Willy Hellpach


Willy Hellpach (* 26. Februar 1877 in Oels; † 6. Juli 1955 in Heidelberg) war ein deutscher Arzt, Psychologe und Politiker (DDP). 1925 kandidierte er bei der Wahl zum Reichspräsidenten.

Leben und Werk

Willy Hellpach (mit Hut in der Hand) im Jahr 1931

Nach dem Abitur studierte er in Greifswald Medizin und ab 1897 in Leipzig zusätzlich Psychologie. Er promovierte in beiden Fächern und lehrte und praktizierte ab 1904 als Nervenarzt in Karlsruhe, wo er sich 1906 habilitierte und im Laufe seines Lebens mehrfach als Hochschullehrer tätig war. Im Ersten Weltkrieg war er zunächst im Fronteinsatz und leitete später mehrere Nervenlazarette.

Hellpachs Grab auf dem Heidelberger Bergfriedhof

Das Ideo-Realgesetz wurde von Willy Hellpach als Erweiterung des Carpenter-Effektes definiert: „Jeder subjektive Erlebnisinhalt schließt einen Antrieb zu seiner objektiven Verwirklichung ein.“

Er trat 1918 in die Deutsche Demokratische Partei ein und wurde 1922 Unterrichtsminister sowie von 1924 bis 1925 turnusgemäß Staatspräsident in Baden und Chef des Kabinetts Hellpach. Zu seinen bleibenden bildungspolitischen Leistungen zählt, dass er die grundlegenden Verordnungen zum heute noch existierenden dualen Berufsausbildungssystem erließ.

Bei der Reichspräsidentenwahl 1925 kandidierte er im ersten Wahlgang für die DDP für das Amt des Reichspräsidenten, er erhielt 5,8 % der Stimmen. Von 1928 bis 1930 saß er im Reichstag, zog sich aber anschließend enttäuscht aus der Politik zurück. In der Deutschen Staatspartei fand er keine politische Heimat mehr. Auch nach 1945 wurde er nicht mehr politisch tätig.

Er verfasste, besonders nach 1925, einige teils umfangreiche Bücher zu menschenkundlichen und politischen Themen. Zwei seiner am Pantheismus bzw. Panentheismus orientierten Bücher zeugen zudem von seinem Interesse an theologischen Fragen. Mit den in seinem Buch Die geopsychischen Erscheinungen (1911) entwickelten Ideen gilt er heute weltweit als Begründer der Umweltpsychologie.

Seit 1944 gehörte er der Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina an.

Ehrungen

Hellpach wurde mit der Wilhelm-Wundt-Medaille der Deutschen Gesellschaft für Psychologie und 1952 mit dem Großen Verdienstkreuz mit Stern der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet. 1953 erhielt er die Paracelsus-Medaille der deutschen Ärzteschaft.

1973 wurde in Heidelberg die frühere städtische Handelslehranstalt nach ihm benannt. Die Willy-Hellpach-Schule ist ein Schulzentrum mit Wirtschaftsgymnasium, Berufsfachschule für Wirtschaft, Kaufmännischer Berufsschule und Dualem Berufskolleg für Abiturienten.

Schriften (Auswahl)

