Natriumazid


Strukturformel
Struktur von Natriumazid
Allgemeines
Name Natriumazid
Summenformel NaN3
Kurzbeschreibung

farbloses Pulver[1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 26628-22-8
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Eigenschaften
Molare Masse 65,01 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Dichte

1,85 g·cm−3 (20 °C)[1]

Schmelzpunkt

275 °C (Zersetzung)[1]

Löslichkeit

gut in Wasser (420 g·l−1 bei 20 °C)[1] und flüssigem Ammoniak, unlöslich in Diethylether[2]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung aus EU-Verordnung (EG) 1272/2008 (CLP) [3]
Gefahrensymbol Gefahrensymbol

Gefahr

H- und P-Sätze H: 300​‐​400​‐​410
EUH: 032
P: 273​‐​309​‐​310 [1]
MAK

0,2 mg·m−3[1]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Natriumazid ist das Natriumsalz der Stickstoffwasserstoffsäure. Es besitzt die Formel NaN3 und gehört zur Stoffklasse der Azide.

Darstellung

Natriumazid entsteht beim Überleiten von Distickstoffmonoxid über Natriumamid bei 180 °C:[5][6]

$ \mathrm {NaNH_{2}\ +\ N_{2}O\ \xrightarrow {180^{\circ }C} \ NaN_{3}\ +\ H_{2}O} $

Als Nebenprodukt entsteht nach folgender Gleichung Ammoniak:

$ \mathrm {NaNH_{2}\ +\ H_{2}O\longrightarrow \ NaOH\ +\ NH_{3}\ ^{\uparrow }} $

Das Ende der Reaktion kann über die ausbleibende Entwicklung von Ammoniakgas bestimmt werden.

Ebenfalls erhält man Natriumazid aus Natriumamid und Natriumnitrat in der Schmelze bei 175 °C. Als Nebenprodukte entstehen Natriumhydroxid und Ammoniak.

$ \mathrm {NaNO_{3}+3\ NaNH_{2}\longrightarrow NaN_{3}+3\ NaOH+NH_{3}} $

Beschreibung/Eigenschaften

In saurer Lösung entsteht aus Natriumazid die explosive Stickstoffwasserstoffsäure HN3. Beim Erhitzen zersetzt es sich ab einer Temperatur von 275 °C.

$ \mathrm {2\ NaN_{3}\longrightarrow 2\ Na+3\ N_{2}} $ (spektralanalytisch reiner Stickstoff)

Das Azid lässt sich allerdings unzersetzt schmelzen und verpufft erst beim stärkeren Erhitzen oder auf kräftigen Schlag.

Das Azidion N3 gehört zu den Pseudohalogeniden. Es verhält sich in vielen Reaktionen ähnlich den Halogenidionen. Das mesomeriestabilisierte Ion ist linear und symmetrisch gebaut, mit einheitlichen Abständen zwischen den Stickstoffatomen. Deren Bindungslänge liegt zwischen der der N-N-Doppel- und Dreifachbindungen. Diese Stabilisierung fehlt bei der freien Säure und bei den Schwermetallaziden.

Anwendung

Natriumazid wird in der industriellen Synthese verwendet zur Darstellung von Bleiazid und Stickstoffwasserstoffsäure sowie von tert-Alkylaziden und anderen organischen Aziden wie Tosylazid (Hunnius, Römpp, Willmes) verwendet.

Die Umsetzung von Carbonylverbindungen mit Stickstoffwasserstoffsäure in stark saurem Medium liefert aus Ketonen unter Wanderung einer Alkylgruppe Amide. Werden Carbonsäuren eingesetzt, so erhält man das um ein Kohlenstoffatom ärmere Amin (Schmidt-Reaktion). Die dazu benötigte Stickstoffwasserstoffsäure wird in situ aus Natriumazid erzeugt. Eine weitere Anwendung ist die Darstellung von Alkylisocyanaten aus Carbonsäurehalogeniden (Curtius-Reaktion).

