Stefan Rahmstorf


Stefan Rahmstorf

Stefan Rahmstorf (* 22. Februar 1960 in Konstanz) ist ein deutscher Ozeanograph und bedeutender Klimaforscher. Er gehört zu den Leitautoren des 2007 veröffentlichten Vierten Sachstandsberichtes des Weltklimarates (IPCC).[1]

Beruflicher Werdegang

Stefan Rahmstorf studierte Physik in Konstanz und Ulm sowie physikalische Ozeanographie an der University of Wales, Bangor. 1990 wurde er an der Victoria University of Wellington in Ozeanographie promoviert. Nach weiteren Stationen am New Zealand Oceanographic Institute und am Institut für Meereskunde in Kiel ist er seit 1996 am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) tätig. Dort forscht er vor allem zu Wechselwirkungen zwischen Ozeanen und der globalen Erwärmung sowie natürlichen Klimaveränderungen. 1998 erfolgte seine Habilitation an der Universität Kiel. Im Jahr 2000 übernahm er die Professur für das Fach Physik der Ozeane an der Universität Potsdam, wo er Vorlesungen zu den Themenfeldern Paläoklimatologie und Ozeanzirkulation hält. Außerdem bietet er Online-Videovorlesungen im Rahmen der Virtuellen Akademie Nachhaltigkeit im E-Learning-Programm der Universität Bremen an.[2]

Rahmstorf ist Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) sowie der Academia Europæa[3] und im wissenschaftlichen Beirat von National Geographic Deutschland[4].

Wirken

Nach anfänglicher Arbeit zur Gravitationsphysik[5] (allg. Relativitätstheorie) wurde Rahmstorf in den 1990er Jahren durch eine Reihe von Studien zur Stabilität des Nordatlantikstroms international bekannt, die eine Erklärungshypothese für die abrupten eiszeitlichen Klimawechsel lieferten. [6][7] 1998 war er an der ersten erfolgreichen Ozean-Atmosphärensimulation des Klimas auf dem Höhepunkt der letzten Eiszeit beteiligt.[8] Im Jahr 1999 publizierte er Szenarien über mögliche zukünftige Änderungen der Strömungen im Nordatlantik infolge der globalen Erwärmung.[9]

Seit 2007 hat Rahmstorf vor allem zu Veränderungen des Meeresspiegels in Vergangenheit und Zukunft geforscht.[10][11] Seit 2009 war er zudem an mehreren Studien beteiligt, die den Zusammenhang von Extremwetter und Klimawandel erhärten.[12][13]

Rahmstorf engagiert sich öffentlich zum Thema Globale Erwärmung. Er ist ein Mitbegründer des weltweit bekannten RealClimate Blogs[14], der 2006 von der Fachzeitschrift Nature unter die Top 5 der Wissenschaftsblogs gewählt[14] und vom Time Magazine 2008 zu den 15 besten Umweltseiten[15] gezählt wurde. Rahmstorf ist auch Mitbegründer des deutschen Klimablogs KlimaLounge.[16]

Rahmstorf hat, teils mit Fachkollegen, vier populärwissenschaftliche Bücher zu Wetter, Klima und Meeren geschrieben, von denen einige in mehrere Sprachen übersetzt wurden. Sein jüngstes Buch, Wolken, Wind & Wetter (DVA 2011), wurde im Februar 2012 auf die Deutschlandfunk Bestenliste für junge Leser gewählt[17] und von der Deutschen Umweltstiftung zum Umweltbuch des Jahres gekürt.[18][19][20]

Rahmstorf hat sich in den Medien vielfach zu Klimathemen geäußert.[21][22][23][24] Seine in der Tagespresse veröffentlichten Artikel zu Klimathemen werden gelegentlich über Project Syndicate international vertrieben.[25] In der Umweltzeitschrift Zeo2 schreibt er seit der Erstausgabe eine regelmäßige Kolumne.[26] Die Financial Times bezeichnete ihn im Jahr 2009 als führenden Klimatologen.[27] Die Verleihung des Deutscher Umweltmedienpreis an Rahmstorf 2007 wurde in den ARD Tagesthemen ausführlich gewürdigt.[28]

