Buntbarsche im Riftvalley - Neues Licht auf Cichliden-Evolution in Afrika



Bio-News vom 15.07.2019

Ein interdisziplinäres Team unter dem Dach des GeoBio-Centers der LMU entwickelt einen integrativen Ansatz, um fossile Buntbarsche zu klassifizieren.

Buntbarsche (Cichlidae) sind weltweit verbreitete tropische Süßwasserfische. Sie weisen vielfältige Spezialisierungen auf, wie zum Beispiel Brutpflege der Eier und Larven, manche betreiben zum Schutz des Nachwuchses sogar Maulbrutpflege. Als „Tilapia" sind einige Arten auch als Delikatesse bekannt und von großer ökonomischer Bedeutung. In Afrika haben Buntbarsche ihre größte Artenvielfalt entwickelt, mit mindestens 1.100 Spezies. Die meisten der Arten sind in den großen Seen im Ostafrikanischen Grabenbruch (Riftvalley) beheimatet.


Buntbarsche bewohnen mit etwa 900 beschriebenen Arten den größten Teil des tropischen Afrikas, weitere 400 bisher unbeschriebene Arten werden hier vermutet. Allein in den ostafrikanischen Seen Malawi, Tanganjika (350 Arten) und Viktoria (250–350 Arten) kommen jeweils mehrere hundert Arten vor. (Wikipedia)

Publikation:


Stefanie B. R. Penk, Melanie Altner, Alexander F. Cerwenka, Ulrich K. Schliewen, Bettina Reichenbacher
New fossil cichlid from the middle Miocene of East Africa revealed as oldest known member of the Oreochromini
Scientific Reportsvolume 9, Article number: 10198 (2019)

DOI: 10.1038/s41598-019-46392-5



„Wann und wie die afrikanischen Buntbarsche ihre Vielfalt entwickelt haben, ist ein zentrales Thema der Evolutionsbiologie und Paläobiologie", sagt Bettina Reichenbacher, Professorin für Paläontologie an der LMU und Mitglied des GeoBio-Centers der LMU. Denn fossile Buntbarsche sind der einzige direkte Nachweis, wie sich Linien entwickelt haben; sie sind für die Wissenschaft die unmittelbaren Zeugen der Evolutionsgeschichte. Allerdings gestaltet sich die Suche nach derartigen Fossilien als schwierig und extrem aufwendig. In Afrika wurden bisher nur etwa 20 fossile Buntbarsch-Arten entdeckt – eine verschwindend kleine Zahl gemessen an der Artenvielfalt der heutigen afrikanischen Buntbarsche.

In einer Studie, die aktuell im Fachjournal Scientific Reports erscheint, stellt ein Team um Bettina Reichenbacher den fossilen Buntbarsch Oreochromimos erstmals vor. Sein Name weist auf seine Ähnlichkeit mit den heute in ganz Afrika verbreiteten Oreochromini hin. „Bei der Bearbeitung war die Frage, ob die Fossilien einer der heutigen Buntbarsch-Linien zugeordnet werden können, eine besondere Herausforderung“, sagt Stefanie Penk, Erstautorin der Studie und Doktorandin in der Arbeitsgruppe von Bettina Reichenbacher. Das liegt zum einen an der heutigen Vielfalt der Buntbarsche, zum anderen an der großen Ähnlichkeit zwischen auch nicht näher verwandten Arten.

„Die Architektur des Knochengerüstes von Buntbarschen ist ziemlich konservativ. Sie haben alle ein ähnliches Grundgerüst, das sich auch bei der Entstehung neuer Arten kaum ändert“, erläutert Bettina Reichenbacher. Gemeinsam mit Dr. Ulrich K. Schliewen, Ko-Autor der Studie und Kurator für Fische an der Zoologischen Staatssammlung in München (SNSB-ZSM) sowie ebenfalls Mitglied des GeoBio-Centers der LMU, entwickelte die Arbeitsgruppe daher den „best fit" approach. „Dieser bedeutet, dass das Fossil mit allen heutigen Linien verglichen wird – ein Ansatz, der unmöglich erscheint angesichts der heutigen Vielfalt dieser Fische –, jedoch durch die Zusammenarbeit mit Ulrich Schliewen gelang. Denn in der von ihm betreuten Sammlung befindet sich eine unglaubliche Fülle afrikanischer Buntbarscharten, und damit das notwendige Vergleichsmaterial für unsere Studie“, sagt Stefanie Penk.

Einzigartiges Fenster in die Vergangenheit

Oreochromimos wurde in Zentral-Kenia entdeckt. Dort, inmitten des Ostafrikanischen Grabenbruchs, befindet sich die Gebirgskette der Tugen Hills. Diese bietet ein einzigartiges Fenster in die Vergangenheit: Vulkan- und Sedimentgesteine, die vor etwa fünf bis 20 Millionen Jahren abgelagert und anschließend tief versenkt wurden, wurden später durch geologische Aktivitäten wieder angehoben, bis auf 2000 Meter über dem Meeresspiegel. Dadurch sind in den Tugen Hills fossilienführende Gesteine zugänglich, die in anderen Regionen Afrikas nicht vorhanden oder nicht zugänglich sind. Die aus den Gesteinen der Tugen Hills geborgenen Fossilien sind einzigartig, auch der im Jahr 2000 gefundene etwa sechs Millionen Jahre alte „Ur-Mensch aus den Tugen Hills", Orrorin tugenensis, stammt von dort.

Zu den einzigartigen Funden aus den Gesteinsformationen der Tugen Hills zählen auch die fossilen Buntbarsche. Sie sind seit 2011 Gegenstand des „Kenia-Projektes" von Bettina Reichenbacher und ihrer Arbeitsgruppe. Zunächst in Kenia ausgegraben, danach in Kooperation mit der Egerton Universität in Kenia als Leihgabe an das Department für Geo- und Umweltwissenschaften der LMU transportiert, werden sie dort seither wissenschaftlich ausgewertet.

Oreochromimos ist mit 12,5 Millionen Jahren der älteste Vertreter der Oreochromini. Zudem ist er der älteste fossile Nachweis der Gruppe der Haplotilapiinen Buntbarsche und damit der Linie, aus der der Löwenanteil der heutigen Vielfalt der afrikanischen Buntbarsche hervorgegangen ist. Mit dem innovativen und vergleichenden Ansatz hat das Team außerdem eine Grundlage für künftige Bestimmungen von Buntbarsch-Fossilien erarbeitet. „Mit diesem Datensatz wird es in Zukunft möglich sein, fossile Buntbarsche weitaus genauer zu klassifizieren als bisher und so ihre Evolutionsgeschichte weiter zu erhellen“, sagt Bettina Reichenbacher.


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Informationsdienstes der Wissenschaft (idw) erstellt

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