Trichinellose


Klassifikation nach ICD-10
B75 Trichinellose
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Die Trichinellose ist eine durch Trichinen hervorgerufene parasitäre Infektionskrankheit (Parasitose). Sie wird vor allem durch den Verzehr von rohem Schweinefleisch übertragen und unterliegt in der Europäischen Union der Meldepflicht. Sie zeigt sich zumeist unspezifisch in Schwäche, Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Durchfall. Später treten Fieber, Muskelschmerzen und Ödeme im Augenbereich auf. In Einzelfällen kann der Herzmuskel befallen werden und die Erkrankung damit tödlich enden.

Verbreitung

Die Trichinen sind durch mehrere Arten weltweit verbreitet. Zur Infektion von Menschen kann es nur durch den Verzehr von nicht durcherhitztem Fleisch kommen, das mit Trichinen belastet war. Vor Einführung des „Reichsfleischbeschaugesetzes“ unter der Federführung von Rudolf Virchow um 1900 gab es in Deutschland nach Schätzungen etwa 15.000 Erkrankungen jährlich. Durch die Trichinenuntersuchung sank diese Zahl in 50 Jahren auf nahezu Null. Bei den zwischen 2000 und 2009 in Deutschland durchgeführten Trichinenuntersuchungen wurden lediglich bei 4 von etwa 453 Millionen Hausschweinen Trichinen gefunden, bei den etwa 3,4 Millionen Wildschweinen gab es 92 positive Nachweise.[1]

Vereinzelte Infektionen in Deutschland können grundsätzlich nur nach Rohverzehr von Fleisch aus Schwarzschlachtungen auftreten, das keiner amtlichen Untersuchung unterzogen worden war. Allerdings ist es im Frühjahr 2006 auch nach dem Verzehr von Schweinen im Landkreis Uecker-Randow zu einer Erkrankung von zwei Personen trotz der EU-weit vorgeschriebenen Untersuchungsmethode gekommen.

Schadwirkung beim Menschen

Trichinella spiralis Muskelzysten

Aufgenommene Muskelzysten werden im Dünndarm aufgelöst und so die Larven freigesetzt. Die Larven bohren sich in das Dünndarmepithel ein und entwickeln sich innerhalb von 30 Stunden zum adulten Tier, danach findet die Paarung statt. Im Dünndarm bringen die Weibchen lebendgebärend bis zu 1500 Larven zur Welt. Die Larven bohren sich anschließend durch den Dünndarm und erreichen so die Lymphe oder den Blutstrom. Sie treiben durch den Körper und lassen sich vor allem im quergestreiften gut durchblutetem Muskelgewebe nieder. Befallen werden auch Zwerchfell, Augen und Zunge. Wo sich eine Larve niederlässt, beginnt die Bildung eines Ammenzellnährkomplexes, der infektiös bleibt, solange der Parasit lebt. Ab dem fünften Monat findet im menschlichen Gewebe eine Verkalkung statt, wobei die encystierten Muskeltrichinen vermutlich noch 5 bis 10 Jahre lebensfähig bleiben Bei einer Inkubationszeit von 8 bis 15 Tagen entwickeln sich aus den zunächst im Dünndarm befindlichen Larven adulte Würmer. Dabei treten neben oft asymptomatischen Krankheitsverläufen auch allgemeine Schwäche, Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Durchfall auf; nach 1 bis 3 Wochen dann Fieber, Muskelschmerzen und Ödeme im Augenbereich. Diese Symptome halten meist bis zu einem Jahr an und verschwinden danach ohne bleibende Folgen. Als Komplikation kann der Herzmuskel befallen werden, wodurch die Wurminfektion einen tödlichen Verlauf nehmen kann. Die Infektionen sind nach dem Infektionsschutzgesetz in Deutschland meldepflichtig.

Vorbeugung

Wichtigste vorbeugende Maßnahme ist die gesetzlich vorgeschriebene Trichinenuntersuchung, bei der die Kapseln der Larven gezielt erkannt werden. Die Trichinen werden bei Einzelschlachtungen mit einem Trichinoskop nachgewiesen. In Schlachthöfen wird im Regelfall die Verdauungsmethode durchgeführt, bei der Proben verschiedener Tiere enzymatisch aufgelöst werden und das Sediment untersucht wird. Nur bei einem positivem Befund müssen anschließend alle Einzelproben der Charge untersucht werden.

Man kann eine Abtötung der Larven mit Kochen erreichen, dabei muss das Fleisch auf mindestens 65 °C erhitzt werden. Des Weiteren gilt das Gefrieren als Abtötungsmaßnahme. Jedoch kann die im hohen Norden verbreitete Art T. nativa selbst tiefen Temperaturen lange widerstehen. Räuchern, Pökeln, Salzen und Trocknen sind laut Angaben des Robert Koch-Instituts keine ausreichend wirksamen Maßnahmen zur Larvenabtötung. Vorsicht ist bei Import von Fleisch aus dem Nicht-EU-Ausland geboten, da in manchen Ländern bei Wild, Haus- und Einzelschlachtungen keine obligatorische Fleischbeschau stattfindet. Gegebenenfalls ist eine Beschau durch das Veterinäramt bei der jeweiligen Verwaltungsbehörde nachzuholen und auch zu empfehlen.

In letzter Zeit ist bei Wildschweinen jedoch eine weitere Form von Trichinen (Trichinella pseudospiralis) aufgetaucht. Sie ist durch herkömmliche Vorbeugemaßnahmen nicht zu erkennen, da sie im Gegensatz zu den gewöhnlichen Trichinen im Larvenstadium nicht eingekapselt ist. Da sich die Fleischbeschau auf das Aufspüren dieser Kapseln stützt, entgeht ihr diese Form.[2]

Forschungsgeschichte

Joseph Leidy (1823–1891)

In den 1760er- und 1770er-Jahren trat eine – zunächst als Typhus fehlgedeutete – Trichinenepidemie auf. 1846 erkannte Joseph Leidy, dass diese Parasitose über unzureichend erhitztes Fleisch übertragen wird, 1860 konnte Friedrich Albert von Zenker sie endgültig ätiologisch aufklären. Dies war Auslöser der gesetzlichen Kontrolle der Schlachthöfe (Gesetz über die Einrichtung öffentlicher und ausschließlich zu benutzender Schlachthöfe, 1868 in Preußen). Die Einführung der Trichinenschau wurde von Rudolf Virchow vorgeschlagen und in Deutschland mit dem „Gesetz, betreffend die Schlachtvieh- und Fleischbeschau“ vom 3. Juni 1900 ab 1. April 1903 generell gesetzlich vorgeschrieben und 1937 noch einmal angepasst.[3]

Einzelnachweise

  1. Dt. TÄBl. 59 (2011), S. 451.
  2. Bundesinstitut für Risikobewertung
  3. RGBl. 1937 I S. 453; Angela von den Driesch: Geschichte der Veterinärmedizin. München: Callwey-Verlag.

Weblinks