Heiner Rindermann


Datei:RindermannOxford0906.JPG
Heiner Rindermann 2009

Heiner Rindermann (* 1966) ist ein deutscher Psychologe und Bildungsforscher.

Leben

Rindermann studierte von 1986-1995 in Heidelberg Psychologie, zusätzlich als Nebenfächer Philosophie, Ethnologie, Soziologie, Politikwissenschaft und Altphilologie. 1995 erfolgte die Promotion in Psychologie zum Thema Lehrevaluation und 2005 die Habilitation an der Universität Landau zum Thema Unterrichtsqualität. Er war Vertretungsprofessor für Erziehungswissenschaft an der Universität Saarbrücken und an der Universität Paderborn. Im September 2007 erhielt er einen Ruf auf die Professur für Evaluation und Methodik der Entwicklungspsychologie an der Universität Graz. Seit April 2010 hat Rindermann die Professur für Pädagogische und Entwicklungspsychologie an der Technischen Universität Chemnitz inne.

Forschungsgebiete

Rindermann forscht in den Gebieten Pädagogische- und Entwicklungspsychologie, Differentielle Psychologie, Pädagogik, Klinische Psychologie und Gesundheitspsychologie. Daneben befasst er sich mit Wissenschaftsforschung und Wissenschaftstheorie sowie der Entwicklung von Kultur und Gesellschaft.[1] [2] [3]

Lehrevaluation

Rindermann entwickelte 1994 gemeinsam mit Manfred Amelang den Fragebogen HILVE, mit dem Studierende, Lehrende und externe Personen die Lehrqualität, das Lehrverhalten von Dozenten, Veränderungen der Studierenden durch den Veranstaltungsbesuch und das Verhalten der Veranstaltungsteilnehmer beurteilt werden können. Das Instrument soll durch seine Multidimensionalität eine möglichst realistische Beurteilung von Vorlesungen und Seminaren ermöglichen.

Als wichtigste Ergebnisse der Lehrevaluationsforschung gelten, dass Studierende im Mittel einer Veranstaltung relativ wenig durch Faktoren wie Thema und Anforderungshöhe beeinflusst Lehre beurteilen können und dass die Ergebnisse solcher Befragungen, solange sie sich auf Lehrqualitätsmerkmale beziehen, mit studentischem Lernerfolg zusammenhängen. Rindermann plädiert für den Einsatz von Beratung und Trainings, um Lehrqualität nicht nur zu messen, sondern zu verbessern.

Wissenschaftstheorie

Rindermann vertritt die normative Position, dass Wissenschaft auf Rationalität und Reflexion basieren sollte. Er bezieht sich hierbei vor allem auf die Aufklärung und Kant.

Zitat aus Erwägen-Wissen-Ethik (2006, S. 251): „Rationales Denken ist Voraussetzung für wissenschaftliches Denken. Unter Rationalität soll verstanden werden: Sich im Denken zu orientieren, d. h., die Fähigkeit und Bereitschaft, das eigene Denken und Handeln an Wahrheit und Funktionalität auszurichten, das eigene Denken und Handeln unter den Vorbehalt notwendiger Richtigkeit, Begründung und Argumentation zu stellen; eine Einstellung, objektive Probleme subjektiv zuzulassen und diese als kognitiv lösbare Probleme zu betrachten, sie nicht als durch Intuition oder Übernahme traditioneller Antworten abkürzbare Fragen, nicht als durch Gewalt, autoritative Entscheidung oder durch Zwangsmaßnahmen zu bewältigende Hindernisse zu verstehen (Kant: „Freiheit im Denken bedeutet auch die Unterwerfung der Vernunft unter keine andere Gesetze, als: die sie sich selbst gibt.“); argumentative Haltung in Interaktion mit anderen oder sich selbst, die nur gute Gründe, logische Kriterien und empirische Belege gelten lässt, nur diese und nichts anderes, nicht Überreden, Macht oder Ansehen der Person oder andere außerargumentative Kriterien; in epistemischer Interaktion, sei sie persönlich oder nicht persönlich, eine angemessen präzise, verständliche und inhaltsangemessene Sprache bis zur Sprache der Mathematik zu verwenden. Personenbezogene Voraussetzungen sind intellektuelle Befähigung, vernünftige Selbstbestimmungsfähigkeit und emanzipatorische Selbständerungsfähigkeit zu seelisch-geistiger Freiheit und eine ethische Grundhaltung gegenüber anderen, anderem und sich.“