Dass er ungenaue Berichterstattung teilweise kritisiert hat, führte zu Auseinandersetzungen mit einzelnen Journalisten[29] und teilweise zu Anfeindungen.[30] Rahmstorf wurde deswegen 2007 nach einer Kontroverse mit Journalisten unter anderem durch einen offenen Brief von Fachkollegen der Leibniz-Gemeinschaft unterstützt.[31] 2011 führte eine Auseinandersetzung um einen Artikel der Wissenschaftsjournalistin Irene Meichsner zu einem gerichtlichen Nachspiel. Rahmstorf wurde durch das Landgericht Köln dazu verurteilt, den Eindruck zu unterlassen, die Journalistin Irene Meichsner habe in einem Artikel abgeschrieben oder ihm die Bitte ausrichten lassen, ihren Namen aus seinem Blogbeitrag zu entfernen. Der Vorgang wurde zur Titelgeschichte bei der Zeitschrift der Wissenschafts-Pressekonferenz (WPK-Quarterly), und ebenso bei Spiegel Online thematisiert.[32][33] Unterstützung fand Rahmstorf unter anderem bei einer Reihe von Wissenschaftsbloggern und durch sein Forschungsinstitut.[34][35]

Als Mitglied des WBGU war Rahmstorf an mehreren Gutachten beteiligt, die breite Dikussionen ausgelöst haben, unter anderem zu den Meeren (2006), zur Bioenergie (2008) und zum Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation (2011). So riet das Bioenergie-Gutachten von einer Förderung von Biotreibstoffen ab, was zur späteren Kehrtwende der EU-Bioenergiepolitik beitrug.[36]

Auszeichnungen

  • 1999: Centennial Fellowship Award der James Smith McDonnell-Stiftung, dotiert mit einer Million Dollar.[37]
  • 2007: Honorary Fellow der Bangor University in Wales „in Anerkennung seiner Verdienste um die Umweltforschung“.[38]
  • Dezember 2007: Verleihung des DUH-Umwelt-Medienpreis der Deutschen Umwelthilfe „für unermüdliche Aufklärungsarbeit zum Klimawandel“.[39][40]
  • 2010: Wahl zum Fellow der American Geophysical Union als „besondere Würdigung herausragender wissenschaftlicher Beiträge“.[41]

Veröffentlichungen

Bücher

  • Treibhauseffekt und Klimawandel. Mayer Jena-Erlangen, Marloffstein 2001, ISBN 3-925978-71-2.
  • mit Hans Joachim Schellnhuber: Der Klimawandel. Diagnose, Prognose, Therapie. Beck, München 2006, ISBN 978-3-406-50866-0.
  • mit Katherine Richardson: Wie bedroht sind die Ozeane? Biologische und physikalische Aspekte. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt 2007, ISBN 978-3-596-17277-1.
  • mit David Archer: The Climate Crisis: An Introductory Guide to Climate Change. Cambridge University Press, 2010, ISBN 978-0-521-73255-0.
  • Wolken, Wind und Wetter, mit Bildern von Klaus Ensikat. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2011, ISBN 978-3-8389-0226-5. Von der Deutschen Umweltstiftung zum Umweltbuch des Monats Januar 2012 gewählt.[42]

Aufsätze in Büchern (Auswahl)

  • mit Thomas F. Stocker: Thermohaline Circulation: Past Changes and Future Surprises? In: Will Steffen, Angelina Sanderson, Peter Tyson, Jill Jäger, Pamela Matson, Berrien Moore III, Frank Oldfield, Katherine Richardson, Hans Joachim Schellnhuber, B. L. Turner II und Robert J. Wasson: Global change and the earth system. A planet under pressure. Springer, Berlin [u.a.] 2004, ISBN 3-540-40800-2, S. 240–241 (PDF; 402kB)
  • mit Frank Sirocko: Modes of Oceanic and Atmospheric Circulation during the Quaternary. In: Hans Joachim Schellnhuber, Paul J. Crutzen, William C. Clark, Martin Claussen und Hermann Held (Hrsg.): Earth System Analysis for Sustainability. The MIT Press, 2004, ISBN 0-262-19513-5, S. 129–142 (PDF, 188 kB)
  • Global climate change: What can we learn from the past? In: Gerd Winter (Hrsg.): Multilevel Governance of Global Environmental Change. Perspectives from Science, Sociology and the Law. Cambridge University Press, 2006, ISBN 0521852617, S. 67–76
  • Der Anstieg des Meeresspiegels. In: Michael Müller, Ursula Fuentes und Harald Kohl (Hrsg.): Der UN-Weltklimareport. Berichte über eine aufhaltsame Katastrophe. Kiepenheuer und Witsch, Köln 2007, ISBN 3-462-03960-1, S. 190–194
  • Anthropogenic Climate Change: Revisiting the Facts. In: Ernesto Zedillo (Hrsg.): Global Warming: Looking Beyond Kyoto. Brookings Institution Press, 2008, ISBN 081579715X (PDF; 467 kB)

