Ludwig Guttmann


Sir Ludwig Guttmann, OBE (* 3. Juli 1899 in Tost in Oberschlesien; † 18. März 1980 in Aylesbury, Buckinghamshire, Vereinigtes Königreich) war ein deutscher Neurochirurg, der in der Zeit des Nationalsozialismus nach England floh, wo er die Grundlagen für die Behandlung Querschnittgelähmter schuf. Er war Förderer des Behindertensports und Begründer[1] der Paralympischen Spiele.

Leben

Guttmann war von 1929 bis 1933 Chefarzt am Wenzel-Hancke-Krankenhaus in Breslau.

Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurde er dort entlassen und arbeitete bis 1939 als Neurochirurg am Jüdischen Krankenhaus in Breslau. Am 8. November 1938 während der Judenverfolgungen der Reichskristallnacht gewährte er dort 64 Juden Zuflucht.[2] Guttmann lernte von dem Pionier der Neurochirurgie Otfried Foerster an dessen Forschungsinstitut, der ihn 1939 zu seinem ersten Assistenten machte.[3]

Im gleichen Jahr 1939 konnte er nach Großbritannien fliehen. 1944 erhielt er von der britischen Regierung den Auftrag, das National Spinal Injuries Centre im Stoke Mandeville Hospital in Aylesbury aufzubauen. Bis 1966 war er dessen Direktor. Guttmann entwickelte bis heute gültige Methoden zur Behandlung von Querschnittgelähmten. Gleichzeitig förderte er die sportliche Betätigung von Behinderten in diesem Zentrum.

Erstmals 1948 führte er die Stoke Mandeville Games für Behinderte durch. Im Gründungsjahr der Spiele nahmen 16 kriegsversehrte Männer und Frauen mit Rückenmarksverletzungen an diesen teil. Die Teilnehmer maßen sich im Bogenschießen.[4] 1952 beteiligten sich bereits 130 Sportler aus verschiedenen Ländern an den Wettkämpfen. 1956 erhielt Ludwig Guttmann den Fearnley Cup als Würdigung seines Beitrags zur Förderung der olympischen Idee.

1960 war Guttmann am Ziel, in Rom wurden erstmals die Paralympischen Spiele durchgeführt.[5] Diese finden seitdem meist nach den Olympischen Spielen in derselben Stadt statt.

Am 15. Februar 1961 gründete Guttmann die British Sports Association for the Disabled (Britischer Behindertensportverband).[6]

Guttmann erhielt hohe britische und internationale Auszeichnungen. Nach ihm ist auch das Ludwig-Guttmann-Haus der Orthopädischen Universitätsklinik Heidelberg benannt.

Ludwig-Guttmann-Preis

Der Ludwig-Guttmann-Preis der Deutschsprachigen Medizinischen Gesellschaft für Paraplegie e.V. „wird für eine hervorragende wissenschaftliche Arbeit auf dem Gebiet der umfassenden Rehabilitation Querschnittgelähmter und der damit verbundenen Forschung verliehen“.[7] (Webseite der DMGP)

Ehrungen

  • Der Begründer der ersten Rehabilationsklinik für Querschnittgelähmte in Spanien Mr. Guillermo González Gilbey, der selbst unter Querschnittlähmung litt und in England bei Ludwig Guttmann große Fortschritte erzielte, benannte 1965[8] diese Klinik in Barcelona Institut Guttmann.[9]
  • 1966 wurde Ludwig Guttmann von Queen Elizabeth The Queen Mother zum Ritter geschlagen.[10]
  • Die BBC drehte über das Leben von Guttmann ein Doku-Dramas The Best of Men, das am 16. August 2012 zum ersten mal ausgestrahlt wurde.[11]
  • Papst Johannes XXIII. würdigte Guttmann als den "Coubertin der Behinderten".[12]
  • In Ludwigshafen am Rhein wurde die Straße, an der die Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Ludwigshafen liegt, nach Ludwig Guttmann benannt. Auch Heidelberg würdigte ihn mit einer Ludwig-Guttmann-Straße.
  • Im badischen Karlsbad wurde eine Schule für Körperbehinderte, die Ludwig Guttmann Schule Karlsbad, Schule für Körperbehinderte ebenso nach ihm benannt wie die Guttmannstraße, an der Schule liegt.[13]
  • Seine Heimatstadt Tost ehrte Guttmann 2007 durch die Benennung einer Straße.

