Drahtschlingen: Beinträchtigung der Fortpflanzung von Hyänen
Bio-News vom 03.06.2022
Wilderei mittels Drahtschlingen hat als Beifang auch Auswirkungen auf Tierarten, die nicht das Ziel waren – von leichten Verletzungen bis zum Tod. Über die unmittelbaren Todesfälle hinaus werden diese „Kollateralschäden“ nur selten analysiert. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchten nun die Folgen von schweren aber nicht tödlichen Schlingenverletzungen bei weiblichen Tüpfelhyänen zwischen 1987 und 2020 im Serengeti-Nationalpark, Tansania. Die Langzeitdaten zeigen, dass die Verletzungen die Lebenserwartung der Hyänen nicht verringerten, aber ihre Fortpflanzung beeinträchtigten.
Tüpfelhyänenweibchen mit schweren, aber nicht tödlichen Verletzungen durch Drahtschlingen bekamen ihren ersten Nachwuchs später, ihre Würfe waren kleiner und die Überlebenschance ihres Nachwuchses geringer als bei unversehrten Hyänenweibchen.
Publikation:
Benhaiem S, Kaidatzi S, Hofer H, East ML
Long-term reproductive costs of snare injuries in a keystone terrestrial by-catch species
Animal Conservation (2022)
DOI: 10.1111/acv.12798
Obwohl sie nicht direkt das Ziel von Wilderei sind, besteht für Tüpfelhyänen (Crocuta crocuta) ein erhebliches Risiko, in einer Drahtschlinge zu sterben. Im Zentrum des Serengeti-Nationalparks wurde das als wichtigste Todesursache und die Sterblichkeit dadurch mit 8 Prozent pro Jahr ermittelt. „Dies liegt daran, dass die Hauptbeute der Tüpfelhyänen die wandernden Huftierherden, etwa Gnus und Zebras, sind. Die Hyänen legen regelmäßig weite Strecken von ihren Clan-Territorien zurück, um in Gebieten mit großen Ansammlungen ihrer Beutetiere zu fressen, bevor sie in ihr Territorium zurückkehren“, erklären Dr. Marion L. East und Prof. Heribert Hofer, Ko-Autoren des wissenschaftlichen Aufsatzes.
Einigen Hyänen gelingt es jedoch, den Drahtschlingen zu entkommen, indem sie den Draht durchbeißen, mit dem die Schlinge an einem Baum befestigt ist. Selbst wenn gefangene Tiere nicht unmittelbar in der Drahtschlinge sterben, können die entstandenen Verletzungen und ihre Auswirkungen schwerwiegend sein. „Anhand von Langzeitdaten von individuell bekannten Tüpfelhyänenweibchen untersuchten wir die Folgen von schweren Schlingenverletzungen auf vier Indikatoren ihrer Leistungsfähigkeit: Erreichtes Alter, Alter bei der ersten erfolgreichen Fortpflanzung, Wurfgröße und Überlebenswahrscheinlichkeit des Nachwuchses“, sagen die Erstautorinnen Dr. Sarah Benhaiem und Sara Kaidatzi von der Leibniz-IZW-Abteilung für Ökologische Dynamik.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchten die Auswirkungen von 208 nicht-tödlichen Vorfällen von 193 Hyänenweibchen aus drei kontinuierlich beobachteten Clans zwischen 1987 und 2020 im Serengeti-Nationalpark in Tansania. Die Hyänen trugen entweder noch die Drahtschlingen oder wiesen schlingenspezifische Verletzungen oder Narben – meist im Nackenbereich – auf. Jene Fälle, die als schwere Verletzungen eingestuft wurden, wurden im Detail untersucht. „Wir fanden heraus, dass sich Weibchen mit solchen Schlingenverletzungen in Bezug auf ihre Lebenserwartung nicht von unversehrten Weibchen unterscheiden“, erklärt Benhaiem. „Was wir hingegen nachweisen konnten: diese Verletzungen reduzierten eindeutig den Fortpflanzungserfolg der Weibchen“, fügt Kaidatzi hinzu.
Einige Hyänenweibchen erlitten schwere Verletzungen durch Drahtschlingen, bevor sie ihren ersten Wurf hatten. Sie brachten ihren ersten Wurf erst mit etwa viereinhalb Jahren zur Welt, was im Vergleich zu unversehrten Weibchen eine Verzögerung von mehr als acht Monaten bedeutet. Bei der Untersuchung der Auswirkungen der Drahtschlingen auf das Überleben des Nachwuchses zeigte sich, dass bei diesen Weibchen 42 Prozent der Jungtiere bis zum Alter von einem Jahr überlebten, ein geringerer Anteil als die 51 Prozent der Jungtiere unversehrter Weibchen aus der Vergleichsgruppe aus dem Langzeitdatensatz des Teams in der Serengeti. Und nicht zuletzt brachten verletzte Weibchen kleinere Würfe zur Welt als unversehrte Weibchen: Ohne Schlingenverletzung waren 56 Prozent der Würfe Zwillingswürfe, während bei den beeinträchtigten Weibchen nur 36 Prozent der Würfe Zwillinge waren.
Unsere Analyse zeigt, dass Wilderei mittels Drahtschlingen neben der unmittelbaren Todesfolge zusätzlich unbeabsichtigte, aber tiefgreifende Auswirkungen auf Hyänenpopulationen haben kann.
Dr. East vom Leibniz-IZW
East weiter: „Weibchen, die Drahtschlingen mit erheblichen Verletzungen überleben, haben kleinere Würfe – und auch der Nachwuchs überlebt mit geringerer Wahrscheinlichkeit als Nachwuchs unversehrter Mütter.“ Dieser langfristige Rückgang der Reproduktionsleistung resultiert wahrscheinlich aus verstärkten Entzündungs- und Immunreaktionen auf die Schlingenverletzung und/oder einer verminderten Fähigkeit, die langen Strecken zurückzulegen, die für die Nahrungsaufnahme notwendig sind. „Obwohl unsere Ergebnisse auf einer relativ kleinen Stichprobe von Weibchen mit schweren Verletzungen beruhen, deuten sie darauf hin, dass die Kollateralschäden von Wilderei durch den Beifang von Nicht-Zielarten durch Drahtschlingen auf Populationsebene bisher unterschätzt wurden. Künftige Untersuchungen sollten die potenziellen Reproduktionskosten subletaler Schlingenverletzungen berücksichtigen,“ so die Autorinnen und Autoren abschließend.
Diese Newsmeldung wurde mit Material des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) im Forschungsverbund Berlin e.V. via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.