Artikel

Alleinautorschaft in Nature und Science:

  • Rapid climate transitions in a coupled ocean-atmosphere model. In: Nature. Band 372, 1994, S. 82–85, doi:10.1038/372082a0 (PDF; 515 kB.
  • Bifurcations of the Atlantic thermohaline circulation in response to changes in the hydrological cycle. In: Nature. Band 378, 1995, S. 145–149, doi:10.1038/378145a0 (PDF; 695 kB)
  • Risk of sea-change in the Atlantic. In: Nature. Band 388, 1997, S. 825–826 (PDF; 374 kB)
  • Shifting seas in the greenhouse? In: Nature. Band 399, 1999, S. 523–524, doi:10.1038/21066 (PDF; 201 kB)
  • Ocean circulation and climate during the past 120,000 years. In: Nature. Band 419, 2002, S. 207–214, doi:10.1038/nature01090 (PDF; 332 kB)
  • Thermohaline circulation: The current climate. In: Nature. Band 421, 2003, doi:10.1038/421699a (PDF; 99 kB)
  • A semi-empirical approach to projecting future sea-level rise. In: Science. Band 315, 2007, S. 368–370, doi:10.1126/science.1135456 (PDF; 222 kB)
  • Response to Comments on “A Semi-Empirical Approach to Projecting Future Sea-Level Rise”. In: Science. Band 317, 2007, S. 1866d (PDF; 159)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. IPCC: Working Group I Contribution to the IPCC Fourth Assessment Report Climate Change 2007: The Physical Science Basis - List of Authors, 2007
  2. Virtuelle Akademie Bildung Nachhaltige Entwicklung
  3. Academia Europaea Directory 2007
  4. [ http://www.nationalgeographic.de/die-welt-von-ng/der-wissenschaftliche-beirat National Geographic Deutschland – Wissenschaftlicher Beirat]
  5. B. Rose, S. Rahmstorf, H. Dehnen: Propagation of self-gravitating density waves in the deDonder gauge on a gravitational background field. In: General Relativity and Gravitation, November 1988, Vol. 20, Issue 11, pp 1193-1201.
  6. Stefan Rahmstorf: Rapid climate transitions in a coupled ocean–atmosphere model. In: Nature 372, 82-85 (3. November 1994) | doi:10.1038/372082a0.
  7. Stefan Rahmstorf: Bifurcations of the Atlantic thermohaline circulation in response to changes in the hydrological cycle. In: Nature 378, 145-149 (1995).
  8. Andrey Ganopolski, Stefan Rahmstorf, Vladimir Petoukhov und Martin Claussen: Simulation of modern and glacial climates with a coupled global model of intermediate complexity. Nature 391, 351-356 (22. Januar 1998), doi:10.1038/34839.
  9. Stefan Rahmstorf, Andrey Ganopolski: Long-Term Global Warming Scenarios Computed with an Efficient Coupled Climate Model. Climatic Change, Oktober 1999, Volume 43, Issue 2, pp 353-367.
  10. Stefan Rahmstorf: A Semi-Empirical Approach to Projecting Future Sea-Level Rise. Science, 19. Januar 2007: Vol. 315, no. 5810, pp. 368-370, DOI: 10.1126/science.1135456.
  11. Martin Vermeer und Stefan Rahmstorf: Global sea level linked to global temperature. PNAS, vol. 106 no. 51. 2009.
  12. Stefan Rahmstorf und Dim Coumou: Increase of extreme events in a warming world. PNAS, 2011.
  13. Dim Coumou und Stefan Rahmstorf: A decade of weather extremes. Nature Climate Change (2012) 2, 491–496, doi:10.1038/nclimate1452.
  14. 14,0 14,1 Top five science blogs. In: Nature. 442. Jahrgang, Nr. 9, 2006, S. 9, doi:10.1038/442009a, PMID 16823420, bibcode:2006Natur.442....9. (nature.com).
  15. Eric Roston: RealClimate. In: Time, April 17, 2008. Abgerufen am 8. Januar 2012. 
  16. KlimaLounge - Über das Blog. SciLogs. Abgerufen am 8. Januar 2012.
  17. "Bücher für junge Leser". In: Deutschlandfunk, 9. Februar 2012. Abgerufen am 8. Februar 2013. 
