Aktuelle Zählungen: 1,4 Millionen Wale, Delfine und Schweinswale im europäischen Atlantik



Bio-News vom 03.10.2023

Wo leben welche Wal-Arten und wie entwickeln sich die Bestände? Ein internationales Forschungsteam stellte Ergebnisse des bisher umfangreichsten Projekts zu Populationsgrößen und zur Verteilung von Kleinwalen in der Nordsee, Ostsee und angrenzenden Gewässern des europäischen Atlantiks vor.

Forschende acht europäischer Länder erfassten im Sommer 2022 über sechs Wochen aus Kleinflugzeugen und einem Forschungsschiff die Anzahl der Kleinwale in der Nordsee und den angrenzenden europäischen atlantischen Gewässern. Jetzt liegen die Auswertungen der Zählungen vor: Insgesamt 1,4 Millionen Wale, Delfine und Schweinswalen leben in den Gewässern von Südnorwegen bis Portugal.


Grindwale

Publikation:


Gilles, A. et al.
Estimates of cetacean abundance in European Atlantic waters in summer 2022 from the SCANS-IV aerial and shipboard surveys

Final report published 29 September 2023. 64 pp.

Zur Publikation (PDF)

Dr. Anita Gilles, Institut für Institut für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover (TiHo) koordinierte das Projekt mit dem Namen „Small Cetaceans in European Atlantic waters and the North Sea (SCANS-IV)“. Es ist der vierte Durchlauf der SCANS-Reihe, die 1994 begann und Schätzungen zur Populationsgröße und -verteilung von Walen und Delfinen im europäischen Atlantik ermöglicht. Weitere Zählungen erfolgten 2005 und 2016.


Die Flugzeuge verfügen über spezielle Fenster, die es den Forschenden ermöglichen, die Wasserfläche abzusuchen.

Die Ergebnisse

Das Forschungsgebiet war 1,7 Millionen Quadratkilometer groß, reichte von Südnorwegen bis zur Straße von Gibraltar und erstreckt sich bis zu den Gewässern westlich von Schottland sowie in die westliche Ostsee. Über einen Zeitraum von sechs Wochen erfassten acht Teams in Flugzeugen sowie ein Forschungsschiff das Gebiet systematisch entlang festgelegter Linien. Sie suchten entlang dieser sogenannten Transektlinien 75.000 Kilometer ab und erfassten tausende von Walgruppen 17 verschiedener Arten.



Das Vorkommen des Gemeinen Delfins hat in der südlich von Irland gelegenen Keltischen See sowie im Südwesten des Vereinigten Königreichs und im westlichen Teil des Ärmelkanals zugenommen. Das deutet darauf hin, dass die Population sich nach Norden ausdehnt. Auch die früheren SCANS-Erhebungen hatten diese Tendenz bereits gezeigt.


Gemeine Delfine

Eine Ausdehnung nach Süden zeigt sich für Schweinswale – die am häufigsten im europäischen Atlantik vorkommende Kleinwalart. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass sich die bereits 1994 in der Nordsee beobachtete Verlagerung der Schweinswalpopulation von Nordwesten nach Süden in den Jahren 2005 und 2016 auch 2022 fortsetzte, wobei sich die Verbreitung im Ärmelkanal sogar noch weiter ausdehnte. Die höchsten Dichten beobachteten die Forschenden in der zentralen und südwestlichen Nordsee. In der Nordsee haben sich über die 28 Jahre, die die Forschenden die Zählungen bislang durchführen, die Bestände von Schweinswalen und auch von Weißschnauzendelfinen und Zwergwalen nicht signifikant verändert. Die Schweinswalpopulation in der westlichen Ostsee, der Beltsee und dem südlichen Kattegat geht hingegen zurück. Die Helsinki-Kommission (HELCOM), die regionale Meeresschutzkonvention für die Ostsee, bewertete diese Population vor kurzem als „in einem nicht guten Zustand, da die Beifänge in der Fischerei nicht nachhaltig sind, was die Notwendigkeit von Erhaltungsmaßnahmen und einer weiteren Untersuchung der Belastungen für diese Population unterstreicht.“

Gilles stellte die Ergebnisse auf der Sitzung des beratenden ASCOBANS-Ausschusses (Agreement on the Conservation of Small Cetaceans in the Baltic, North East Atlantic, Irish and North Seas) vor. Sie sagte: „Die Ergebnisse der vergangenen drei Jahrzehnte haben unser Wissen zur Verteilung und Häufigkeit der unterschiedlichen Walarten in den europäischen Atlantikgewässern erheblich erweitert. Sie ermöglichen es uns, den Erhaltungszustand der Populationen zu bewerten und in Zusammenhang mit menschengemachten Stressfaktoren zu setzen. Diese groß angelegte Zeitreihe soll in den kommenden Jahrzehnten fortgesetzt werden."

Zählung von Walen per Flugzeug und vom Schiff

Die Forschenden setzen für die Zählungen speziell für Meeresbeobachtungen geeignete Leichtflugzeuges ein, die lediglich in einer Höhe von 183 Metern und einer Geschwindigkeit von 185 Kilometern pro Stunde fliegen. In jedem Flugzeug befindet sich ein Team von drei Forschenden: Die beiden sogenannten Observer erledigen die eigentliche Beobachtungsaufgabe. Dafür sind die Flugzeuge mit runden, konvexen ‚Bubble‘-Fenstern ausgestattet, die den Observern einen ungehinderten Blick auf das Meer unter dem Flugzeug ermöglichen. Die dritte Person erfasst alle von den Beobachtenden übermittelten Daten mit einer Datenerfassungssoftware. Für das Gebiet im Golf von Biskaya setzten die Forschenden ein Forschungsschiff ein, da es für die Flüge zu weit vom Festland entfernt liegt.



Diese Newsmeldung wurde mit Material Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.


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