Delfine behandeln Hautprobleme an Korallen
Bio-News vom 19.05.2022
Indopazifische Grosse Tümmler reiben sich vom Schnabel bis zur Schwanzflosse an Korallen: Forscherinnen belegen nun, dass die von den Delfinen speziell ausgesuchten Korallen biofunktionelle Eigenschaften aufweisen. Das deutet darauf hin, dass die Delfine die wirbellosen Meerestiere zur Behandlung ihrer Symptome nutzen können.
Vor dreizehn Jahren beobachtete Angela Ziltener, Wildtierbiologin an der Universität Zürich, erstmals Delfine, die sich im nördlichen Roten Meer vor der Küste Ägyptens an Korallen rieben. Ihr und ihrem Team fiel auf, dass die Delfine sich nur an ausgesuchten Korallen rieben, und sie wollten verstehen, warum. „Ich hatte dieses Verhalten noch nie zuvor gesehen, und es war klar, dass die Delfine genau wussten, welche Koralle sie benutzen wollten“, sagt Ziltener.
Publikation:
Morlock and Ziltener et al.
Evidence that Indo-Pacific bottlenose dolphins self-medicate with invertebrates in coral reefs
Iscience (2022)
DOI: 10.1016/j.isci.2022.104271
Die meisten Delfinforschungen werden von der Wasseroberfläche aus durchgeführt. Da Ziltener Taucherin ist, konnte sie die Delfine aus der Nähe studieren. Sie brauchte einige Zeit, um das Vertrauen der Tiere zu gewinnen. Dies gelang ihr mitunter deshalb, weil die Delfine sich von den grossen Luftblasen, die von den Tauchflaschen freigesetzt werden, nicht abschrecken liessen und sich an die Taucher gewöhnten. „Manche Delfine wie die Spinnerdelfine im südägyptischen Roten Meer sind schüchterner, wenn es um Luftblasen geht“, sagt sie.
Polypen setzen Schleim frei
Als die Delfine es ihr erlaubten, sie regelmässig zu besuchen, konnten sie und ihre Kollegen die Korallen, an denen sich die Delfine rieben, identifizieren und untersuchen. Sie fanden heraus, dass die Indopazifischen Grossen Tümmler durch das wiederholte Reiben an den Korallen die winzigen Polypen, aus denen die Korallengemeinschaft besteht, aufrühren und diese Schleim freisetzen. Um zu verstehen, welche Eigenschaften der Schleim hat, sammelte das Team Proben der Korallen.
Coautorin Gertrud Morlock, analytische Chemikerin und Lebensmittelwissenschaftlerin an der Justus-Liebig-Universität Giessen, analysierte die Proben der Gorgonienkoralle (Rumphella aggregata), der Lederkoralle (Sarcophyton sp.) und des Schwamms (Ircinia sp.) mit ihrem Team und fand dabei 17 aktive Metaboliten mit antibakteriellen, antioxidativen, hormonellen und toxischen Aktivitäten.
Die Forschenden nehmen an, dass die bioaktiven Substanzen der Korallen und Schwämme dazu dienen, das Mikrobiom der Delfinhaut zu regulieren und Infektionen zu behandeln. „Durch wiederholtes Reiben kommen die aktiven Stoffwechselprodukte mit der Haut der Delfine in Kontakt“, erklärt Morlock. „Die Metaboliten könnten ihnen helfen, die Homöostase der Haut zu stabilisieren, und für die Prophylaxe oder Zusatzbehandlung gegen mikrobielle Infektionen nützlich sein.“
Korallenriffe zum Schlafen und Spielen
Die Riffe, in denen diese Korallen auftreten, sind wichtige Orte für die lokalen Delfinpopulationen. Sie kommen dorthin, um sich auszuruhen und zu schlafen, aber auch um zu Spielen und Spass zu haben. Zwischen den Nickerchen wachen die Delfine oft auf, um sich an den Korallen zu reiben. „Es ist fast so, als würden sie duschen und sich reinigen, bevor sie schlafen gehen oder für den Tag aufstehen“, sagt Ziltener.
Konflikt mit dem Tourismus
Seit Angela Ziltener 2009 begann, Delfine in Ägypten zu erforschen, hat sie einen beunruhigenden Trend festgestellt. «Die Tourismusindustrie verdient inzwischen viel Geld am Traum der Leute, mit den Delfinen zu schwimmen. Die Touristen stören die Tiere jedoch, wenn sie sich nicht an die Richtlinien für einen verantwortungsvollen Umgang mit ihnen halten», sagt sie.
In ihrer Sorge um die Tiere hat sie eine Organisation namens Dolphin Watch Alliance gegründet, eine Naturschutzorganisation, die Reiseleiter, Touristen und die Öffentlichkeit darüber aufklärt, wie man Tourismus-Erlebnisse anbieten kann, die für Delfine sicher sind, und die sich dafür einsetzt, dass Riffe zu Schutzgebieten werden.
Diese Newsmeldung wurde mit Material der Universität Zürich via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.