Intelligenzforschung

Grundaussage seiner Arbeit ist, dass Intelligenztests und Schulleistungstests etwas sehr Ähnliches erheben: Intelligenz und Wissen. Auch Intelligenztests erheben ihm zufolge Wissen und Schulleistungstests, vor allem solche wie im PISA, auch "Intelligenz". Daraus schließt er, dass die Intelligenz durch Umwelt und Bildung veränderbar ist und dass Schulleistungen genetisch festgelegte Bestandteile enthalten. Rindermann untersuchte die Förderung von Intelligenz durch Schulunterricht und auf internationaler Ebene in der Untersuchung von Unterschieden zwischen Staaten die Abhängigkeit der kognitiven Kompetenzen von Wohlstand sowie ihren Zusammenhang mit Demokratie, Rechtsstaat und Freiheit. Rindermann sieht kognitive Fähigkeiten und ihre historische Entwicklung im Wechselspiel mit Bedingungen von Gesellschaft und Kultur zusammen mit Georg W. Oesterdiekhoff.

Sarrazin nutzte für sein Deutschland schafft sich ab die Arbeiten von Rindermann und Detlef Rost als wichtige Quellen.[4]

Schulsysteme

Rindermann untersucht an Unterricht, Schule und Schulsystemen ihre Folgen für die Entwicklung von kognitiven Kompetenzen und Persönlichkeit (z. B. für Intelligenz, Fähigkeitsselbstbild, Prüfungsangst). Auf Schulsystemebene fasst er zusammen:

Es „zeigen sich positive Zusammenhänge nationaler Fähigkeitsniveaus zu Bildungsniveau der Erwachsenen, Kindergartenbesuch, Disziplin, hohem Bildungsumfang der Schüler, Unterrichtsumfang, Besuch von Ergänzungsschulen, früher Gliederung und Einsatz von Zentralprüfungen und Tests zum Zwecke schulischer Entscheidungen. Eher negative Zusammenhänge treten auf bei hohen Klassenwiederholungsquoten, später Einschulung und großen Klassen bzw. einer ungünstigen Lehrer-Schüler-Relation. Hohe Migrantenanteile als solche wirken sich nicht negativ aus; nur dann, wenn Migranten im Schnitt bildungsferner als die einheimische Bevölkerung sind, zeigen sich negative Folgen.“ (Empirische Pädagogik 2008, S. 17)

Innerhalb von Klassen gilt die Intelligenz von Mitschülern einer Klasse als wichtig für Unterrichtserfolg und individuellen Kompetenzzugewinn: „Die Intelligenz der anderen macht klug.“ (Unterrichtswissenschaft 2007, S. 85) Vor allem die Intelligenzentwicklung schwächerer Schüler sei von hoher Intelligenz in der Klasse positiv abhängig.

Emotionale Kompetenz

In seiner Forschung zu „Emotionaler Kompetenz“ unterscheidet er 4-6 Dimensionen: das Erkennen eigener Gefühle, das Erkennen der Gefühle von anderen, die Regulation eigener Gefühle und die emotionale Expressivität. Weitere Skalen beziehen sich stärker auf soziale Kompetenzen Regulation der Gefühle anderer und auf Einstellungen zu Gefühlen.

Weitere Gebiete

Daneben hat sich Rindermann mit Fragen der Studierendenauswahl durch Hochschulen, der Evolutionären Psychologie, Hochbegabungs-, Persönlichkeits- und Selbstkonzeptforschung befasst.