  18. "Umweltbuch des Jahres 2012: Wolken, Wind & Wetter". In: Deutsche Umweltstiftung, 25. September 2012. Abgerufen am 8. Februar 2013. 
  19. Stefan Rahmstorf: Buchtipp: Wolken, Wind & Wetter. Abgerufen am 8. Januar 2012.
  20. Stefan Rahmstorf "Wolken, Wind und Wetter" - Buchmesse 2011. In: Hessischer Rundfunk, 29. September 2011. Abgerufen am 8. Januar 2012. 
  21. Klimagipfel: "Die Zeit läuft davon". In: Zweites Deutsches Fernsehen, 12. Dezember 2011. Abgerufen am 8. Januar 2012. 
  22. "Das Kyoto-Protokoll galt ja nur für die Industriestaaten". In: Deutschlandfunk, 12. Dezember 2011. Abgerufen am 8. Januar 2012. 
  23. Was dem Klima schadet. In: Rundfunk Berlin-Brandenburg, 28. November 2011. Abgerufen am 8. Januar 2012. 
  24. Die Kernaussage bleibt. Interview vom 16. Februar 2010, nano, 3Sat (Video, 17:24 min, abgerufen am 7. Oktober 2012).
  25. Project Syndicate - Author's Bio. Project Syndicate. Abgerufen am 8. Januar 2012.
  26. Zeo2 - Stefan Rahmstorf. Abgerufen am 8. Januar 2012.
  27. Tom de Castella: Top climate scientists share their outlook. In: Financial Times, 20. November 2009. Abgerufen am 8. Januar 2012. 
  28. Klimaschutz: Gore und UN-Klimarat mit Friedensnobelpreis ausgezeichnet. In: ARD, December 10th, 2007. Abgerufen am 8. Januar 2012. 
  29. Jan-Philipp Hein und Markus Becker: Streit mit Skeptikern - Die rabiaten Methoden des Klimaforschers Rahmstorf. Spiegel Online, 12. September 2007
  30. Björn Schwentker: Schlammschlacht ums Klima. Zeit Online, 17. April 2008, abgerufen am 13. Dezember 2011: „Als der Physiker Rahmstorf dagegen zu Felde zog und in der FAZ eine nüchterne Abhandlung schrieb, warum die Argumente der Skeptiker falsch seien, schlug ihm als deren Antwort nur barsche persönliche Anfeindung entgegen.“
  31. Alte Hüte in neuen Medien? Leibniz-Gemeinschaft, 24. Oktober 2007, abgerufen am 13. Dezember 2011: „Stefan Rahmstorfs Beitrag war ein mutiger Versuch, auf die offensichtlichen sachlichen Fehler in der Argumentation einiger "Zweifler" aufmerksam zu machen und die Medien aufzufordern, sorgfältiger als bisher zu recherchieren.“
  32. Herbst 2011 - Unabhängiger Wissenschaftler oder politischer Agitator?, WPK - Die Wissenschaftsjournalisten, u.a. Markus Lehmkuhl 12/2011
  33. Eklat um Klimaberater der Bundesregierung, Spiegel Online, 1. Dezember 2011
  34. Anmerkungen des Potsdam-Institut für Kilmafolgenforschung zu dem Text "Unabhängiger Wissenschaftler oder politischer Agitator?" von Markus Lehmkuhl im WPK Quartely II/2011 (aufgerufen 6. Januar 2012)
  35. Siehe z.B.: Anatol Stefanowitsch (Kritiklos abgeschrieben?. SciLogs, 16. Dezember 2011) und Markus Pössel (Rahmstorf im Zerrspiegel. SciLogs, 8. Dezember 2011)
  36. WBGU begrüßt Kehrtwende der EU Bioenergie-Politik. Presseerklärung des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) vom 1. Oktober 2012. Abgerufen am 8. Februar 2013.
  37. Website der James S. McDonnell Foundation: Funded Grants
  38. Bangor University: 2007 Honorary Fellows
  39. Deutsche Umwelthilfe: Preisträger 2007
  40. scinexx: Auszeichnung für streitbaren Klimaforscher: Stefan Rahmstorf erhält Medienpreis der Deutschen Umwelthilfe, 12. Dezember 2007
  41. PIK: US-Geoforscherverband ehrt Stefan Rahmstorf, 17. Februar 2010
  42. Pressemeldung: Umweltbuch des Monats Januar 2012: "Wolken, Wind & Wetter". Deutsche Umweltstiftung, Januar 2012, abgerufen am 13. Januar 2012.

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