Spätblühende Traubenkirsche
Spätblühende Traubenkirsche | ||||||||||||
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Spätblühende Traubenkirsche (Prunus serotina) | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Prunus serotina | ||||||||||||
Ehrh. |
Die Spätblühende Traubenkirsche (Prunus serotina), auch Späte Traubenkirsche oder Amerikanische Traubenkirsche genannt, ist eine Pflanzenart aus der Gattung Prunus. Sie stammt aus Nordamerika. In Europa zählt sie zu den problematischen Neophyten.
Neben der Spätblühenden Traubenkirsche gibt es auch die Gewöhnliche Traubenkirsche, eine heimische Pflanze mit ähnlichen Eigenschaften.
Vorkommen
Ursprünglich in Nordamerika beheimatet, hat sich die Spätblühende Traubenkirsche in Europa stark selbständig ausgebreitet und kommt in lichten Wäldern, in Ufergebüschen sowie als Zierstrauch oder -baum in Gärten vor. Die Traubenkirsche eignet sich auch als Pionierbesiedler von Flächen, ist aber schlecht einzudämmen, wenn sie auf einen gut geeigneten Lebensraum trifft. Sie zählt zu den Bienennährgehölzen, der Nektarwert ist mäßig, der Pollenwert schlecht. Die Traubenkirsche liebt feuchte Sand- und Lehmböden (Boden-pH sauer bis schwach basisch) des Tieflands und kann auch mit gelegentlichen Überschwemmungen leben. Sie verträgt Sonne bis lichten Schatten, wächst gut im Stadtklima und ist windfest durch ihre herzförmige Wurzel. Gegenüber Winter- und Spätfrosten zeigt sie sich relativ unempfindlich.
Beschreibung
Habitus
Die raschwüchsige Spätblühende Traubenkirsche ist in Europa ein Strauch bis kleiner Baum, der Wuchshöhen von maximal 20 Meter erreicht; in ihrer Heimat Nordamerika kommen Exemplare mit Wuchshöhen von bis 35 Meter vor. Die Späte Traubenkirsche bildet eine längliche Krone und eine dichte Belaubung aus. Ihre relativ kurzen Äste sind waagrecht ausgerichtet und dunkelbraun berindet. Die jungen Triebe sind unbehaart. Die Langtriebe besitzen eine Endknospe.
Blätter
Die wechselständig angeordneten Laubblätter besitzen einen etwa 6–25 mm langen, mit zwei bis vier Drüsen versehenen Blattstiel. Die Blattspreite wird etwa 4–12 cm lang. Ihre Form variiert von länglich-eiförmig bis länglich-lanzettlich. Sie besitzt eine keilförmige Basis und verläuft zur Spitze hin zugespitzt. Der Blattrand ist gezähnt. Die kleinen, knorpeligen Zähne sind nach innen gekrümmt. Die Blattunterseite ist hellgrün gefärbt. Entlang der Mittelrippe stehen gelbliche Härchen. Die Blattoberseite zeigt eine glänzende (!, im Gegensatz zur heimischen Gewöhnlichen Tr.) dunkelgrüne Farbe.[1] Im Herbst nehmen die Blätter lebhaft gelbe bis orange Farben an. Sie wachsen nicht nur an Zweigen und Ästen, sondern sind als kleine Blättchen auch an den Fruchttrauben zu finden.
Blütenstand und Blüten
Zwischen Mai und Juni entwickeln sich die weißen, duftenden Blüten, die an 3–8 mm langen Stielen in walzenförmigen, 6–15 cm langen Trauben mit bis zu 30 Blüten vereint sind. Die Trauben stehen zunächst aufrecht, orientieren sich dann im weiteren Verlauf nach unten, bis sie schließlich zu Ende der Blühperiode überhängen. Am Grund der Trauben befinden sich Laubblätter mit einem Durchmesser von etwa 8–10 mm und kleinen Tragblättern.
Frucht
Die Früchte sind zuerst hellrote, dann violett-rote, bei der Reife schwarze Steinfrüchte bis 1 cm Größe. Die Kirschen haben an der dem Stiel gegenüberliegenden Seite eine kleine, kreisförmig eingezogene Delle und am Stielansatz kleine Kelchblätter. Die Kirschkerne sind kleiner als durchschnittlich große Sauerkirschkerne und etwas länglicher. Die essbaren Kirschen reifen Ende Juli bis Ende August, sind aromatisch-süß, haben aber oft einen unangenehm bitteren Nachgeschmack. Sie können als Obst gegessen, zu Säften oder Mus verarbeitet werden (ähnlich wie Schlehen). In skandinavischen Ländern werden Destillate aus den schwarzen Beeren hergestellt. In den USA finden die Früchte bei der Aromatisierung von Rum und Brandy Verwendung. Besonders die Samen in den Steinkernen, viel weniger auch Blüten und Rinde, enthalten cyanogene Glykoside und sind für Mensch und Tier giftig. Der Verzehr kann zu Vergiftungserscheinungen führen.
Synökologie
Die Spätblühende Traubenkirsche gilt als Wirtspflanze für die Blattlaus Myzus persicae, die eine Viruserkrankung der Zuckerrübe überträgt.