Diskussion

Am 4. Dezember 2007 sendete Deutschlandradio Kultur ein Interview mit Rindermann, welches den Titel Dumme Buschmänner, kluge Asiaten? »Es gibt genetische Unterschiede zwischen den Rassen« trug. Der Titel sowie eine Bildunterschrift wurden, laut einer Stellungnahme Rindermanns, nicht mit dem Interviewten abgesprochen und vom Sender später korrigiert. Im Laufe des Interviews bezieht sich Rindermann auf das von der Journalistin eingebrachte Konzept der "Menschenrassen" – so spricht er z. B. von genetischen Unterschieden "zwischen den Rassen, wenn man diesen Begriff wählt, also zwischen Weißen, zwischen Schwarzen und zwischen Asiaten als die drei Großgruppen"[5]. Für diese Äußerungen wurde Rindermann öffentlich kritisiert. Kritisiert wird außerdem, dass sich Rindermann auf auch in der Intelligenzforschung unübliche Vereinfachungen für Gen-Umweltrelationen beziehe. So schildert er im Interview: „Menschen mit bestimmter genetischer Ausstattung suchen sich eine andere Umwelt aus und beeinflussen auch ihre Umwelt in einer bestimmten Form, wie es ihren Genen eher entspricht und wie sie sich auch dann besser entwickeln können. Also, zum Beispiel Intelligentere gehen eher länger in die Schule, auf Universitäten, und die weniger Intelligenten, die meiden eher solche Umwelten.“

In Reaktion auf die Sendung des Interviews wurde von Ethnologinnen und Afrikanistinnen wie Carola Lentz, Anna-Maria Brandstetter und Raija Kramer eine Presseerklärung herausgegeben, in der ihm die Verbreitung rassistischer Theorien vorgeworfen wurde.[6]

Darüber hinaus gab es weitere Distanzierungen und Stellungnahmen, zum Beispiel von studentischen Vertretern der Universität Paderborn (an der Rindermann zu der Zeit eine Gastprofessur in der Erziehungswissenschaft innehatte), von der Deutsche Gesellschaft für Völkerkunde und im Herbst 2008 vom AStA sowie der "Fachschaft Soziologie" der Westfälischen Wilhelms-Universität (bei der sich Rindermann auf zwei W2-Professuren im Fachbereich Erziehungswissenschaft beworben hatte und zu Berufungsvorträgen eingeladen wurde)[7][8], die alle die Proteste gegen die Äußerungen von Rindermann unterstützen. Rindermann selbst reagierte auf die Mainzer Pressemitteilung mit einer eigenen Stellungnahme, in der er die Vorwürfe zurückweist.

In mehreren Stellungnahmen wird vorrangig kritisiert, dass Rindermann genetische Gründe für Unterschiede in Intelligenz und kognitiven Fähigkeiten auf „Nationenebene“ für möglich erachtet und auf Grundlage dieser Annahmen weitere Schlussfolgerungen aufbaut. Zudem wird kritisiert, dass er Literatur und Autoren heranzieht, die genetische Theorien verfolgen, die biologische „rassische“ Differenzen annehmen und die sowohl in der Öffentlichkeit als auch in der Fachdebatte als massiv umstritten gelten. Herausgehoben werden diesbezüglich, dass er bspw. in einem Beitrag im European Journal of Personality die Bezugnahmen auf die US-amerikanischen Forscher John Philippe Rushton und Arthur Jensen, Referenzen auf das Buch The Bell Curve von Charles Murray und Richard Herrnstein sowie auf Volkmar Weiss, die alle neben Umweltursachen auch genetische Ursachen für Unterschiede u. a. in der Intelligenz zwischen Gruppen oder "Rassen" annehmen.

Eine wissenschaftlich-methodische Kritik an seinem Ansatz im Artikel Was messen internationale Schulleistungsstudien? (2006) haben der Bildungsforscher Prof. Jürgen Baumert und drei weitere Wissenschaftler formuliert (Baumert u. a. 2007[9]).

