Waldren



Waldren

Waldrentiere im Zoo Helsinki

Systematik
Unterordnung: Wiederkäuer (Ruminantia)
Familie: Hirsche (Cervidae)
Unterfamilie: Trughirsche (Capreolinae)
Gattung: Rangifer
Art: Ren (Rangifer tarandus)
Unterart: Waldren
Wissenschaftlicher Name
Rangifer tarandus fennicus
(Lönnberg, 1909)

Das Waldren (Rangifer tarandus fennicus) ist eine Unterart des Rentiers, die in Finnland und Karelien (Russland) heimisch ist.

Von den auf der Skandinavischen Halbinsel noch wild lebenden und domestizierten Individuen der Nominatform des Rens (Rangifer tarandus tarandus) unterscheidet sich das Waldren durch ein um im Schnitt etwa 15 cm höheres Stockmaß und wesentlich längere Beine. Diese werden als evolutionäre Anpassung an die Schneeverhältnisse im Lebensraum des Waldrens gedeutet; in der Taiga ist die Schneedecke im Winter höher und weicher als in der baumlosen Tundra.[1] Weiterhin ist der Schädel des Waldrens länger und schmaler als der der Nominatform, und im Vergleich lädt das Geweih des Waldrens weniger zur Seite aus.[2]

In der Vergangenheit kam das Waldren in weiten Teilen Nordosteuropas vor, so noch bis in das 16. Jahrhundert in Teilen Polens. In ganz Finnland mit Ausnahme der südlichen Küstenebene kam es noch im 18. Jahrhundert sehr zahlreich vor,[3] wurde dann aber durch Bejagung ausgerottet. Ursprünglich war für die Bewohner Nordfinnlands das Waldren der wichtigste Fleischlieferant. Die zuvor nur in Nordwestlappland in größerem Umfang betriebene Zucht von halbdomestizierten Rentieren verbreitete sich erst im Zuge der Ausrottung des Waldrens in die übrigen Teile Nordfinnlands.[4] Als es 1913 unter Schutz gestellt wurde, war das Waldren in Finnland bereits ausgestorben. Die heutigen Populationen stammen von Tieren ab, die erst seit den 1940er Jahren wieder aus Russland eingewandert sind. Heute gibt es wieder zwei vitale Populationen, im nordostfinnischen Kainuu (2006 rund 1.000 Tiere) sowie in den abgelegenen Wäldern des Suomenselkä in Westfinnland (rund 1.400 Tiere). Eine nur ein bis zwei Dutzend Köpfe zählende Population gibt es zudem bei Lieksa in Nordkarelien. Der Bestand im russischen Teil Kareliens wird auf 3.000 Individuen geschätzt.[5] Seit 1996 darf das Waldren in Finnland wieder bejagt werden.

Fennoskandinavien wurde nach dem Ende der Weichseleiszeit vor rund 9.000 Jahren zunächst von Rentierpopulationen aus Mitteleuropa besiedelt, aus denen sich die heutige Nominatform des Rens entwickelte. Das Waldren wanderte hingegen erst vor rund 7.000 Jahren vermutlich aus Sibirien ein[6] und verbreitete sich mit der nacheiszeitlichen Ausdehnung seines Habitats, der borealen Fichtenwälder, stetig nach Norden.[7] Ältere Publikationen nahmen noch eine pleistozänische Unterart Rangifer tarandus constantini[8][9] als Vorfahren des Waldrens an. Phylogenetische Analysen mitochondrialer DNA verschiedener Renpopulationen legen jedoch den Schluss nahe, dass sich sowohl R. t. tarandus wie R. t. fennicus diphyletisch aus zwei Eiszeitrestpopulationen, einer eurasischen und einer europäischen, entwickelt haben und die morphologischen Unterschiede der rezenten Unterarten das Resultat holozäner Evolution ist.[10] Weiters legen kraniometrische Befunde den Schluss nahe, dass sich in jüngerer Zeit semidomestizierte Zuchtformen von Rangifer tarandus tarandus insbesondere an der Grenze von der Halbinsel Kola zu Weißkarelien in die nördlichen Populationen des Waldrens eingekreuzt haben.[11] Um eine weitere Durchmischung der Waldrenpopulation mit Zuchtrenen zu verhindern, wurde in Kainuu über eine Länge von rund 83 km ein Zaun errichtet, der die Weidegebiete der beiden Unterarten trennt.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. T. Helle: Variations in Body Measurements of Wild and Semidomestic Reindeer (Rangifer tarandus) in Fennoscandia. In: Annales-Zoologici-Fennici. 1980; 17(4). S. 275-284
  2. Suomen metsäpeura- kannan hoitosuunnitelma S.14.
  3. Martti Montonen: Metsäpeura ja Suomen kulttuurihistoria. In: Suomen luonto 6. 1972.
  4. Matti Enbuske: Lapin asuttamisen historia, in: Ilmo Massa, Hanna Snellman (Hrsg.) Lappi – Maa, kansat, kulttuurit, Suomalaisen Kirjallisuuden Seura, Helsinki 2003. Hier S. 54.
  5. Suomen metsäpeura- kannan hoitosuunnitelma S.20 - 25.
  6. Tuija Rankama: On the early history of the wild reindeer (Rangifer tarandus L.) in Finland. In: Boreas. 2001; 30(2). S. 131-147
  7. J. Lepiksaar: The Holocene history of theriofauna in Fennoscandia and Baltic countries. In: Striae 24.
  8. Constantine C. Flerov: A New Paleolithic Reindeer from Siberia. In: Journal of Mammalogy 15:3, August 1934. S. 239, Vol. 15, No. 3 (Aug., 1934), pp. 239-240; hier noch als eigene Spezies R. constantini.
  9. E. Pulliainen et al.:Wild Forest Raindeer Rangifer tarandus fennicus Lonnb. . Its Historical and Recent Occurrence and Distribution in Finland and the Karelian ASSR with Special Reference to the Development and Movements of the Kuhmo-Kammenojeozero USSR SubpopulationAquilo-Ser-Zoologica 23. 1985.
  10. O. Flagstad und K. H. Rød: Refugial origins of reindeer (Rangifer tarandus L.) inferred from mitochondrial DNA sequences. In: Evolution 57, 2003. S. 658-670.
  11. Vladimier Varkovsky et al.: On the taxonomy and geographical variation of the European reindeer with special reference to the wild forest reindeer, R. t. fennicus Lonnberg 1909. In: Aquilo-Ser-Zoologica 29, 1996. S. 3-23

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