Schweizer Landeskoordinaten
Die Schweizer Landeskoordinaten, mit CH1903 oder LV03 für «Landesvermessung 1903» abgekürzt, auch bezeichnet als Militärkoordinaten oder Swiss Grid[1] gehören zu einem Koordinatensystem, welches bei der amtlichen Vermessung und auf vielen Karten der Schweiz verwendet wird. Auch das Fürstentum Liechtenstein verwendet diese Koordinaten, in der älteren, heute in der Schweiz selbst nicht mehr üblichen Version der Schweizerischen Zivilkoordinaten (Liechtensteinisches Referenzsystem).
CH1903 basiert auf dem Bessel-Ellipsoid und einer schiefachsigen, winkeltreuen Zylinderprojektion (Mercatorprojektion). Da die Schweiz ziemlich klein ist, lässt sich eine einfache Kartenprojektion aus dem Ellipsoid vornehmen. Das neuere System, das in Umstellung ist, ist das der Landesvermessung 1995 (LV95), in der Form CHTRS95 (Swiss Terrestrial Reference System 1995) und CH1903+.
Kartenprojektion
Der Fundamentalpunkt für dieses Koordinatensystem ist die ehemalige Sternwarte in Bern, an deren Stelle sich heute das Gebäude für Exakte Wissenschaften der Universität Bern befindet. Seine Koordinaten sind in Metern auf 600000 / 200000 festgelegt. Das geodätische Datum beruht auf der Landestriangulation der Jahre 1903 bis 1939 (LV03). Der Netzmassstab ergibt sich aus den drei 1880/81 gemessenen Basislinien in Aarberg, Bellinzona und Weinfelden. Sie sind aus einem grossen Umkreis direkt einsehbar und innerhalb des Landes gut verteilt.
Für die Projektion wird zunächst das Besselellipsoid auf eine Kugel und von dieser auf einen die Kugel im Meridian von Bern berührenden Zylinder abgebildet. Der Berührungskreis von Kugel und Zylinder ist ein Grosskreis und schneidet den Meridian von Bern rechtwinklig. Bei dieser Doppelprojektion fällt die Zylinderachse nicht mit der Erdachse zusammen. Die Achsen bilden einen Winkel der dem Breitengrad von Bern entspricht. Von diesem Schnittpunkt von Meridian und Grosskreis aus, weist die erste Koordinatenachse („y-Achse“, abgewickelter Grosskreis) in östlicher Richtung (false easting) und die zweite Koordinate („x-Achse“, 7° 26' Ost, «Berner Meridian») nach Norden (false northing). x- und y-Achse sind also im Vergleich zur mathematischen Konvention vertauscht.
Der Nullpunkt Bern bildete den Koordinatenursprung der «Zivilkoordinaten». Die «Militärkoordinaten» erhält man durch einen Zuschlag von y = 600 km und x = 200 km. Die Vorteile der Militärkoordinaten wurden auch in der amtlichen Vermessung erkannt und es wurde 1918 einheitlich auf die «Militärkoordinaten» umgestellt. Die amtliche Vermessung von Liechtenstein blieb bei den «Zivilkoordinaten». Eine Verwechslung der Koordinaten ist auf dem Gebiet des Fürstentums nicht möglich. Eine Umstellung wurde daher nicht für nötig befunden. [2]
Die Koordinate 0/0 (Nullpunkt) der «Militärkoordinaten» liegt in der Nähe von Bordeaux in Frankreich.[3] Der Ausgangspunkt und somit auch der daraus folgende Nullpunkt bei Bordeaux wurden bewusst so gewählt, dass die Fehlerquote bei der Bestimmung und Übermittlung der Koordinaten eines beliebigen Punktes der Schweiz möglichst klein sein sollte. Dieses System erfüllt folgende Vorgaben:
- Der Nullpunkt ist so festgelegt, dass sich das ganze Land im ersten Quadranten des Koordinatensystems befindet. Damit sind die Koordinatenwerte innerhalb des Landes immer positiv.
- Das ganze Land liegt südlich und östlich einer vom Nullpunkt aus nach Nordosten laufenden Linie, also in der unteren Hälfte des Quadranten. Damit wird erreicht, dass der Wert der y-Koordinate innerhalb des Landes immer grösser ist als derjenige der x-Koordinate.
- Der nördlichste und der östlichste Punkt liegen weniger als 1000 km von den Achsen entfernt, womit alle Punkte in der Schweiz maximal sechsstellige Koordinaten aufweisen.
Höhenmarke des dazugehörigen Nivellements ist in einem Felsen im Hafenbecken von Genf, dem Pierre du Niton, mit einer Höhe von 373.60 m über dem Mittelwasser im Hafen von Marseille.