Rindermann erfuhr Unterstützung von der Deutschen Gesellschaft für Psychologie[10]. In einer offiziellen Mitteilung bekundet die wissenschaftliche Fachgesellschaft unter dem Titel "Diffamierende Vorwürfe gegen Heiner Rindermann": "Unser Mitglied Heiner Rindermann wurde im Anschluss an ein Rundfunkinterview im Deutschlandradio insbesondere durch eine Pressemitteilung aus dem Institut für Ethnologie und Afrikastudien der Universität Mainz und nachfolgende Presseveröffentlichungen mit dem Vorwurf belastet, rassistische Äußerungen von sich gegeben zu haben. Die DGPs weist diese Vorwürfe strikt zurück. [...] handelt es sich bei den auch in einer internationalen Fachzeitschrift publizierten Aussagen von Heiner Rindermann um wissenschaftlich einwandfreie und seriöse Äußerungen. [...]". Am 18. Februar 2009 hat die DGPs eine zusätzliche Ehrenerklärung zu Rindermann abgegeben.[11] Jens Asendorpf stellte in einem am 20. Dezember 2007 ebenfalls im Deutschlandradio Kultur gesendeten Interview dar, dass es sich bei den Aussagen von Heiner Rindermann um wissenschaftlich einwandfreie und seriöse Äußerungen handele.

Auszeichnungen

Auf dem Gebiet der Differentiellen Psychologie wurde Rindermann 2007 mit dem William-Stern-Preis der Deutschen Gesellschaft für Psychologie ausgezeichnet. Der Namensgeber dieser Auszeichnung, William Stern, gilt als Vorreiter der Intelligenzforschung und wurde als Jude 1933 von den Nationalsozialisten aus Deutschland vertrieben. 2010 wurde Rindermann von der US-amerikanischen Wissenschaftsgesellschaft APS (Association for Psychological Science) für "herausragende Beiträge in der Wissenschaft" der Fellowstatus verliehen.[12]

Schriften

  • Das Heidelberger Inventar zur Lehrveranstaltungs-Evaluation (HILVE). Handanweisung. mit M. Amelang. Heidelberg: Asanger 1994.
  • Untersuchungen zur Brauchbarkeit studentischer Lehrevaluationen. Empirische Pädagogik e.V., Landau 1996, ISBN 3-931147-16-9.
  • Lehrevaluation. Einführung und Überblick zu Forschung und Praxis der Lehrveranstaltungsevaluation an Hochschulen. Mit einem Beitrag zur Evaluation computerbasierten Unterrichts. Empirische Pädagogik e.V., Landau 2001, ISBN 3-933967-52-X.
  • Die studentische Beurteilung von Lehrveranstaltungen – Forschungsstand und Implikationen. In C. Spiel (Hrsg.), Evaluation universitärer Lehre – zwischen Qualitätsmanagement und Selbstzweck (S. 61-88). Münster: Waxmann 2001.
  • Intelligenz. In H. S. Friedman & M. W. Schustack, Persönlichkeitspsychologie und Differentielle Psychologie (S. 372-389). München: Pearson 2004.
  • Was messen internationale Schulleistungsstudien? Schulleistungen, Schülerfähigkeiten, kognitive Fähigkeiten, Wissen oder allgemeine Intelligenz? In: Psychologische Rundschau. 57, 2006, S. 69–86. (omline)
  • Formen wissenschaftlicher Auseinandersetzung. Erwägen-Wissen-Ethik, 17, 2006, S. 251-263 und 313-321.
  • The g-factor of international cognitive ability comparisons: The homogenity of results in PISA, TIMSS, PIRLS and IQ-tests across nations. In: European Journal of Personality. 21, 2007, S. 667–706. (online)
  • Die Bedeutung der mittleren Klassenfähigkeit für das Unterrichtsgeschehen und die Entwicklung individueller Fähigkeiten. Unterrichtswissenschaft, 35 2007, 68-89.
  • International vergleichende Schulleistungs- und Intelligenzstudien: Warum schneiden die einen gut ab, die anderen schlecht? Versuch einer Erklärung unter ausschließlicher Berücksichtigung von Bildungsmerkmalen. Empirische Pädagogik, 22 2008, 17-48.
  • Kultur und Kognition: Die Beiträge von Psychometrie und Piaget-Psychologie zum Verständnis kultureller Unterschiede. mit G. W. Oesterdiekhoff. Münster: Lit 2008.
  • Entwicklungspsychologie: Kita-Kinder lernen besser. Frankfurter Rundschau, 64(87) 2008, 12.

Einzelnachweise

Weblinks

Die News der letzten Tage