Heimchen



Heimchen

Heimchen (Acheta domesticus)

Systematik
Klasse: Insekten (Insecta)
Ordnung: Langfühlerschrecken (Ensifera)
Familie: Echte Grillen (Gryllidae)
Gattung: Acheta
Art: Heimchen
Wissenschaftlicher Name
Acheta domesticus
(Linnaeus, 1758)
Stridulationsgeräusch
Acheta domesticus.JPG

Das Heimchen (Acheta domesticus) ist eine Langfühlerschrecke aus der Familie der Echten Grillen (Gryllidae). Der wissenschaftliche Name beschreibt wesentliche Aspekte des Verhaltens und der Ökologie: Acheta bedeutet ‚Sänger‘ und domesticus ‚häuslich‘. Das Heimchen ist ein sehr beliebtes Futterinsekt in der Terraristik.

Merkmale

Heimchen erreichen eine Körperlänge von 16 bis 20 Millimeter, der Legebohrer (Ovipositor) der Weibchen misst zusätzlich 11 bis 15 Millimeter. Sie sind etwas kleiner und schlanker als die Feldgrille (Gryllus campestris). Der Körper hat eine strohgelbe oder gelbbraune Grundfarbe. Das Halsschild und der Kopf besitzen eine dunkelbraune bis schwarze Zeichnung. Nach den Messergebnissen bei 30 erwachsenen Männchen aus einer Zucht sind die Vorderflügel im Mittel 10,55 Millimeter lang (Extremwerte: 9,1 bis 12,3 Millimeter)[1] und überdecken nicht den Endabschnitt des Hinterleibs. Zwischen Männchen und Weibchen bestehen keine Unterschiede in der Länge der Vorderflügel. Bei beiden Geschlechtern sind die Vorderflügel leicht verhärtet und in ein Dorsalfeld und ein Lateralfeld unterteilt. In Ruhestellung liegen die Dorsalfelder der beiden Flügel waagrecht übereinander, das des rechten Flügels befindet sich dabei über dem des linken Flügels. Die Lateralfelder stehen senkrecht zu den Dorsalfeldern und überdecken die seitlichen Partien des Hinterleibs.

Adultes Weibchen. Auf den Vorderflügeln fehlen Laut gebende Strukturen. Der Legebohrer ist stabförmig und am Ende leicht verdickt
Linker und rechter Vorderflügel eines erwachsenen Männchens.
Mikroskopische Aufnahme der Schrillzähne auf der Schrillader des rechten Flügels.
Paarungsbereites, zirpendes Männchen. Die Vorderflügel befinden sich in der seitlichen Außenposition.

Bei den Weibchen und Männchen unterscheiden sich die Vorderflügel sehr stark. Die Flügel der Weibchen sind durch ein gleichmäßiges Rautenmuster gekennzeichnet (Bild), während bei den Männchen auf dem Dorsalfeld die Strukturen ausgebildet sind, die der Bildung und der Verstärkung der Gesänge dienen (Bild). An der Bildung der Gesänge sind die Schrillader, die Schrillleiste mit den Schrillzähnen oder Lamellen und die Schrillkante beteiligt, an der Verstärkung die Harfe und der Spiegel. Die Schrillader zieht von der Flügelbasis zunächst nach hinten, biegt alsbald in einem scharfen Bogen um und verläuft zum Innenrand des Flügels. Dort befindet sich in unmittelbarer Nähe die verdickte Schrillkante. Der mit Schrillzähnen besetzte Teil der Schrillader ist die Schrillleiste. In diesem Abschnitt sind auf der Unterseite die Schrillzähne angeordnet. Sie bestehen aus einem kräftigen Mittelstück mit zwei seitlichen spitzen Fortsätzen (Bild). Die Anzahl der Schrillzähne auf einer Schrillleiste beträgt im Mittel 215,73 (Extremwerte: 193 bis 260).[1] Unmittelbar an die Schrillader schließt der als Harfe bezeichnete Teil des Flügels an. Er ist durch einige schräg bis wellenförmig verlaufende Adern gekennzeichnet. Darauf folgt der Spiegel, ein durch eine Ader abgegrenzter, annähernd runder Teil des Dorsalfeldes mit einer bogenförmig verlaufenden zentralen Ader. Der hintere Abschnitt des Dorsalfeldes (Apikalfeld) weist ein Netz kleiner Adern auf. Alle diese Strukturen sind auf beiden Flügeln in gleicher Weise ausgebildet.