  • Prostitution und Prostituierte. Pan, Berlin 1905 (Moderne Zeitfragen 5)
  • Die geistigen Epidemien. Rütten & Loening, Frankfurt am Main 1906 (Die Gesellschaft 11)
  • Das Pathologische in der modernen Kunst. Vortrag gehalten am 3. Oktober 1910 auf dem IV. Internationalen Kongreß für Irrenfürsorge zu Berlin. Winter, Heidelberg 1910
  • Die geopsychischen Erscheinungen. Die Menschenseele unter dem Einfluß von Wetter und Klima, Boden und Landschaft. Engelmann, Leipzig 1911; 8. A. Enke, Stuttgart 1977, ISBN 3-432-82298-7 (ab 4. A. 1935 als Geopsyche)
  • Die Wesensgestalt der deutschen Schule. Quelle & Meyer, Leipzig 1925; 2. verb. A. ebd. 1926
  • Politische Prognose für Deutschland. S. Fischer, Berlin 1928
  • Prägung. 12 Abhandlungen aus Lehre und Leben der Erziehung. Quelle & Meyer, Leipzig 1928
  • Zwischen Wittenberg und Rom. Eine Pantheodizee zur Revision der Reformation. S. Fischer, Berlin 1931
  • Elementares Lehrbuch der Sozialpsychologie. Springer, Berlin 1933; 3. durchges. A. Enke, Stuttgart 1951
  • Heilkraft und Schöpfung. Aus der Welt des Arztes und vom Geheimnis des Daseins. Reißner, Dresden 1934
  • Einführung in die Völkerpsychologie. Enke, Stuttgart 1938; 3. neubearb. A. ebd. 1954
  • Mensch und Volk der Großstadt. Enke, Stuttgart 1939; 2. neubearb. A. ebd. 1952
  • Deutsche Physiognomik. Grundlegung einer Naturgeschichte der Nationalgesichter. De Gruyter, Berlin 1942; 2. verm. A. ebd. 1949
  • Sozialorganismen. Eine Untersuchung zur Grundlegung wissenschaftlicher Gemeinschaftslebenskunde. Barth, Leipzig 1944; 2. A. Köln 1953 (als Der Sozialorganismus)
  • Völkerentwicklung und Völkergeschichte unterm Walten und Wirken von bindendem Gesetz und schöpferischer Freiheit im Völkerseelenleben. Hippokrates, Stuttgart 1944
  • Sinne und Seele. 12 Gänge in ihrem Grenzdickicht. Enke, Stuttgart 1946
  • Tedeum. Laienbrevier einer Pantheologie. Wegner, Hamburg 1947
  • Das Denken in der Medizin. Thieme, Stuttgart 1948
  • Universitas litterarum. Gesammelte Aufsätze. Enke, Stuttgart 1948
  • Wirken in Wirren. Lebenserinnerungen. Eine Rechenschaft über Wert und Glück, Schuld und Sturz meiner Generation. 2 Bände. Wegner, Hamburg 1948/49
  • Pax Futura. Die Erziehung des friedlichen Menschen durch eine konservative Demokratie. Westermann, Braunschweig 1949
  • Grundriss der Religionspsychologie (Glaubensseelenkunde). Enke, Stuttgart 1951
  • Universelle Psychologie eines Genius – Goethe. Der Mensch und Mitmensch. Das Geschöpf im Schöpfer. Hain, Meisenheim 1952 (Psychologia Universalis 1)
  • Der deutsche Charakter. Athenäum, Bonn 1954

Literatur

  • Christoph Führ, Hans Georg Zier (Hrsg.): Hellpach-Memoiren 1925–1945. Böhlau, Wien 1987, ISBN 3-412-07686-4 (Studien und Dokumentationen zur deutschen Bildungsgeschichte 33).
  • Klaus Beier: Erkennen und Gestalten. Theorie und Praxis im Werk von Willy Hellpach. Diss. phil. FU Berlin 1988.
  • Walter Stallmeister (Hrsg.): Willy Hellpach. Beiträge zu Werk und Biographie. Lang, Bern 1991, ISBN 3-631-42021-8 (mit umfassender Bibliografie).
  • Christian Jansen: Willy Hellpach. Ein antiliberaler Demokrat kommentiert den Niedergang der Weimarer Republik. In: Walter Schmitz und Clemens Vollnhals (Hrsg.): Völkische Bewegung – Konservative Revolution – Nationalsozialismus. Aspekte einer politisierten Kultur. Thelem, Dresden 2005, ISBN 3-935712-18-9.
  • Claudia-Anja Kaune: Willy Hellpach (1877–1955). Biographie eines liberalen Politikers der Weimarer Republik. Lang, Bern 2005, ISBN 3-631-53851-0.

Weblinks

Commons: Willy Hellpach – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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