EU-Landwirtschaft nicht zukunftsfähig – Forscher analysieren EU-Reformpläne zur Gemeinsamen Agrarpolitik



Bio-News vom 02.08.2019

Die aktuellen Reformvorschläge der EU-Kommission zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) lassen keine Verbesserungen beim Umweltschutz erwarten. Dies konstatiert ein Forscherteam unter Leitung des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv), des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) und der Georg-August-Universität Göttingen in der Fachzeitschrift Science. Zwar bekenne sich die EU zu mehr Nachhaltigkeit – in den GAP-Reformvorschlägen spiegele sich dies jedoch nicht wider. Die Autoren zeigen, wie der laufende Reformprozess wissenschaftlichen Erkenntnissen und öffentlichen Forderungen nach mehr Umwelt- und Klimaschutz gerecht werden kann.

174 Millionen Hektar, 40 Prozent der gesamten Fläche, werden in der EU landwirtschaftlich genutzt – in Deutschland sind es sogar über 50 Prozent. Die Intensivierung der Landnutzung ist laut Weltbiodiversitätsrat IPBES die Ursache Nr. 1 für den Rückgang der biologischen Vielfalt. Von dieser Vielfalt hängt maßgeblich das Wohlergehen der Menschen abhängt.

Die Europäische Union, und damit auch Deutschland, haben sich in verschiedenen internationalen Abkommen zu einer nachhaltigen Landwirtschaft zum Schutz der Biodiversität und des Klimas verpflichtet. Die Gemeinsame Agrarpolitik der Europäischen Union ist dabei eines der wichtigsten Politikfelder, um diese internationalen Verpflichtungen umzusetzen. „Doch gerade hier ist wenig von dieser Absicht zu erkennen“, kritisiert ein Forscherteam um Dr. Guy Pe’er (iDiv, UFZ) und Dr. Sebastian Lakner (Universität Göttingen).

Die Forscher haben den aktuellen Reformvorschlag der EU-Kommission zur GAP nach 2020 analysiert. Dabei standen drei Fragen im Vordergrund: Ist der Reformvorschlag mit den UN-Nachhaltigkeitszielen (SDGs – Sustainable Development Goals) vereinbar, reflektiert er die gesellschaftliche Diskussion über die Landwirtschaft und bringt er eine Verbesserung der GAP? Grundlage war eine umfassende Literaturstudie von ca. 450 Publikationen, welche die aktuelle GAP nach Kriterien wie Effektivität, Effizienz und Relevanz bewerten. Ihr Ergebnis: Die neuen Vorschläge stellen einen klaren Rückschritt gegenüber den bisherigen Regelungen dar.


Monotone Landschaften sind das Ergebnis intensiver Landwirtschaft. Mit dem Reformvorschlag der EU könnte laut den Forschern die Intensivierung unvermindert weitergehen.

Publikation:


Pe'er, G., Zinngrebe, Y., Moreira, F., Sirami, C., Schindler, S., Müller, R., Bontzorlos, V., Clough, D., Bezák, P., Bonn, A., Hansjürgens, B., Lomba, A., Möckel, S., Passoni, G., Schleyer, C., Schmidt, J. & Lakner, S.
A greener path for the EU Common Agricultural Policy

Science, 365, 449-451

DOI: 10.1126/science.aax3146



„Sollte die EU es mit ihrer Verpflichtung auf die SDGs ernst meinen, müssten diese sich auch in der Landwirtschaftspolitik wiederfinden und entsprechende Indikatoren zur Erfolgsmessung definiert werden“, sagt der Ökologe Guy Pe’er. „Das ist nicht der Fall.“ Dabei hätte die GAP laut der Forscher das Potenzial, zur Erreichung von mindestens neun der siebzehn SDGs beizutragen. Derzeit trage sie nur zur Erreichung von zwei SDGs bei.

Die Forscher kritisieren darüber hinaus, dass die EU Instrumente erhalten wolle, die sich nachweislich als ineffizient, klima- und umweltschädlich sowie sozial ungerecht herausgestellt hätten.

Ein Beispiel sind die Direktzahlungen im Rahmen der sogenannten Säule 1 der GAP. Rund 40 Mrd. Euro (ca. 70 Prozent des GAP-Budgets) bekommen Landwirte allein auf Grundlage der bewirtschafteten Fläche. Dies führt zu einer ungleichen Förderung: 1,8 Prozent der Empfänger bekommen 32 Prozent des Geldes.

„Für diese 1992 provisorisch eingeführten Ausgleichszahlungen fehlt inzwischen jede wissenschaftliche Begründung“, sagt Agrarökonom Sebastian Lakner von der Universität Göttingen. Die Direktzahlungen tragen nach Analyse der Forscher auch wenig zum Erreichen gesellschaftlicher Ziele bei.

Diese Kritik ist nicht neu und wurde von der EU 2010 mit dem sogenannten „Greening“ der Direktzahlungen aufgegriffen. Die entsprechenden Auflagen seien jedoch politisch aufgeweicht worden und hätten sich als weitgehend wirkungslos herausgestellt, so die Forscher.

Doch die EU-Kommission will an den Direktzahlungen festhalten und bietet als Reaktion auf die breite Kritik eine „Grüne Architektur“ an. Diese umfasst eine Ausweitung der Kriterien der „Guten landwirtschaftlichen Praxis“ sowie neue freiwillige Umweltschutzmaßnahmen in Säule 1. Außerdem wurde ein Teil des CAP-Budgets als klimafreundlich definiert. Laut den Forschern fehlen aber geeignete Maßnahmen für einen effektiven Klimaschutz.


Diese Newsmeldung wurde via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.

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