Die Tribute von Tanimbar: Kakadus konkurrieren gegeneinander in einer „Innovation Arena“



Bio-News vom 27.05.2020

Forschende der Vetmeduni Vienna und des Indonesischen Instituts der Wissenschaften (LIPI) entwickelten einen neuen Ansatz, um die Innovationsfähigkeit zu vergleichen. Wer schneidet besser ab: Wilde oder vom Menschen gehaltene Papageien?

Zu den wichtigsten Zutaten des Rezepts von Mutter Natur für die evolutionäre Entwicklung der Intelligenz zählen Komplexitäten in der sozialen und physischen Umgebung eines Tieres, die nicht einfach durch spezialisierte Anpassungen wie z. B. eine besonders lange Zunge oder einen starken Schnabel überwunden werden können. Um in einer komplexen unvorhersehbaren Umgebung zu überleben, müssen Tiere in der Lage sein, auf jede Art von Situation zu reagieren, indem sie zu erfinderischeren Problemlöser werden. Die Innovationsrate wird daher allgemein als wichtige Kennzahl für die Intelligenz von Tieren angesehen.


Goffinkakadu

Publikation:


Theresa Rößler, Berenika Mioduszewska, Mark O’Hara, Ludwig Huber, Dewi Prawiradilaga und Alice Auersperg
Using an Innovation Arena to compare wild-caught and laboratory Goffin’s cockatoos
Scientific Reports

DOI: 10.1038/s41598-020-65223-6



Nun haben Forscherinnen und Forscher der Veterinärmedizinischen Universität in Wien und des Indonesischen Instituts der Wissenschaften (LIPI) einen neuen Ansatz zur direkten Untersuchung der Innovationsrate bei Tieren entwickelt, indem sie die Tiere einzeln in einer sogenannten „Innovation Arena“ gegeneinander antreten ließen. Hier treffen einzelne Vögel aus verschiedenen Gruppen auf eine halbkreisförmige Arena bestehend aus einer Auswahl von 20 verschiedenen „Puzzle-Boxen“, für die jeweils unterschiedliche Aktionen erforderlich sind, um Zugang zu einer leckeren Futterbelohnung zu erhalten.

Jeder Tierkandidat hat eine begrenzte Zeit, um so viele Belohnungen wie möglich zu ergattern, bevor er die Arena verlassen muss. Wenn das Tier beim nächsten Mal die frisch beköderte Arena betritt, findet es dieselben Aufgaben in einer anderen Reihenfolge angeordnet vor. Diese Prozedur wird fortgesetzt, bis ein Teilnehmer entweder alle oder keine neuen Lösungen mehr findet. Auf diese Weise können die Forscherinnen und Forscher nicht nur die beiden konkurrierenden „Teams“ bezüglich ihrer Innovationsrate zeitabhängig vergleichen, indem sie untersuchen, wie viele Aufgaben die Tiere in mehreren Testläufen entdecken, sondern auch aufgaben- oder ortsspezifische Präferenzen untersuchen.

Die „Innovation Arena“ wurde nun erstmals genutzt, um den sogenannten „Haltungseffekt“auf die tierische Intelligenz bei Kakadus zu untersuchen. Der Haltungseffekt setzt aufgrund der Nähe zum Menschen und einer weitgehend künstlichen Umgebung eine höhere Innovationsfähigkeit bei langfristig in Gefangenschaft gehaltenen Tieren im Gegensatz zu ihren wilden Artgenossen voraus. Bei dem Goffinkakadu handelt es sich um eine Papageienart, die sich in ihren technischen Fähigkeiten zur Problemlösung bereits als äußerst intelligent und geschickt erwiesen hat und sogar in der Lage ist, eigene Werkzeuge herzustellen, um Lebensmittel in Reichweite zu bringen.

Die meisten Studien zu dieser Vogelart wurden jedoch an in Europa gezüchteten Tieren durchgeführt, während der Goffinkakadu ursprünglich auf den kleinen zu den Molukken zugehörigen Tanimbar-Inseln Indonesiens endemisch ist.