Werke

English

  • 1959. The Place of Our Spinal Paraplegic Fellow-Man in Society: A Survey on 2000 Patients. Dame Georgina Buller Memorial Lecture.
  • 1973. Spinal Cord Injuries: Comprehensive Management and Research. Blackwell Science. ISBN 978-0-632-09680-0.
  • 1973. "Sport and Recreation for the Mentally and Physically Handicapped" in The Journal of the Royal Society for the Promotion of Health. 1973; 93: 208-21.
  • 1976. Textbook of Sport for the Disabled. Aylesbury: HM+M. ISBN 978-0-85602-055-1

Deutsch

  • 1931: Die Schweisssekretion des Menschen in ihren Beziehungen zum Nervensystem; J. Springer, 1931
  • 1933: Motorische und vegetative Grenzzonenreflexe bei Läsionen peripherer und zentraler Abschnitte des Nervensystems, Julius Springer, 1933
  • 1933: Otfried Foerster, Sir Ludwig Guttmann: Cerebrale Komplikationen bei Thrombangiitis obliterans. Verlag von Julius Springer, 1933, 515 Seiten
  • 1971: Ludwig Guttmann, Georg Maurer, J. E. Brocher: Neuro-Traumatologie: Mit Einschluß der Grenzgebiete. Verletzungen der Wirbelsäule und des Rückenmarks. Verletzungen der peripheren Nerven. Band 2 von Neuro - Traumatologie mit Einschluß der Grenzgebiete; Urban & Schwarzenberg, 1971; ISBN 9783541013418
  • 1979: Sport für Körperbehinderte. Urban & Schwarzenberg, 1979 - 184 Seiten

Literatur

  • E. Kreusch, K. L. Lemberg, Volkmann: Das Institut für Rückenmarksverletzte in Stoke-Mandeville. In: Rehabilitation in England, S. 149 f., Schriftenreihe Arbeit und Gesundheit, Bd. 62, Thieme, Stuttgart 1957.
  • Lexikon des Judentums, Bertelsmann-Lexikon-Verlag, Gütersloh 1971, ISBN 3-570-05964-2.
  • Susan Goodman: Spirit of Stoke Mandeville: The Story of Sir Ludwig Guttmann. London 1986, Verlag Collins. ISBN 0-00-217341-7
  • Joseph Walk (Hrsg.): Kurzbiographien zur Geschichte der Juden 1918–1945. hrsg. vom Leo Baeck Institute, Jerusalem. Saur, München 1988, ISBN 3-598-10477-4.
  • Joan Scruton: Stoke Mandeville: Road to the Paralympics. Aylesbury 1998, Verlag The Peterhouse Press. ISBN 978-0-946312-10-8

Einzelnachweise

  1. http://www.paralympic.org/TheIPC/HWA/HistoryoftheMovement
  2. Cherill Hicks: Paralympics founder Sir Ludwig Guttmann’s legacy celebrated in BBC drama. The Paralympic Games were the creation of one remarkable man, whose story is told in a forthcoming BBC drama. in The Telegraph, Online am 3. August 2012
  3. J. R. Silver: History of the treatment of spinal injuries. In: Postgraduate medical journal. Band 81, Nummer 952, Februar 2005, S. 108–114, ISSN 0032-5473. doi:10.1136/pgmj.2004.019992. PMID 15701743. PMC 1743190 (freier Volltext).
  4. Die Anfänge der Paralympics
  5. http://www.paralympic.org/paralympic-games/rome-1960
  6. Nigel Thomas Nigel, Andrew Smith: Disability Sport: Policy and Society: An Introduction. Routledge 2009; Seite 27; Abgerufen am 23. August 2009
  7. Ludwig-Guttmann-Preis der DMGP abgerufen am 3. April 2011
  8. http://www.guttmann.com/en-us/hospital/useful-information/chronology.html
  9. http://www.guttmann.com/en-us/hospital/useful-information/the-history-of-institut-guttmann.html
  10. Honours and Awards. in The London Gazette, No. 43904, Freitag, den 18. Februar 1966; PDF-Datei, abgerufen am 23. August 2012
  11. Cherill Hicks: Paralympics founder Sir Ludwig Guttmann's legacy celebrated in BBC drama. The Paralympic Games were the creation of one remarkable man, whose story is told in a forthcoming BBC drama. in The Telegraph, Online am 3. August 2012
  12. Maria Teresa Lo Bianco: Lo sport agonistico per disabili. in CNOS Sport - Salesiani per lo Sport; Abgerufen am 23. August 2012
  13. http://www.ludwig-guttmann-schule.de/main/hi-impressum/impressum/index.html

Weblinks

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