Streicheln


Streicheln ist eine Form der nonverbalen Kommunikation. Es ist eine sanfte Körperberührung, die Zuneigung ausdrücken soll und über den Tastsinn der Haut wahrgenommen wird. Streicheln betrifft den sozial-emotionalen Bereich zwischenmenschlicher Kommunikation, findet aber auch zwischen Mensch und Tier statt.

Zur Bedeutung und Akzeptanz des Streichelns, insbesondere in der Öffentlichkeit, existieren je nach Kulturkreis unterschiedliche soziale Normen.

Ausdrucksformen

Streicheln ist für die vertrauensstärkende Entwicklung eines Kindes unerlässlich und wesentlicher Bestandteil einer gelungenen Bindung zwischen Eltern und Kind. Im Tierreich entspricht es der sozialen Fellpflege, wie beispielsweise dem Lecken des Felles eines Jungtieres.

Es kann Ausdruck der Zuneigung zwischen Eltern und Kindern oder zwischen Menschen und handzahmen Tieren sein. Gelegentlich streicheln Menschen sogar unbelebte Gegenstände, die ihnen lieb und teuer sind.

Als eine Form körperlicher Intimität unter Liebenden ist Streicheln eine Ausdrucksform der Liebe. Das Streicheln der erogenen Zonen wird als Petting bezeichnet.

Neurophysiologische Wirkung

Die Bedeutung des Streichelns und dessen Einfluss auf die Gehirnfunktionen wurde durch den Biologen der Universität Montreal Michael J. Meaney[1][2] in Tierversuchen nachgewiesen. Die Vermutung, dass diese Form der Berührung den Hippocampus stärkt und ihn zusätzlich für den Stressindikator Cortisol sensibilisiert, bestand schon länger. Durch Streicheln des Kindes, oder beim Tier durch Fellpflege und Lecken der Jungtiere, wird eine bestimmte chemische Verbindung im Organismus entkappt (wird demethylisiert), die ohne diese Zuwendung geschlossen bleibt. Die entkappte Verbindung hat nun die Möglichkeit zu neuen chemischen Reaktionen, die eine Stabilisierung gegenüber Stress bewirken.[3]

Streicheln einer Ratte

Streicheln in Tiergestützter Therapie

Langzeitstudien belegen, dass der Körperkontakt mit Haustieren den Puls beruhigt und den Blutdruck senkt. Es wird vermutet, dass dabei Aggressionen und Stress abgebaut werden. Diese positive Wirkung von Tieren auf Menschen nutzt die Tiergestützte Therapie.

  • siehe auch: Streichelzoo

Streicheln in der Transaktionsanalyse

In der Transaktionsanalyse spricht man von Streicheln generell, wenn eine Person sich um eine andere kümmert und ihr Zuneigung entgegenbringt.[4] Hier ist der Begriff jedoch meist im übertragenen (nicht körperlichen) Sinne gemeint als psychische Zuwendung („Streicheleinheiten“).[5]

Geschichtliches

Auf der Suche nach der Ursprache vollzog im 13. Jahrhundert Kaiser Friedrich II. einen grausamen Menschenversuch. Auf seine Anordnung hin wurden Kleinkinder von ihren Ammen nur gesäubert und gefüttert, bekamen aber keine Ansprache und körperliche Zuwendung wie Streicheln und Liebkosungen. Aufgrund der mangelnden menschlichen Zuwendung seien die Kinder frühzeitig gestorben. Dies ist durch den Franziskanermönch Salimbene von Parma in einer seiner sieben Chroniken dokumentiert.[6]

Der amerikanische Psychiater Seymour Levine experimentierte 1957 mit Ratten, indem er ihnen durch so genanntes „Handling“ täglich 15 Minuten besondere Zuwendung zukommen ließ: Er nahm die Jungtiere aus dem Nest und streichelte sie. In der Auswirkung zeigte sich bei den erwachsenen Tieren ausgeprägt gelasseneres Verhalten und die Produktion von weniger Stresshormonen gegenüber den nicht gestreichelten Tieren. Auch wurden bei den gestreichelten Ratten nicht die Ratten-typischen Abbauerscheinungen des Gehirns festgestellt, die der menschlichen Alzheimer-Krankheit ähneln.[7]

Literatur

  • Annegret Frank, Annie Meussen Streicheln, spüren, selbstvertrauen: Massagen, Wahrnehmungs- und Interaktionsspiele, Entspannungsgeschichten und Atemübungen zur Förderung des Körperbewusstseins. 3. Auflage. Ökotopia, 2003, ISBN 3-936286-29-9
  • Weniger Streß durch Streicheln. In: Berliner Zeitung, 24. September 1997

Weblinks

Wiktionary: streicheln – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Commons: streicheln – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. D. Liu, J. Diorio, B. Tannenbaum, C. Caldji, D. Francis, A. Freedman, S. Sharma, D. Pearson, PM. Plotsky, MJ. Meaney: Maternal care, hippocampal glucocorticoid receptors, and hypothalamic-pituitary-adrenal responses to stress. In: Science, 12. September 1997, 277(5332), S. 1659–1662, PMID 9287218
  2. D.L. Champagne, R. C. Bagot, F. van Hasselt, G. Ramakers, M.J. Meaney, E.R. de Kloet, M. Joëls, H. Krugers: Maternal Care and Hippocampal Plasticity: Evidence for Experience-Dependent Structural Plasticity, Altered Synaptic Functioning, and Differential Responsiveness to Glucocorticoids and Stress. In: The Journal of Neuroscience, 4. Juni 2008, 28(23), S. 6037–6045
  3. Ulrich T. Egle: Schmerz und Weinen. Kongress: Lindauer Psychotherapiewochen 2008 – „Lachen“ / „Weinen“. Lindau, Vortrag auf DVD
  4. Dorothy E. Babcock, Terry D. Keepers: Miteinander wachsen. Transaktionsanalyse für Eltern und Erzieher. 5. Auflage, Gütersloher Verlagshaus, 1998, ISBN 3-579-02251-2
  5. Eric Berne: Spiele der Erwachsenen. rororo Sachbuch, 2002, ISBN 3-499-61350-6, Band 61350
  6. Die Chronik des Salimbene von Parma, nach der Ausgabe der MGH bearbeitet von Alfred Doren, 2 Bde. (Geschichtsschreiber der dt. Vorzeit 93). Leipzig 1914.
  7. zitiert beispielsweise in: R. M. Sapolsky: The importance of a well-groomed child. In: Science. 1997 Sep 12;277. PMID 9312858; auch sciencemag.org

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