Die Forscherinnen und Forscher ließen nun Wildvögel aus Tanimbar und in Volierenhaltung lebende Vögel aus Österreich in einem Fernkampf in der „Innovation Arena“ gegeneinander antreten. „Wir haben festgestellt, dass einzelne Vögel entweder sehr eifrig mit den Puzzle-Boxen interagieren und die Probleme lösen wollten oder dies nur ungern taten“, so Berenika Mioduszewska, die die Wildvögel in Indonesien im Goffin Lab Tanimbar testete. „Obwohl keiner der Vögel Angst vor dem Aufbau hatte, zeigten weniger wilde als gefangen gehaltene Vögel Interesse an einer Interaktion mit der Arena. Allerdings entdeckten die Wildvögel die schon zur Teilnahme motiviert waren Lösungen im gleichen Tempo wie die langjährig in Gefangenschaft gehaltenen Spieler und lösten letztendlich die meisten Aufgaben in der Arena.“

„Für uns Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bedeutet dies letztendlich, dass der Unterschied zwischen Team ‚Wild‘ und Team ‚Zahm‘ in diesem Experiment eher in der Motivation als in der kognitiven Gesamtfähigkeit zur Lösung der Probleme besteht, die in beiden Gruppen ähnlich zu sein scheinen. Mit anderen Worten: die Wildvögel können sich perfekt mit den in Gefangenschaft gehaltenen Vögeln messen – wenn sie nur wollen“, erklärt Alice Auersperg, Leiterin des Goffin Lab Goldegg in Österreich. Die Forscherinnen und Forscher vermuten, dass bezüglich technischer Innovationen eine natürliche Situation wie eine tropische Insel mit ihren vielen unvorhersehbaren und saisonalen Ressourcen letztendlich wesentlich kognitiv herausfordernder sein sollte als die langfristige Nähe zum Menschen.

„Interessanterweise zeigten die beiden Gruppen auch Parallelen in Bezug darauf welche Arten von Aufgaben sie leichter oder schwieriger fanden“, fährt Theresa Rößler, die die Vögel in Österreich testete, fort. „Zum Beispiel schienen beide Gruppen Probleme mit einigen Aufgaben zu haben, die mehrere sich wiederholende Aktionen erforderten, wie z. B. das Durchbeißen von Toilettenpapier oder das Drehen einer Mühle, aber nicht mit anderen, wie z. B. das Drehen einer flachen Scheibe bei einer Aufgabe mit DJ-ähnlichen Bewegungen. Bei einer der 20 Aufgaben stellten wir jedoch einen Unterschied fest: die in Gefangenschaft gehaltenen Vögel übertrafen die Wildvögel bei der „Knopf-Aufgabe“, bei der die Tiere einen Bolzen stumpf drücken mussten, um die Belohnung von einer Plattform zu stoßen. Wir glauben, dass dieser Unterschied durch frühere Erfahrungen der in Gefangenschaft gehaltenen Vögeln erklärt werden kann, da diese an Studien teilgenommen haben, in denen sie Stöcke als Sondierungswerkzeuge verwenden mussten. Dies zeigt, wie wichtig es ist, eine Vielzahl von Aufgaben zu verwenden, wie es in der Arena der Fall war, um verschiedene Gruppen zu vergleichen, da die Ergebnisse einer einzelnen Aufgabe dazu führen könnten, dass die Forscherinnen und Forscher zu falschen Schlussfolgerungen über die Unterschiede gelangen, die sie untersuchen“, fügt sie hinzu.

Das Team plant nun, die Konkurrenz für die klugen Vögel zu verschärfen, indem verschiedene entfernt verwandte aber großhirnige Tiere wie z. B. Rabenvögel, Primaten oder sogar Kindergartenkinder in derselben Arena getestet werden.


Diese Newsmeldung wurde mit Material der Veterinärmedizinischen Universität Wien via Informationsdienst Wissenschaft erstellt

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