Die ebenfalls voll ausgebildeten Hinterflügel sind länger als die Vorderflügel, bei den Weibchen (Mittelwert: 18,92 Millimeter) wiederum etwas länger als bei den Männchen (Mittelwert: 17,12 Millimeter). In der Ruhe sind die Hinterflügel längs gefaltet, ihre Spitzen reichen über das Ende des Hinterleibs hinaus. Heimchen sind zwar flugfähig, sie fliegen allerdings höchst selten und nur bei hohen Temperaturen.

Vorkommen

Die Art war ursprünglich vermutlich nur im ariden und semiariden Teil Afrikas verbreitet. Heute kommt sie weltweit vor, in Ostafrika ist sie bis in Höhen von über 2600 Meter nachgewiesen. In kühlen Gebieten wie Mitteleuropa treten die Heimchen besonders in oder in der Nähe von menschlichen Siedlungen (Synanthropie) auf, da sie ansonsten den Winter nicht überleben. Sie bevorzugen Habitate mit hoher Luftfeuchtigkeit, wie etwa Keller, Gewächshäuser oder auch feuchte U-Bahnschächte. Ideale Lebensräume stellen Kompostlager dar, da dort durch die Gärung der Abfälle ganzjährig warme Temperaturen herrschen.

Lebensweise

Heimchen sind lichtscheu und nachtaktiv. Tagsüber verstecken sie sich, sind aber gelegentlich auch im Schatten aktiv. Sie sind Allesfresser, ernähren sich von pflanzlicher und tierischer Nahrung, bevorzugen aber letztere. Da sie ihren Wasserbedarf vornehmlich durch die Nahrung decken, nehmen sie gerne wasserhaltiges Futter zu sich. Sie ernähren sich auch von Lebensmitteln, Abfällen und Aas. Bei massenhaftem Auftreten genügt ihnen minderwertige Nahrung. Kannibalismus kommt ebenfalls vor. Heimchen lassen sich leicht züchten. Bei genügend Wärme, ausreichendem Futter bestehend zum Beispiel aus Salat, Möhren und Haferflocken pflanzen sich die erwachsenen Heimchen problemlos fort, und die Larven aller Stadien entwickeln sich rasch.

Fortpflanzung und Entwicklung

Paarungsbereite männliche Heimchen zirpen ab der Dämmerung bis in die Nacht hinein. Sie äußern den normalen oder gewöhnlichen Gesang. Dieser ist kräftig und monoton. Im Vergleich zum ähnlich klingenden Gesang der Feldgrille ist er jedoch unregelmäßiger in der Zahl und der Länge der Silben und der Intervalle dazwischen.[2] Die dominante Frequenz liegt bei 3800 Hertz.[3]

Beim Zirpen richten die Männchen die Vorderflügel auf, spreizen sie nach außen (Bild) und bewegen sie anschließend gegeneinander nach innen und außen. Dabei streichen die Schrillzähne des rechten Flügels über die Schrillkante des linken Flügels. Die Schalläußerungen entstehen jeweils bei den Einwärtsbewegungen der Flügel.

Paarungsbereite Weibchen wandern zu den zirpenden Männchen. Nach dem Betasten mit den Antennen gehen die Männchen zum Werbegesang über.[4] Daraufhin erfolgt die Begattung, bei der die Männchen jeweils eine Spermatophore mit den darin enthaltenen Spermien auf die Weibchen übertragen.

