Dornenkronenseesterne aus dem Roten Meer sind endemisch!
Bio-News vom 17.11.2022
Neben dem Klimawandel stellen korallenfressende Dornenkronenseesterne (Acanthaster spp.) in Teilen des Indo-Pazifiks eine der größten Bedrohungen für Korallenriffe dar. Forschende haben nun korallenfressende Dornenkronenseesterne im Roten Meer als eigene Art identifiziert, die ausschließlich in diesem Lebensraum vorkommt.
Die bis zu 40 cm großen Dornenkronenseesterne ernähren sich insbesondere von den Polypen schnellwachsender Steinkorallen. In vielen Fällen kommt es zu regelrechten Massenausbrüchen, bei denen sich die Seesterne schnell und massiv vermehren und viele Tausend Individuen Riffkorallen großflächig vernichten können. Diese Massenausbrüche wurden in den letzten Jahrzehnten immer häufiger, unter anderem weil die natürlichen Feinde der Seesterne durch Überfischung dezimiert wurden.
Publikation:
Gert Wörheide, Emilie Kaltenbacher, Zara-Louise Cowan, Gerhard Haszprunar
A new species of crown-of-thorns sea star, Acanthaster benziei sp. nov. (Valvatida: Acanthasteridae), from the Red Sea
Zootaxa (2022)
DOI: 10.11646/zootaxa.5209.3.7
Dornenkronenseesterne sind im gesamten Indopazifik weit verbreitet. Ihr Name bezieht sich auf große Giftstacheln, die sie auf ihren Armen tragen. Aufgrund regionaler morphologischer Unterschiede wurden bereits in Vergangenheit verschiedene Arten beschrieben, die Verwandtschaftsverhältnisse blieben jedoch diffus. „Lange nahm man an, dass die erstbeschriebene Art der Gattung, Acanthaster planci, vom Roten Meer über den indischen Ozean bis über den gesamten Pazifik verbreitet ist“, sagt Gert Wörheide, Professor für Paläontologie und Geobiologie an der LMU sowie Direktor der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie (SNSB-BSPG).
DNA-Barcoding-Daten aus einer von Wörheide betreuten Doktorarbeit zeigten aber bereits vor mehr als 10 Jahren, dass sich A. planci in vier stark divergierende genetische Linien unterteilen lässt, die mutmaßlich unterschiedliche Arten darstellen. Ein Team um Wörheide und Gerhard Haszprunar, Professor für Systematische Zoologie sowie Direktor der Zoologischen Staatssammlung München (SNSB-ZSM), hat nun mithilfe morphologischer Untersuchungen und genetischer Analysen nachgewiesen, dass die im Roten Meer beheimateten Dornenkronenseesterne eine eigene Art bilden, die nun als Acanthaster benziei beschrieben wurde. „Das hebt wieder einmal die Bedeutung des Roten Meeres als Ökosystem mit einer einzigartigen Fauna und zahlreichen endemischen Arten hervor“, unterstreicht Wörheide. Der neue Artname ehrt John Benzie, Professor am University College Cork, der mit seinen wegweisenden genetischen Studien über Dornenkronenseesterne in den 1990ern und seiner umfangreichen Sammlung Pionierarbeit geleistet hat.
Weniger Arme, dünnere Stacheln
Mit A. benziei gelang den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die erste Beschreibung einer neuen Art von Dornenkronenseesternen seit mehreren Jahrzehnten. „Bei Dornenkronenseesternen aus dem Roten Meer wurden zwar bereits früher vereinzelte Besonderheiten beobachtet, zum Beispiel eine eher nachtaktive Lebensweise oder eine wahrscheinlich geringere Toxizität der Stacheln, aber wir wussten noch nicht, dass es sich tatsächlich um eine eigenständige Art handelt“, so Wörheide. Die Untersuchungen bestätigten nun deutliche Unterschiede zwischen A. benziei und den anderen Arten des „A. planci“ Artenkomplexes. Neben charakteristischen Sequenzen in der mitochondrialen DNA gehören dazu auch morphologische Merkmale wie etwa eine geringere Anzahl von Armen und dünnere, anders geformte Stacheln.
Da wir nun wissen, dass es sich um eine eigenständige Art handelt, können wir das Augenmerk jetzt auf die Biologie, Ökologie und Toxikologie von A. benziei und der anderen Acanthaster-Arten legen
Prof. Dr. Gert Wörheide, LMU München
Den Dornenkronenseesternen im Roten Meer wurde in der Vergangenheit auch eine geringere Tendenz zu Massenausbrüchen zugeschrieben
Wörheide weiter: „Die sind vor allem von Acanthaster cf. solaris aus dem westlichen Pazifik bekannt und richten am Großen Barriere-Riff regelmäßig erhebliche Schäden an, während das Phänomen im Roten Meer weniger heftig aufzutreten scheint – ob das auch mit artspezifischen Charakteristika zu tun hat, könnte ein Gegenstand zukünftiger Untersuchungen sein“, sagt Wörheide. Bisher stammen die meisten Daten zu Biologie und Ökologie der Dornenkronenseesterne von Acanthaster cf. solaris aus dem westlichen Pazifik. „Durch die saubere Abgrenzung der verschiedenen Arten von korallenfressenden Dornenkronenseesternen können wir die Dynamik von Massenausbrüchen und damit einen weiteren der multiplen Stressoren, die auf tropische Riffe einwirken, noch detaillierter erforschen – letztendlich ein Schritt in Richtung eines besseren Managements der Riff-Ökosysteme.“
Diese Newsmeldung wurde mit Material Staatliche Naturwissenschaftliche Sammlungen Bayerns via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.