Verwesung


Unter dem Begriff Verwesung wird eine Vielzahl an Prozessen zusammengefasst, die nach dem Tod eines Organismus oder nach dem Absterben von Teilen eines Organismus ablaufen. Der Begriff Verwesung wird in der Regel im Zusammenhang mit tierischen und pflanzlichen Organismen gebraucht, bei Lebensmitteln spricht man von Verderben. Im medizinischen Kontext gehört der Vorgang der „Gewebsfäule“ zum Symptomenkomplex der Nekrosen.

Lebende Organismen verhindern ihre Verwesung mit verschiedenen Mitteln, siehe pflanzliche Abwehr von Pathogenen und Immunsystem.

Biochemische Grundlagen

Verwesung wird durch saprotrophe Organismen, hauptsächlich durch Bakterien und Pilze, hervorgerufen. Enzyme, die diese Organismen abgeben, zersetzen komplexe organische Verbindungen in kleinere Einheiten, die dann unter Energiegewinn vollständig oxidiert werden. Aber auch Autolyse, also Zersetzung durch eigene, supravitale Enzyme, spielt eine Rolle.

Verwesung findet nur in Anwesenheit von Sauerstoff statt. Die organischen Verbindungen werden dann hauptsächlich zu Wasser, Kohlenstoffdioxid, Harnstoff und Phosphat abgebaut. Im Gegensatz zur Fäulnis entstehen bei reiner Verwesung also keine giftigen oder unangenehm riechenden Stoffwechselprodukte. Unter Sauerstoffabschluss überwiegen dagegen Fäulnisprozesse. Entsprechend erfolgt der Zerfall eines größeren Organismus innerlich überwiegend durch Fäulnis, äußerlich durch Verwesung. In späteren Stadien der Zersetzung überwiegen Verwesungsprozesse, sofern genügend Sauerstoff zur Verfügung steht.

Verwesung und Ökologie

Im Gegensatz zur anaeroben Fäulnis sind an Verwesungsprozessen oft auch höhere Organismen beteiligt. Pflanzliche Überreste werden beispielsweise von Würmern, Asseln und Insektenlarven gefressen und zerkleinert und mikrobiellem Abbau dadurch besser zugänglich gemacht. Tiere und länger liegende menschliche Leichen werden oft zu großen Teilen von Insekten (zum Beispiel Aaskäfer, Ameisen, Speckkäfer) oder deren Larven (zum Beispiel Fliegenmaden) und Fadenwürmern gefressen. In Abhängigkeit von den herrschenden Umgebungsbedingungen bildet sich bei Verwesung eines größeren Organismus eine spezifische „Aasfauna“ heraus.

Die Verwesung in den oberen Bodenschichten führt zur Bildung von Humus, auch Kompostierung umfasst hauptsächlich Verwesungsprozesse.

Verwesung in der Rechtsmedizin

Ein an der Luft liegender toter Körper verwest etwa doppelt so schnell wie eine im Wasser liegende Leiche und viermal so schnell wie eine begrabene. Eine Wasserleiche bildet nach einiger Zeit durch chemische Reaktionen eine seifenartige Substanz aus, die die Körperform erhält und den Körper langsamer verwesen lässt. Dieses Phänomen einer sogenannten Wachsleiche ist auf einigen in feuchten Gebieten angesiedelten Friedhöfen zu einem großen Problem geworden, da die Verwesungszeit die vorgesehene Ruhezeit von ca. 30 Jahren zum Teil deutlich überschreitet.

Verwesungsstadien von an der Luft liegenden toten Körpern

  • Beginnende Fäulnis
  • Fettartig
  • Käseartige Produkte
  • Ammoniakale Fäulnis
  • Beginnende Vertrocknung
  • Starke Vertrocknung
  • Skelettierung

Siehe auch

Literatur

  • Mark Benecke: Mordmethoden. Ermittlungen der bekanntesten Kriminalbiologen der Welt. Lübbe, Bergisch Gladbach 2002, ISBN 978-3-442-15394-7.
  • Mark Benecke: So arbeitet die moderne Kriminalbiologie. 6. Auflage, Lübbe, Bergisch Gladbach 2011, ISBN 9783404605620.
  • Mary Roach: Stiff: the curious lives of human cadavers. W. W. Norton, New York NY 2003, ISBN 0-393-05093-9.
  • Dirk Schoenen, Michael Carl Albrecht: Die Verwesung. Teil 1: Dirk Schoenen: Die Verwesung aus hygienischer Sicht. Teil 2: Michael Carl Albrecht: Die Verwesung aus bodenkundlicher Sicht. In: Verein für Wasser-, Boden- und Lufthygiene (Hrsg.): Schriftenreihe des Vereins für Wasser-, Boden- und Lufthygiene. Nr. 113, Verein für Wasser-, Boden- und Lufthygiene (WaBoLu), Berlin 2003, ISBN 3-932816-42-0.

Weblinks

Commons: Decomposition – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Die News der letzten Tage