Beispielkoordinaten:
- Rigi y=679520, x=212273
- Zürich-Seebach y=684592, x=252857
- Bern y=600000, x=200000 (Sidlerstr. 5, 3012 Bern, Universität Bern, exakte Wissenschaften. WGS84: 46.9510827861504654, 7.4386324175389165)
- Vaduz LI y=158008, x=23061 (CH1903: y = 758008, x= 223061)
Anwendungsgebiete
CH1903 ist das "amtliche" Koordinatensystem in der Schweiz. Das Amt für Raumordnung und Vermessung, das Bundesamt für Statistik und viele andere Behörden benutzen CH1903 für die Georeferenzierung. So benutzt die amtliche Landeskarte der Schweiz die Schweizer Landeskoordinaten. Auch Rettungsdienste von Liechtenstein und der Schweiz verwenden ausschliesslich dieses Koordinatensystem. Die Schweizer Landeskoordinaten finden des Weiteren Anwendung bei der Schweizer Armee, den Grenzwachtkorps, beim Zivilschutz, der REGA, den Kantonspolizeien und sonstigen schweizerischen Rettungsdiensten.
Die liechtensteinische Landesvermessung, und damit das gesamte Vermessungs- und Kartenwesen, verwendet noch die Schweizerischen Zivilkoordinaten mit Bezug Bern.[2]
Umrechnung WGS84 auf CH1903
Berechnungsgrundlagen
Die Umrechnung von den ellipsoidischen WGS84-Koordinaten auf die Schweizer Projektionskoordinaten (CH1903) kann mittels einer Näherungsformel leicht bewerkstelligt werden. Mit den unten beschriebenen Formeln ist eine Genauigkeit von etwa einem Meter möglich.
1. Koordinaten werden in Sexagesimalsekunden umgerechnet. Ergebnis: Breite φ und die Länge λ.
2. Es werden die Hilfsgrössen φ' und λ' aus φ und λ gebildet. Die Formeln dazu sind:
- $ \phi '={\frac {\phi -169028.66}{10000}} $
- $ \lambda '={\frac {\lambda -26782.5}{10000}} $
3. Schliesslich werden die Schweizer Koordinaten ($ x $ und $ y $ in m) berechnet:
- $ {\begin{matrix}x&=&200147.07\\\ &+&308807.95\cdot \phi '\\\ &+&3745.25\cdot \lambda '^{2}\\\ &+&76.63\cdot \phi '^{2}\\\ &+&119.79\cdot \phi '^{3}\\\ &-&194.56\cdot \lambda '^{2}\cdot \phi '\end{matrix}} $
- $ {\begin{matrix}y&=&600072.37\\\ &+&211455.93\cdot \lambda '\\\ &-&10938.51\cdot \lambda '\cdot \phi '\\\ &-&0.36\cdot \lambda '\cdot \phi '^{2}\\\ &-&44.54\cdot \lambda '^{3}\end{matrix}} $
Beispiel
Praxisbeispiel: Zentrum von La Chaux-des-Breuleux auf
- φ = 47° 13' 15" N
- λ = 7° 1' 41" E
Umwandlung in Sexagesimalsekunden:
- φ = (47*3600) + (13*60) + 15 = 169995
- λ = (7*3600) + (1*60) + 41 = 25301
Berechnung der Hilfsgrössen:
- φ' = (169995 - 169028.66) / 10000 = 0.096634
- λ' = (25301 - 26782.5) / 10000 = -0.14815
Berechnung der Meterkoordinaten:
- x = 200147.07 + 308807.95 · φ' + 3745.25 · λ'2 + 76.63 · φ'2 + 119.79 · φ'3 - 194.56 · λ'2 · φ'
- x = 230071
- y = 600072.37 + 211455.93 · λ' - 10938.51 · λ' · φ' - 0.36 · λ' · φ'2 - 44.54 · λ'3
- y = 568902
Die Landeskoordinaten von La Chaux-des-Breuleux sind demnach 568'902 / 230'071.
Liechtenstein
Diese Werte für Bern (600.000/200.000) müssen zu den liechtensteinischen Landesvermessungskoordinaten dazugezählt werden. Der Hochwert (x-Koordinate, immer kleiner als 100.000) wird nur fünfstellig angegeben, beide Koordinaten in Metern.
Beispiel Vaduz:
- Liechtensteinisches Referenzsystem: 158008 / 23061
- 158008 + 600000 = 758008
- 23061 + 200000 = 223061
- Schweizer Militärkoordinaten: 758'008 / 223'061
Landesvermessung 1995
Die Landesvermessung LV95 führte zwei neue Bezugssysteme ein, welche das historische, auf Landestriangulation beruhende System ablösen sollen.
