Pilatussee
Der sagenumwobene Pilatussee existiert heute nur noch als Hochmoor in den Emmentaler Alpen. Er lag gemäss Berichten auf der Oberstafel Oberalp (1548 m) an der Ostseite des Pilatus-Massivs und gehörte zum Gemeindegebiet Schwarzenberg im Kanton Luzern, Schweiz.
Der Sage nach soll im See der Präfekt Roms in Jerusalem Pontius Pilatus bestattet worden sein. Damit seine Totenruhe nicht gestört werde, was Unwetter zur Folge gehabt hätte, hatte der Stadtrat von Luzern bis ins 16. Jahrhundert das Besteigen des Pilatus und den Zugang zum See verboten. 1594 beschloss der Luzerner Rat, den See durch Grabungen trocken zu legen. Die lokale Bevölkerung habe ihn und die von ihm vermeintlich ausgehenden Gefahren daraufhin schnell vergessen. Hingegen reisten 1842 noch Pilger von Rom nach Luzern, um diesen See und den Berg zu besuchen.[1]
Mit einer Schutzverordnung hat der Regierungsrat des Kantons Luzern 1979 den ehemaligen Pilatussee unter Schutz gestellt.
Die Sage um den Pilatussee
(Hugo Nünlist, Bruder von Robert Nünlist: Der Pilatus und seine Geheimnisse S. 22 ff.)
Die Oberalp blieb durch Jahrhunderte totenstill und berüchtigt. Mancher Senn getraute sich nicht, dort sein Vieh zu sommern. Wenn von ihr die Rede war, bemächtigte sich vieler eine unerklärliche Angst; denn Wettertannen umstanden auf einer flachen Anhöhe drei Bergseen. Es waren hässliche Sümpfe, die Schrecken verbreiteten. Unwetter brauten sich hier zusammen, so dass Überschwemmungen und namenloses Elend daraus folgten. Man verfocht die Meinung, wer laut riefe oder mutwillig Steine, Holz und Erde in den Bergsee würfe, würde dadurch Unheil stiften. «Grusame (grausame), ungestüme wätter von Hagel, windschlegen (Windstössen) und anlaufen der bergwasser» waren das Ergebnis.
In diesem garstigen Alpenpfuhl lag nämlich die Leiche des römischen Präfekten Pilatus aus Palästina. Hier hatte sie endlich ihr Grab erhalten, nachdem sie an andern Orten, in Rom, Vienne und bei Lausanne nicht mehr geduldet worden war. Aber niemand durfte die Totenstätte aufsuchen, den Leichnam belästigen oder ihn durch den Wurf eines Gegenstandes stören. Sonst brach der Geist gereizt hervor, um heftige Stürme in das Unterland zu senden und es zu verwüsten. Er zersprengte Viehherden, jagte sie in alle Tobel hinein und hetzte die Tiere über Felsen in die Schluchten. Er liess stechendes Ungeziefer und Schmeissfliegen auf die entsetzten Hirten los, um sie aus der Umgebung zu vertreiben. Aus der Ferne hatte man die arggequälte Seele schon erspäht. Es war eine Erscheinung wie die eines Geistes, mit wallendem, taubengrauem Haar und Bartsträhnen. Der struppige Geist sass manchmal auf einem Sessel mittem im greulichen Sumpf. Er war bekleidet mit einem weissen Hemd oder wie ein Fürst von einem purpurnen Gewand umhüllt und träumte aus hohlen Augen in die Runde. Er versuchte jeweils, die blutbefleckten Hände im Teich zu waschen, doch umsonst. Die Schuld würgte ihn weiter; er härmte sich ab. Bald hockte er vermummt und gelangweilt auf einem Stein am Uferbord, bald tappte er ruhelos und von Groll durchdrungen im Föhrenwald umher.
Bisweilen raffte sich das Gespenst auf, erstieg den Berg und kauerte auf einer Felsplatte hoch über dem Moor. Dort brütete er vor sich hin. Diese Platte wackelte nachher noch während vieler Jahre. Deswegen nannte man den Gipfel Gnepf- oder Gnappstein. Gnappen bedeutet wackeln. Der Blitz spaltete einst die Steintafel, so dass sie in den Abgrund zur Trockenmatt stürzte. Auf dem Berg trifft man jetzt nur noch Blockwerk an. ... .Jener Geist trieb sein Unwesen jahrhundertelang. In Luzern erliess man ein Verbot, den Alpensee zu besuchen. Die Verordnung lautete: Die Sennen, Handknaben und alle jene, die bei ihnen sind, werden verpflichtet, «gar niemandt uff den berg, noch zum see wandlen ze lassen». Wer sich ohne ausdrückliche Erlaubnis des Rates der Stadt hinaufbegab, wurde bestraft. Im Jahre 1564 legte man zwei Männer in den Turm, warf sie also ins Gefängnis, weil sie heimlicherweise den See betrachtet hatten und hernach Gewitter und Ungemach losgebrochen waren. Als aber die Seelein verlandeten und nur noch glucksende Pfützen oder «wasserschweizinen» (Wasserbrühen) waren, hob man das Verbot im Jahre 1594 auf. Die Sennen wurden des Eides entbunden. Man befahl ihnen, «diesen sew (See) oder güllen (Mistwasser oder Jauche) uszugraben». Binsen wuchsen ja bereits heraus, und die Lachen durchwatete man, ohne den Geist herauszufordern.
Der Name des Geistes aber hat sich auf die ganze Bergkette übertragen. Der Gebirgsstock hiess vorher Brochenberg oder «fractus mons», die Volkssprache machte diesen Begriff mundgerecht und verwandelte das Wort in «Fräkmünt». Heute erinnern noch zwei Alpgüter an den ursprünglichen Namen Fräkmünt.
Anreise
Die Oberalp mit dem ehemaligen Pilatussee lässt sich nur zu Fuss erreichen. Wanderwege führen von der Pilatus-Bergstation durch das Gebiet der 1961 wieder angesiedelten Steinböcke (Anspruchsvoller Gipfelweg mit heiklen Traversierungen), von der Station Fräkmüntegg, von der Lütoldsmatt, Alpnach, vom Eigental, oder gar von Kriens oder Luzern in mehreren Stunden zur Oberalp.
Literatur
- Hugo Nünlist: Der Pilatus und seine Geheimnisse, Sauerländer und Co, Aarau o.J.
- Hans Pfister: Pilatusalpen - Sömmerungsbetriebe rund um den Berg, Eugen Haag Verlag, Luzern 1982
- Hans Pfister: Pilatus, Sagen und Geschichten, Verlag Eugen Haag, Luzern 1991
- P.X. Weber: Der Pilatus und seine Geschichte, Verlag Eugen Haag, Luzern 1913
- Peter A. Meyer: Der Pilatus zwischen Mystik und Tourismus - Festschrift, LIGRA-Verlag, Luzern 1995
Einzelnachweise
- ↑ Heilige-Quellen.de: Magischer Pilatussee. Abgerufen am 30. August 2009.
Weblinks
Koordinaten: 46° 58′ 12″ N, 8° 12′ 16″ O; CH1903: 658277 / 202387