Reafferenzprinzip


Das Reafferenzprinzip ist ein Regelprinzip, welches es dem Zentralen Nervensystem ermöglicht, erwartete Reize auszublenden. Aufgrund des Reafferenzprinzips lässt sich erklären, warum zum Beispiel bei einer Augenbewegung die Umwelt unbeweglich wahrgenommen wird, obwohl die Vorgänge auf der Netzhaut sich nicht von einer Bewegung der Umwelt unterscheiden.

Das Reafferenzprinzip

Grundidee des Reafferenzprinzips ist, dass übermittelte Befehle (Efferenzen) an Muskeln als Kopie (Efferenzkopie) an das System weitergeleitet werden, welches die Informationen des zugehörigen Sensors (Afferenzen) verarbeitet. Diese Kopie wird nun mit der Antwort des Sensors auf die Efferenz, die sogenannte Reafferenz, verrechnet, und nur der Unterschied (Exafferenz) wird weitergegeben. Um beim obigen Beispiel der Augenbewegung zu bleiben: Die Muskeln des Auges bekommen den Auftrag, das Auge um 10° nach links zu drehen. Diese Information wird an ein Bildverarbeitungszentrum weitergeleitet, welches zudem von der Retina ein um 10° verschobenes Bild bekommt. Da beide Informationen zueinander passen, wird die Bildverschiebung durch die Efferenzkopie ausgelöscht und nicht wahrgenommen. Würde die Retina ein um 13° verschobenes Bild liefern, würde das Bildverarbeitungszentrum nur eine Verschiebung um 3° wahrnehmen, und nur diese Exafferenz wird an die höheren Wahrnehmungszentren weitergegeben.

Allgemeine Fassung

Allgemein wird von Zentren gesprochen:

Von der Efferenz E für eine Bewegungsfolge, die von einem übergeordneten nervösen Zentrum Zn ausgeht, wird in bestimmten untergeordneten Zentren eine Efferenzkopie EK angelegt.

In Wechselwirkung mit dieser und der Reafferenz A des Effektors EFF, nehmen wir einen Bewegungserfolg wahr. Damit können Bewegungsabfolgen, die von anderen übergeordneten Zentren oder von außen beeinflusst werden, kontrolliert und geregelt werden.

Die Efferenzkopie ist dabei der Soll-Zustand, die Position des Effektors der Ist-Zustand, ein Unterschied zwischen beiden die Exafferenz M.

Geschichte

Das Prinzip wurde 1950 von Erich von Holst und Horst Mittelstaedt postuliert,[1] die Efferenzkopie wurde 1954 von Erich von Holst entdeckt.[2]

Weitere Beispiele

Das Konzept der Efferenzkopie eignet sich auch, um weitere Effekte zu erklären:

  • Es ist den meisten Menschen nicht möglich, sich selbst zu kitzeln, da der Körper die Berührungen der eigenen Hand erwartet.[3]
  • Tiere mit aktiven Sensoren (zum Beispiel die Echoortung der Fledermäuse) haben das Problem, dass ihre Sensoren eigentlich nur ihr eigenes Signal beim Aussenden wahrnehmen können. Durch das Reafferenzprinzip ist es jedoch möglich, die erwartete Antwort der Sensoren von der Efferenzkopie "abzuziehen" und so nur die tatsächliche Antwort der Umgebung wahrzunehmen. Curtis Bell zeigte dies 1982 sehr eindrucksvoll an der elektrischen Wahrnehmung des Elefantenrüsselfisches.[4]
  • Grillen können ihren eigenen Gesang neuronal aus der eigenen Wahrnehmung "ausblenden".[5]

Einzelnachweise

  1. E. von Holst und H. Mittelstaedt: Das Reafferenzprinzip in: Die Naturwissenschaften 1950, 37 DOI 10.1007/BF00622503
  2. Von Holst, E. (1955). Relations between the Central Nervous System and the Peripheral Organs. British Journal of Animal Behaviour, 2(1954), 89-94
  3. Sarah-Jayne Blakemore, Wolpert, Daniel; Frith, Chris: Why can't you tickle yourself? In: NeuroReport. 11. Jahrgang, Nr. 11, August 2000 (cam.ac.uk [PDF; abgerufen am 18. Februar 2012]).
  4. Bell, Curtis (1982) Properties of a modifiable efference copy in an electric fish J Neurophysiol 47, 1043-1056
  5. Poulet & Hedwig (2002) A corollary discharge maintains auditory sensitivity during sound production. Nature 418, 872-876

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