch in Kekse, Fertiggerichte, Wurstwaren oder Schokolade.[4]

Bei verarbeiteten Lebensmitteln „ohne Gen-Technik“ seien Zutaten und Zusatzstoffe, Vitamine und Aminosäuren, Aromen und Enzyme aus gentechnisch veränderten Pflanzen zwar tabu. Ausnahmen sind aber gemäß der EU-Öko-Verordnung für biologisch erzeugte Lebensmittel erlaubt, da es keine „genfreien“ Alternativen mehr gibt. In pflanzlichen Lebensmitteln „ohne Gen-Technik“ würden zudem geringfügige, zufällige, technisch unvermeidbare GVO-Beimischungen toleriert. Bisherige Vorschriften wären strenger, da sie jegliche Anwendung der Gentechnik auf allen Verarbeitungsstufen ausschlossen.[4] Das EU-Parlament verlangte zunächst einen Grenzwert 0,1 Prozent. Letztlich einigten sich die Mitgliedstaaten der Europäischen Union im Dezember 2007 auf einen Grenzwert für versehentliche Kontaminierung von 0,9 Prozent, der auch für konventionelle Produkte gilt. Über diese Schwelle müssen auch unabsichtlich verunreinigte Lebensmittel in der EU als „gentechnisch verändert“ gekennzeichnet sein.[5]

Kritik am Begriff „genfrei“

Das Adjektiv genfrei taucht in Produktwerbung auf[6][7], wird in politischen Kampagnen gegen gentechnisch veränderte Lebensmittel[8][9][10][11][12] und auch in Medienberichten verwendet[13][14][15]. Der Kulturwissenschaftler Nico Stehr sagte in einem Interview zu seinem Buch „Die Moralisierung der Märkte“ gegenüber dem Spiegel: „Wenn Sie heute in einen Supermarkt gehen, dann können Sie kaum mehr Milch kaufen, die nicht als genfrei deklariert ist“. [16] Die Molekularbiologin Renée Schroeder kritisiert solche Logos mit den Worten: „Welche Botschaft soll ich da als Konsumentin mitnehmen, wenn ich auf den ersten Blick nur lese, dass Milch genfrei ist?“. Selbstverständlich sei kein tierisches oder pflanzliches Produkt genfrei. [17] Der Begriff ist inhaltlich irreführend: Fast alle Lebensmittel sind organischen Ursprungs, werden also aus Lebewesen gewonnen. Diese enthalten immer genetisches Material (Erbmaterial) in Form von Desoxyribonukleinsäure (DNA), in der immer Gene enthalten sind. Nur nicht-organische Lebensmittel wie Wasser oder Kochsalz sowie manche technisch gereinigten Nahrungsmittel wie raffinierte Pflanzenöle und kristallisierter Zucker enthalten keine oder nur sehr geringe Mengen DNA, sind also frei von Genen.

Der irreführende Gebrauch des Begriffs „genfrei“ führte zu Berichten in Blogs, die sich über unsinnige Bezeichnungen wie „genfreie Pflanzen“ oder ähnliche lustig machen[18] oder ernsthafte Bedenken zu diesem Gebrauch von „genfrei“ diskutieren.[19][20] Die analoge englische Bezeichnung „gene free“ kommt ebenfalls vor.[21][22]

Siehe auch

  • Gen-Milch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. "Ohne Gentechnik" bedeutet nicht, was draufsteht Die Welt vom 10. August 2010
  2. Ulf Dettmer, Malte Folkerts, Eva Kächler, Andreas Sönnichsen. Intensivkurs Biochemie, Studentconsult. Elsevier, Urban&FischerVerlag, 2006 [1]
  3. Ohne Gentechnik - Was ist erlaubt? Transgen.de, 2. September 2009.
  4. 4,0 4,1 Pressemitteilung von Ökotest vom 5. Januar 2010
  5. "Bio" bald nicht mehr genfrei Wiener Zeitung vom 12. Juni 2007
  6. http://www.natuerlich-quintessence.de/gut-fuer/gedaechtnis/lecithin-energiegranulat-genfrei-300-g.html
  7. http://www.medikamente-preiswert-bestellen.de/medikament-cholin-lecithin-genfrei--gra/2817774-cholin-lecithin-genfrei--gra.html
  8. http://www.genfrei-gehen.de/, eine Initiative der Rapunzel Naturkost AG
  9. Verwendung „genfreier“ Biomasse zur Stromerzeugung in: Michael Schulze: Ökostromkennzeichnung- Nutzen und Aussagekraft der verschiedenen Gütesiegel. GRIN Verlag, 2008, Seite 34 [2]
  10. http://www.rumoro.de/menschen/page/19/articles/landliebe_ist_genfrei.html
  11. http://www.arge-ja.at/genfreie_regionen_helldorf.html
  12. http://www.genfrei-ulm.de/
  13. Burger ohne Genfrei-Garantie auf Spiegel-Online.
  14. http://www.kleinezeitung.at/nachrichten/chronik/1952185/gentechnik-muss-draussen-bleiben.story
  15. http://www.derwesten.de/staedte/hamminkeln/Milchbauern-auf-Werbetour-id3806139.html
  16. Ethik verändert die Wirtschaft Der Spiegel 24/2007
  17. "Unsere Milch ist moralisch einwandfrei" Der Standard vom 16. April 2010
  18. http://www.politik-poker.de/genfrei.php
  19. Genfrei - Probleme der Wissenschaftskommunikation bei scienceblogs.de
  20. Anja Lembens: Wie entwickelt sich ein Verständnis für Biotechnologie und Gentechnik? LIT Verlag Münster, 2004, Seite 258. [3]
  21. http://findarticles.com/p/articles/mi_m0DQA/is_1999_Feb_11/ai_53979728/
  22. http://www.time.com/time/magazine/article/0,9171,992719,00.html