Die Weibchen legen zwei bis drei Tage nach der Paarung ihre ersten Eier ab. Dies geschieht einzeln oder in Gruppen in feuchte Erde bzw. in Gemüsereste, Sägespäne und ähnliche Substrate. Die Eier sind 0,3 mal 2,3 bis 2,5 Millimeter lang und gekrümmt. Abhängig von der Ernährung des Weibchens werden etwa 1100 Eier nach pflanzlicher Kost und etwa 2600 Eier nach tierischer Kost abgelegt. Die Eier sind gegenüber Feuchtigkeit unempfindlich und nehmen diese auch auf, sodass sie etwa auf das doppelte Gewicht aufquellen. Je nach Temperatur schlüpfen die Larven nach etwa 8,5 (bei 35° C) bis 54 (bei 16° C) Tagen. Sie sind anfangs ca. 2,3 Millimeter lang und dunkelgrau gefärbt. In 87 bis 126 Tagen werden je nach Temperatur und vorgefundener Nahrung 9 bis 16 Larvenstadien durchlaufen, bis sich die Tiere zur Imago häuten.

Gefährdung und Schutz

Das Heimchen ist in Mitteleuropa weit verbreitet und gilt als Kulturfolger als ungefährdet.

Heimchen in der Literatur

Vom Heimchen als Glücksbringer handelt die Novelle Das Heimchen am Herde, eine der fünf Weihnachtsgeschichten von Charles Dickens.

In manchen Übersetzungen von Pinocchio ist die sprechende Grille ein Heimchen.

Im Gedicht "Conquistadores" von Conrad Ferdinand Meyer zeigt das Heimchen des Schiffsküchenjungen die Nähe von Amerika an ("Das Heimchen zirpt").

Belege

Referenzen

  1. 1,0 1,1 Anna Alfonsa Stärk: Untersuchungen am Lautorgan einiger Grillen- und Laubheuschrecken-Arten, zugleich ein Beitrag zum Rechts-Links-Problem. Zoologische Jahrbücher, Abteilung für Anatomie und Ontogenie der Tiere 77, S. 9-50, 1958.
  2. Heiko Bellmann: Der Kosmos Heuschreckenführer, Die Arten Mitteleuropas sicher bestimmen, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co KG, Stuttgart 2006, ISBN 3-440-10447-8.
  3. Max Beier, Franz Heikertinger: Grillen und Maulwurfsgrillen. Die neue Brehm-Bücherei. A. Ziemsen Verlag, Wittenberg Lutherstadt 1954, S. 1-35.
  4. Hans Schneider: Grillen und Heuschrecken: Stimmbegabte Insekten in unserer Heimat. Spessart 105, S. 3-9, 2011.

Literatur

  • Heiko Bellmann: Der Kosmos Heuschreckenführer, Die Arten Mitteleuropas sicher bestimmen, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co KG, Stuttgart 2006, ISBN 3-440-10447-8.
  • Peter Detzel: Die Heuschrecken Baden-Württembergs. Verlag Eugen Ulmer GmbH & Co, Stuttgart 1998, ISBN 3-8001-3507-8.
  • Anna Alfonsa Stärk: Untersuchungen am Lautorgan einiger Grillen- und Laubheuschrecken-Arten, zugleich ein Beitrag zum Rechts-Links-Problem. Zoologische Jahrbücher, Abteilung für Anatomie und Ontogenie der Tiere 77, S. 9-50, 1958.
  • Max Beier, Franz Heikertinger: Grillen und Maulwurfsgrillen. Die neue Brehm-Bücherei. A. Ziemsen Verlag, Wittenberg Lutherstadt 1954, S. 1-35.
  • Hans Schneider: Grillen und Heuschrecken: Stimmbegabte Insekten in unserer Heimat. Spessart 105, S. 3-9, 2011.

Weblinks

Commons: Heimchen – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Heimchen – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen