Karl Astel


Karl Astel (* 26. Februar 1898 in Schweinfurt; † 3. April 1945 in Jena) war ein deutscher „Rassenforscher“ und nationalsozialistischer Rassenhygieniker.

Biografie

In seiner Jugend wurde Astel von seinem Vater, einem "Sicherheitskommissär" und Chef der Städtischen Polizei Schweinfurt, geprägt. Schon früh kam er mit der nationalsozialistischen Bewegung in Kontakt. Während des Medizinstudiums war er als fanatischer Nationalsozialist an häufigen Straßenkämpfen beteiligt. Er war seit 1919 Mitglied im Freikorps Epp und 1920 im Bund Oberland; er beteiligte sich an Einsätzen gegen die Münchner Räterepublik und nahm am Kapp-Putsch sowie 1923 am Hitler-Ludendorff-Putsch teil. Er war Mitglied im Jungnationalen Bund in Schweinfurt, im Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund sowie im Kampfbund für deutsche Kultur[1] 1930 trat er in die NSDAP ein (NSDAP-Nr. 264 619); 1934 folgte die Mitgliedschaft in der SS (SS-Nr. 132 245).

Nach dem Studium war er in München als Sportarzt tätig. 1932 übernahm er die Leitung der „Erbgesundheitlichen Beratungsstelle“ im Rasse- und Siedlungshauptamt der SS (RuSHA). Zugleich war er auch Leiter des Rassehygieneamtes der Reichsführerschule der SA in München. Im Juli 1933 wurde er Präsident des Thüringischen Landesamtes für Rassewesen in Weimar und hat Tausende von Zwangssterilisationen von 1933 bis 1945 zu verantworten. Im Nebenamt war er Richter am Erbgesundheitsgericht in Jena.

Astel wurde am 1. Juni 1934 von Fritz Sauckel ohne Habilitation und ohne reguläres Berufungsverfahren zum ordentlichen Professor an der Medizinischen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena ernannt. Hier erhielt Astel ein eigenes Institut, zunächst „Institut für menschliche Züchtungslehre und Erbforschung“ und seit 1935 „Institut für menschliche Erbforschung und Rassenpolitik“ genannt. Die Antrittsvorlesung des jetzt zum SS-Hauptscharführer Beförderten lautete Rassendämmerung und ihre Meisterung durch Geist und Tat als Schicksalsfrage der weißen Völker. 1936 wurde er zusätzlich Leiter des "Gesundheits- und Wohlfahrtswesens Thüringen".

Von 1939 bis 1945 war Astel Rektor seiner Universität, 1940 wurde er Staatsrat in der Thüringischen Landesregierung, die entsprechend der NS-Zentralisierung nur Dekorationszwecken diente. Von 1942 bis 1945 amtierte er außerdem als Gaudozentenbundführer von Thüringen. 1942 wurde Astel zum SS-Standartenführer ernannt. Seine Arbeit diente jetzt unmittelbar dazu, Verbrechen gegen die Menschheit zu verüben. Mit Unterstützung der SS entwickelte Astel die Universität Jena zu einem einflussreichen, „rassen- und lebensgesetzlich“ ausgerichteten NS-Forschungsverbund. Dabei unterstützten ihn Heinrich Himmler und Adolf Hitler. Er war Mitherausgeber der Zeitschrift Volk und Rasse. Illustrierte Monatsschrift für deutsches Volkstum, Rassenkunde, Rassenpflege. Zeitschrift des "Reichsausschusses für Volksgesundheitsdienst" und der "Deutschen Gesellschaft für Rassenhygiene". im Lehmanns Verlag München.

Am 3. April 1945 erschoss sich Karl Astel in der Nervenklinik von Wolfgang Veil.

Wirken

Astel war einer der führenden nationalsozialistischen Rassenforscher. Nach seiner Ernennung in Jena war seine Arbeit darauf ausgerichtet, die sog. „Rassenfrage“ als Vernichtungsprogramm wissenschaftlich zu untermauern. Dazu bediente er sich des Werks von Ernst Haeckel. Astel und seine Mitstreiter in Jena, unter anderem Heinz Brücher, Gerhard Heberer, Victor Julius Franz, Johann von Leers und Lothar Stengel-von Rutkowski, sahen in Haeckel den Vorkämpfer einer biologistischen Staatsauffassung. So berief sich Astel in einer programmatischen Rede Die Aufgabe, welche er zur Eröffnung des Wintersemesters 1936/37 hielt, auf diese Tradition. Er rief dazu auf, in Jena eine SS-Muster-Universität aufzubauen.

Für Astel ist die "rassische Qualität" der Deutschen im Zerfall begriffen, weil "Naturgesetze" verkannt werden, die "nicht nur für Pflanzen und Tiere, sondern für alle Lebewesen einschließlich des Menschen" absolut gelten. Die so aufgefassten Naturgesetze werden zu Gestaltungsprinzipien von Staat und Gesellschaft. Astel meint:

„Während viele Generationen Trugbildern nachjagten und das Schwache, Kranke, Untüchtige, Sieche, Verbrecherische, Fremdartige durch äußere Maßnahmen vergeblich zu bessern trachteten, trugen sie zu dem empfindlichen Rasseverfall bei, wenn auch größtenteils ungewollt. Die Menschen häuften geradezu mit Anspannung aller Lebenskräfte der Gesunden und Leistungsfähigen beträchtliche Massen von Lebensuntauglichen und Unzulänglichen aller Art an. Diese belasteten und belasten das Volksleben unerhört in kultureller wie in wirtschaftlicher Hinsicht.[2]