Geschichte
Bereits 1623 wurde die Spätblühende Traubenkirsche nach Europa gebracht. Erste Erwähnungen für Deutschland stammen aus dem Jahr 1685. Der Anbau erfolgte als Ziergehölz in Gärten und Parks. Da der Baum in seiner Heimat auf armen Böden gute Wuchsleistungen erbringt und wertvolles Holz liefert, erhoffte man ähnliche Eigenschaften beim Anbau in Deutschland. Im späten 19. Jahrhundert wurde im Rahmen sogenannter Fremdländerversuchsanbauten die Eignung für die Forstwirtschaft getestet. Allerdings stellte sich heraus, dass die Pflanze unter hiesigen Verhältnissen in der Regel mehr oder weniger nur strauchförmig wächst. In den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts begann man in den Niederlanden mit großflächigen Anpflanzungen. Man erhoffte sich eine Erhöhung der Bodenfruchtbarkeit in Nadelbaumkulturen, auf Heideflächen und auf windexponierten Standorten. Bis in die 50er Jahre wurde mit der Späten Traubenkirsche aufgeforstet.
Unmittelbar danach begann die Bekämpfung als schädlicher Neophyt – so in den Niederlanden seit 1963 als bospest (dt. „Waldpest“) –, da die Spätblühende Traubenkirsche eine dichte Strauchschicht bildet, die viele forstwirtschaftliche Arbeiten erschwert und andere Gehölze bei der Naturverjüngung behindert. Die Bekämpfung zeigte zuerst beträchtliche Erfolge, da sich große Berge Gestrüpps ansammelten. Die Spätblühende Traubenkirsche bildet aber aus versehentlich vergessenen Wurzelstücken sehr vitale Wurzelbrut, die schneller wachsen und dichtere Bestände bilden als Kernwüchse. Herbizide erwiesen sich als wenig brauchbar, da sie andere Gewächse ebenso schädigten und sich nachteilig auf den Boden auswirkten. Erfolgreich war nur eine komplizierte Methode aus sorgfältigem Absägen der Stämme, gezieltem und nicht zu großflächigem Ausbringen von Herbiziden sowie die Abdeckung der Stubben mit Folien, um den Stockausschlägen das Licht zu nehmen. Diese Art der Bekämpfung ist aufwändig und teuer. Einige Fachleute sind der Meinung, dass sich die Bestände der Spätblühenden Traubenkirsche von allein wieder lichten, wenn man die betroffenen Flächen einer ungestörten Sukzession überlässt.
In Erprobung befindet sich gegenwärtig eine Form der biologischen Bekämpfung mit dem Violetten Knorpelschichtpilz (Chondrostereum purpureum). Hierbei wird eine Myzelsuspension des Pilzes an frischen Schnittflächen der Spätblühenden Traubenkirsche aufgetragen. Aus bisher vorliegenden Untersuchungen wird deutlich, dass C. purpureum bei sachgerechter Applikation erhebliche Schädigungen bei P. serotina hervorrufen kann. Da C. purpureum in der Natur sehr häufig vorkommt und zudem relativ kurzlebig ist, werden von der Anwendung als Mykoherbizid keine ökologischen Auswirkungen auf die lokale Pilzflora oder andere Organismen befürchtet. Die bisherigen Freilandversuche in den Wäldern der Berliner Forsten lassen jedoch noch keine abschließende Beurteilung über die Praxistauglichkeit des Verfahrens zu.[2][3]
Einzelnachweise
- ↑ Scholz, Scholz. 1994: Prunus. In: Scholz H. (Hrsg.): Band IV. Teil 2B. Spermatophyta: Angiospermae: Dicotyledones 2(3). In: Conert H. J., et al. (Hrsg.): Gustav Hegi (Begr.), Illustrierte Flora von Mitteleuropa. 2. Aufl. Parey, Berlin, Hamburg. ISBN 3-8263-2533-8. S. 470ff.
- ↑ Paul Heydeck und Malte Münte: Der Violette Knorpelschichtpilz als „Bioherbizid“ gegen Traubenkirsche, In: AFZ DerWald 4/2008
- ↑ Malte Münte: Spätblühende Trauben-Kirsche in Berlin, in AFZ DerWald 13/2009
Literatur
- Uwe Starfinger: Die Einbürgerung der Spätblühenden Traubenkirsche (Prunus serotina Ehrh.) in Mitteleuropa. In: Landschaftsentwicklung und Umweltforschung, Nr. 69., Technische Universität Berlin, Berlin 1990, ISBN 3-7983-1357-1 (Zugleich Dissertation an der Technischen Universität Berlin [1990]).
- C. Haag, U. Wilhelm: Die Spätblühende Traubenkirsche. Arbeiten mit „unerwünschter“ Baumart oder Verschleppung einer Katastrophe? In: AFZ, der Wald. Allgemeine Forstzeitschrift für Waldwirtschaft und Umweltvorsorge, 53. Jahrgang, Heft 6/1998, S. 276–279, Deutscher Landwirtschaftsverlag München 1998 ISSN 1430-2713