- CHTRS95 (Swiss Terrestrial Reference System 1995) ist eng an das europäische Bezugssystem ETRS89 angelehnt. Der Referenzrahmen ist so definiert, dass beide Systeme zum Zeitpunkt $ t_{0}=1993.0 $ identisch sind.
- Das lokale Bezugssystem CH1903+ verwendet dasselbe Ellipsoid wie CH1903 (Bessel 1841). Es wurde eine möglichst gute Übereinstimmung mit dem bestehenden System angestrebt. Allerdings erhalten die projizierten Koordinaten zur eindeutigen Unterscheidung einen zusätzlichen Offset von 2'000 km bzw. 1'000 km. Damit hat das Projektionszentrum in der alten Sternwarte Bern die Koordinaten 2'600'000 m / 1'200'000 m. Der Fundamentalpunkt wurde allerdings nach Zimmerwald verlegt, da der alte Fundamentalpunkt heute nicht mehr nutzbar ist.
Zur Umrechnung von CH1903+ nach CH1903 müssen die lokalen Verzerrungen des über 100 Jahre alten Systems nachgebildet werden. Mit Hilfe eines Transformationsdatensatzes können die Korrekturen von bis zu 1,6 m nach einem klar definierten Algorithmus berechnet werden.
Zeitrahmen der Umstellung
Ca. 2005 wurde mit der Umstellung auf den neuen Bezugsrahmen begonnen. Nach der Geoinformationsverordnung, Art. 53,[4] müssen die Daten der amtlichen Vermessung spätestens bis Ende 2016 (Referenzdaten) bzw. Ende 2020 (übrige Geobasisdaten) von CH1903/LV03 nach CH1903+/LV95 überführt sein. Diese Umstellung wird auch Liechtenstein mitmachen.[2]
Beispielkoordinaten
Messpunkt | ETRS89 | CH1903 | CH1903+ | |||
---|---|---|---|---|---|---|
Zimmerwald | 7°27′54,983506″E | 46°52′37,540562″N | y=602 080,680 | x=191 775,030 | E=2 602 080,740 | N=1 191 775,030 |
Bern | 7°26′19,076715″E | 46°57′3,897982″N | y=600 000,000 | x=200 000,000 | E=2 600 000,000 | N=1 200 000,000 |
Pfänder | 9°47′3,697723″E | 47°30′55,172797″N | y=776 668,105 | x=265 372,681 | E=2 776 668,590 | N=1 265 372,250 |
Monte Generoso | 9°1′16,389053″E | 45°55′45,438020″N | y=722 758,810 | x=87 649,670 | E=2 722 759,060 | N=1 087 648,190 |
- Quelle: Swisstopo[5]
Literatur
- Gubler et al.: Eidgenössische Landestopographie 1976 und 1984, 1996.
Weblinks
- NAVREF – Umrechnungsformular Schweizer Landeskoordinaten (CH1903) ⇔ WGS84
- Die Schweizerische Kartenprojektion – Amtliche Definition der Schweizer Landeskoordinaten
- Formeln und Konstanten für die Berechnung der Schweizerischen schiefachsigen Zylinderprojektion und der Transformation zwischen Koordinatensystemen – Bundesamt für Landestopografie swisstopo (Oktober 2008; PDF-Datei; 475 kB)
GIS und Werkzeuge:
- map.geo.admin – Offizielle Schweizer Geoinformationsplattform (mit x-y-Koordinatenabfragewerkzeug)
- Liechtensteinisches Geodatenportal, GIS des Tiefbauamtes (Koordinaten unter Vorlage:Taste «Messen»)
- Koordinator – Google-Maps-Modifikation für Schweizer Landeskoordinaten
- CHCalcDist – Mit Schweizer Landeskoordinaten Distanzen berechnen und Orte bestimmter Distanz selektieren
Einzelnachweise
- ↑ nicht zu verwechseln mit Swissgrid, dem schweizerischen Übertragungsnetzbetreiber
- ↑ 2,0 2,1 2,2 Liechtensteinische Landesvermessung: Allgemeines
- ↑ Thomas Dähler: Der schweizerische Koordinatennullpunkt bei Bordeaux Schweizerische Bauzeitung, Band 93 (1975), Heft 14 (retro.seals.ch, PDF 2.4 MB)
- ↑ Art. 53 Übergangsbestimmungen SR 510.620 Verordnung über Geoinformation
- ↑ pdf, swisstopo.admin.ch