Er rief Edelrassige aller Länder dazu auf,

„das unglückliche lebensunwerte Leben, das sich während der Herrschaft der Minderwertigen in ihren Völkern angesammelt hat, gemeinsam wieder (zu) entfernen (…) zum Heile aller. Das ist die frohe Botschaft, die der Nationalsozialismus der leidenden und hoffenden Menschheit zu verkünden hat.[3]

Astel war im SS-Bereich als Rassentheoretiker einflussreicher als Hans F. K. Günther. Ein Beispiel für die aktive Mitgestaltung und Umsetzung von NS-Politik durch diesen Rassenhygieniker ist es, dass die Sippschaftstafel nach Karl Astel von 1933 diejenige war, die später von der Reichsführerschule der SA und dem RuSHA für bevölkerungsstatistische Zwecke übernommen wurde. Diese später als Ahnentafeln bekannten Stammbäume dienten im Nationalsozialismus als sog. Ariernachweis.

Publikationen

  • Rassendämmerung und ihre Meisterung durch Geist und Tat als Schicksalsfrage der weißen Völker. Aus: Schriftenreihe der NS-Monatshefte, Heft 1. Zentralverlag der NSDAP Eher, München 1935. Als Dok. wieder in: Walter Wuttke-Gronenberg, Medizin im Nationalsozialismus. Ein Arbeitsbuch. Schwäbische Verlagsges., Tübingen 1980, 1982 ISBN 3884660063 Dok. 156.
  • Rassekurs in Egendorf. Ein rassenhygienischer Lehrgang des Thüringischen Landesamts für Rassewesen. Bearb. und Hg. Karl Astel, Lehmanns, München 1935.
  • mit Erna Weber: Die unterschiedliche Fortpflanzung. Untersuchung über die Fortpflanzung von 12000 Beamten und Angestellten der Thüringischen Staatsverwaltung., ebd. 1939.
  • "Heraus aus dem Engpaß!" Reden des Reichsverteidigungskommissars des Wehrkreises IV, Reichsstatthalter und Gauleiter F. Sauckel und des Rektors der Universität Jena, Staatsrat Prof. Dr. K. Astel. Deutscher Bund zur Bekämpfung der Tabakgefahren, Berlin 1941.
  • mit Erna Weber: Die Kinderzahl der 29000 politischen Leiter des Gaues Thüringen der NSDAP und die Ursachen der ermittelten Fortpflanzungshäufigkeit. 4. Untersuchung über die unterschiedliche Fortpflanzung in Thüringen. A. Metzner, Berlin 1943.
  • Die Praxis der Rassenhygiene in Deutschland. Rede auf der 1. Wissenschaftlichen Tagung der Deutschen Gesellschaft für Hygiene, Berlin, 5.- 6. Oktober 1938. In: Beiheft zum Reichsgesundheitsblatt, 4. Berlin 1938, S. 65-70.

Literatur

  • Brigitte Jensen: Karl Astel. Ein "Kämpfer für Volksgesundheit". In: Barbara Danckwortt u. a. Hgg., Historische Rassismusforschung. Ideologen, Täter, Opfer. Reihe Edition Philosophie und Sozialwissenschaften EPS, 30. -Argument, Hamburg 1995, ISBN 3-88619-630-5, S. 152–178.
  • Michael Grüttner: Biographisches Lexikon zur nationalsozialistischen Wissenschaftspolitik, Heidelberg 2004, S. 16.
  • Uwe Hoßfeld, Jürgen John, Oliver Lemuth, Rüdiger Stutz Hgg.: „Kämpferische Wissenschaft.“ Studien zur Universität Jena im Nationalsozialismus. Böhlau, Köln 2003 ISBN 3-412-04102-5.
  • Klaus D. Patzwall: Das Goldene Parteiabzeichen und seine Verleihungen ehrenhalber 1934–1944. Patzwall, Norderstedt 2004, ISBN 3-931533-50-6.
  • Erika Krauße Hg.: Der Brief als wissenschaftshistorische Quelle. Reihe: Ernst-Haeckel-Haus-Studien, 8. Wissenschaft und Bildung, Berlin 2005, ISBN 3-86135-488-8.
    • darin Uwe Hoßfeld: Nationalsozialistische Wissenschaftsinstrumentalisierung. Die Rolle von Karl Astel und Lothar Stengel-von Rutkowski bei der Genese des Buches von Heinz Brücher „Ernst Haeckels Bluts- und Geisteserbe“ 1936.
  • Uwe Hoßfeld & Olaf Breidbach: Ernst Haeckels Politisierung der Biologie. Landeszentrale für politische Bildung Thüringen, Erfurt 2005, Reihe: Thüringen. Blätter zur Landeskunde Nr. 54 [4] ZDB-ID 1316491-0)
  • Erich Stockhorst: 5000 Köpfe. Wer war was im Dritten Reich? Arndt, Kiel 2000, ISBN 3-88741-116-1.

Weblinks

Fußnoten

  1. Hans-Christian Harten, Uwe Neirich, Matthias Schwerendt: Rassenhygiene als Erziehungsideologie des Dritten Reichs. Bio-bibliographisches Handbuch. Akademie, Berlin 2006, S. 306. ISBN 978-3-05-004094-3
  2. Wuttke-Groneberg, S. 285f.
  3. Die Antritts-Rede wurde im Völkischen Beobachter am 24. Januar 1935 publiziert, was ihren hohen Stellenwert für den NS markiert, sowie in Nationalsozialistische Monatshefte, dem Funktionärsblatt. Siehe seine Publikationen: "Rassendämmerung..."
  4. nur noch archivarisch verfügbar, online siehe Weblinks