Des Weiteren wurde Natriumazid bis 1995 in Treibstoffen für Airbags verwendet, um den Luftsack zu füllen.[7]

Analyse

Analytisch macht man sich die Eigenschaft der Azide zunutze, mit Iod nur in Gegenwart von Thiolen beziehungsweise potentiellen Thiolverbindungen (wie Penicillin) zu reagieren (Iod-Azid-Reaktion). Diese Umsetzung ist sehr empfindlich; es entsteht Stickstoff und Iodwasserstoff. Zum Nachweis werden Iodlösung und wässrige Natriumazidlösung zusammengegeben. Dann wird die Probelösung (Mercaptane, Thioether, Disulfide, Thione, S-Heterocyclen) zugegeben. Nach kurzer Zeit entfärbt sich die Lösung unter Gasentwicklung. Es entsteht Stickstoff nach folgender Gleichung:[8]

$ \mathrm {S^{2-}+\ I_{2}\ \longrightarrow \ S\ +\ 2\ I^{-}} $
$ \mathrm {S\ +\ 2\ N_{3}^{-}\longrightarrow \ S^{2-}+\ 3\ N_{2}} $

Biologische Wirkung

Vielfältigen Einsatz findet Natriumazid auch in allen Bereichen, in denen das Wachstum von Mikroorganismen verhindert werden soll. So können mit Natriumazid Gebrauchsmaterialen (Bechergläser etc.) in Labors länger keimfrei gehalten werden. Die Chemikalie wird auch Lösungen, Dispersionen etc. zugesetzt (ca. 0,1–0,001 %), die aufgrund ihrer Zusammensetzung sehr anfällig für mikrobiellen Verderb sind (z. B. Lösungen von Biopolymeren, Proteindispersionen).

Der biochemische Wirkmechanismus besteht in der Störung der Elektronen-Transportkette der Atmungskette. Das Azid-Ion blockiert – wie auch Cyanid und Kohlenstoffmonoxid – die Sauerstoffbindungsstelle im aktiven Zentrum der Cytochrom-c-Oxidase irreversibel. Dadurch kommt die ATP-Produktion zum Erliegen und die Zelle stirbt. Die Cytochrom-c-Oxidase findet sich in den meisten sauerstoffatmenden Organismen, daher ist Azid ein recht universelles Gift – auch für Säugetiere.

Sicherheitshinweise

Aus sauren Natriumazidlösungen wird Stickstoffwasserstoffsäure freigesetzt. Diese ist sehr giftig und verätzt die Schleimhäute. Wasserfreie Stickstoffwasserstoffsäure explodiert beim Erwärmen und bei geringer Erschütterung. Konzentrierte Lösungen dürfen weder erhitzt noch plätschernd umgefüllt noch mit dem Gefäß hart aufgesetzt werden. Natriumazid hemmt spezifisch Enzyme, die Schwermetalle enthalten und wirkt daher toxisch. Das Azidion hat zudem einen stark blutdrucksenkenden Effekt. Schon die Inhalation oder die orale Aufnahme kleiner Mengen (beispielsweise 1,5 ml 10 %ige Lösung) hat starke Vergiftungserscheinungen zur Folge. Stickstoffwasserstoffsäure und ihre Lösungen riechen unerträglich stechend und rufen bei Exposition Schwindel, Kopfschmerz und Hautreizung hervor.

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 Eintrag zu CAS-Nr. 26628-22-8 in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA (JavaScript erforderlich)
  2. Thieme Chemistry (Hrsg.): RÖMPP Online - Version 3.5. Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart 2009.
  3. 3,0 3,1 Referenzfehler: Es ist ein ungültiger <ref>-Tag vorhanden: Für die Referenz namens ESIS wurde kein Text angegeben.
  4. Datenblatt Natriumazid (PDF) bei Carl Roth
  5. Jander, Blasius, Strähle: Einführung in das anorganisch-chemische Praktikum. 14. Auflage. Hirzel, Stuttgart 1995, ISBN 978-3-77-760672-9, S. 205.
  6. G. Brauer (Hrsg.), Handbook of Preparative Inorganic Chemistry 2nd ed., vol. 1, Academic Press 1963, S. 474-5.
  7. http://www.abfallbewertung.org/repgen.php?report=ipa&char_id=1601_Auto&lang_id=de&avv=&synon=&kapitel=3&gtactive=no
  8. Jander, Blasius, Strähle: Einführung in das anorganisch-chemische Praktikum. 14. Auflage. Hirzel, Stuttgart 1995, ISBN 978-3-77-760672-9, S. 300.

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