Biodiversität von Wiesen- und Weideflächen: Ein Gewinn für Natur, Landwirtschaft und Tourismus
Bio-News vom 15.11.2022
Ein internationales Team hat in einer langangelegten Studie nachgewiesen, wie wichtig die Biodiversität von Wiesenflächen für ein breites Spektrum von Ökosystemleistungen und unterschiedliche Interessengruppen ist. Vom Tourismus bis zur Landwirtschaft: Die Studie weitet den Blick auf insgesamt 16 Ökosystemleistungen und betrachtet die Biodiversität landwirtschaftlich genutzter Wiesen- und Weideflächen im großen Maßstab.
Wo artenreiche Wiesenflächen Lebensraum für Bienen und andere Insekten bieten, profitiert neben der Natur auch die Landwirtschaft durch Ökosystemleistungen wie Bestäubung oder natürliche Schädlingsbekämpfung. Wie aber sieht es mit weniger offensichtlichen Ökosystemleistungen aus, die von Organismen unter der Erde erbracht werden und die Bodenqualität betreffen? Und wie genau wirkt sich eine hohe Biodiversität auf das Naturerlebnis aus, das als Freizeitaktivität und Erholungsmöglichkeit auch für den lokalen Tourismus eine wichtige Rolle spielt?
Publikation:
Le Provost, G., Schenk, N.V., Penone, C. et al.
The supply of multiple ecosystem services requires biodiversity across spatial scales
Nat Ecol Evol (2022)
DOI: 10.1038/s41559-022-01918-5
Um ein umfassendes Bild dieser Biodiversitätsdynamiken zu erhalten, hat ein internationales Forschungsteam um Dr. Gaëtane Le Provost und Dr. Peter Manning vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum in Frankfurt landwirtschaftlich genutzte Wiesen- und Weideflächen in verschiedenen ländlichen Regionen Deutschlands untersucht. Dabei werteten sie Daten aus, die seit 2006 im Rahmen des Projekts „Biodiversity Exploratories“ kontinuierlich für Flächen in der Schwäbischen Alb, der mitteldeutschen Hainich-Dün-Region und dem Brandenburgischen Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin erhoben werden.
„Die Flächen unterscheiden sich in Klima und Topographie und sind gleichzeitig beispielhaft für unterschiedliche Arten typischer Wiesen-Nutzung in Mitteleuropa“, erklärt Le Provost und fährt fort: „Wir haben insgesamt 150 Wiesenflächen über den Zeitraum von 2006 bis 2018 untersucht und dabei erstmals 16 verschiedene Ökosystemleistungen in den Blick genommen – von Futterqualität und Bestäubung über eine Vielzahl von Faktoren zur Bodenqualität wie Kohlenstoffspeicherung oder Grundwasserneubildung bis zu sogenannten kulturellen Ökosystemleistungen, die unser Naturerlebnis betreffen. Zum Beispiel die Möglichkeit zur Vogelbeobachtung – oder schlicht der wohltuende Anblick einer üppig blühenden Wiese und der akustische Reichtum, den eine artenreiche Wiesenfläche durch Vogelgesang und andere Naturgeräusche bietet. Bei sehr vielen Ökosystemleistungen konnten wir einen positiven Effekt durch hohe Pflanzendiversität nachweisen!“
Erstmals nahmen die Forschenden für ihre nun veröffentlichte Studie auch die Bedeutung der Ökosystemleistungen für verschiedene lokale Interessengruppen in den Blick: In Kooperation mit dem ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung wurden unter anderem Forschenden sowie Forschenden von Naturschutzorganisationen und der Agrar- und Tourismuswirtschaft zu Workshops eingeladen und repräsentativ befragt. „Wir haben festgestellt, dass ausnahmslos alle befragten Gruppen von einer hohen Biodiversität profitieren könnten – von Forschenden bis zum Tourismus“, berichtet Sophie Peter, wissenschaftliche Mitarbeiterin am ISOE.
Zuletzt konnte das Forschungsteam den Nutzen hoher Pflanzendiversität nicht nur für kleinere Flächen nachweisen, sondern nahm auch die Biodiversitätsdynamiken in Bezug auf die weitere Umgebung in den Blick. „Dass die Pflanzendiversität der Umgebung Einfluss auf die Bereitstellung verschiedener Ökosystemleistungen hat, ist eine wichtige Grundlage für lokale Entscheidungsträger“, betont Manning und fasst zusammen: „Politische Entscheidungen zur Landnutzung werden meist im großen Flächenmaßstab getroffen. Dass auch in diesen Dimensionen eine hohe Pflanzendiversität Vorteile für alle Beteiligten bringt – das ist mit unseren Daten nachweisbar!“
Diese Newsmeldung wurde mit Material des Senckenberg Forschungsinstituts und Naturmuseen via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.