Ein Blick zurück in die Welt vor 8,5 Millionen Jahren
Bio-News vom 09.07.2013
Dorn-Dürkheim ist eine Grabungsstätte in Rheinland-Pfalz.
Fundstücke, die Wissenschaftler der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung hier ans Tageslicht holen, sind bruchstückhaft und bestehen überwiegend aus Zähnen und Knochenfragmenten. Trotzdem lassen diese Stücke darauf schliessen, dass im Rheinhessischen einst eine Savannenlandschaft existierte, in der eine enorme Fülle an Säugetieren lebte. Die aktuelle Ausgabe der Fachzeitschrift Palaeobiodiversity and Palaeoenvironments widmet sich ganz den Erkenntnissen aus Dorn-Dürkheim. Bis Jahresende sind alle Artikel frei im Internet zugänglich.
In der Nähe des Ortes Dorn-Dürkheim in Rheinhessen hat das Senckenberg Forschungsinstitut Frankfurt fast ein Vierteljahrhundert unter der Leitung von Dr. Jens Lorenz Franzen und Dr. Gerhard Storch gegraben. Spektakuläre Skelettfunde wie in Messel, Eckfeld oder dem Geiseltal kamen nicht ans Licht. Aber auch kleinere Stücke wie Zähne oder Knochenfragmente bringen die Paläontologie, die Wissenschaft vom Leben längst vergangener Erdzeitalter, voran. Diese Fundstelle ist wissenschaftlich von immenser Bedeutung, denn sie enthüllt eine enorme biologische Vielfalt. Wo sonst in der Welt kennt man fünf Arten von Bibern?
Publikation:
Ein Blick zurück in die Welt vor 8,5 Millionen Jahren
Paleobiodiversity and Paleoenvironments, Bd. 93, Bd. 2, Juni 2013, Springer, ISSN1867-1594
Noch erstaunlicher ist das Nebeneinander einer Reihe von Rüsseltieren, wie man sie heute in Gestalt nur einer Elefantenart aus dem südlichen Asien und zweier Arten aus Afrika kennt. Noch streitet man sich in der Wissenschaft, ob man es in Dorn-Dürkheim tatsächlich mit fünf oder doch nur drei Arten von Rüsseltieren zu tun hat. Obendrein lebten noch drei Nashörner-Arten in der Region.
Mindestens 80 Säugetierarten
Mittlerweile kennt man aus Dorn-Dürkheim mehr als 80 Säugetierarten. Das ist eine außergewöhnlich hohe Paläobiodiversität, die der Vielfalt heutiger Faunen nahe kommt. Auf dieser Basis lässt sich mit einiger Sicherheit ein Bild des Lebens zeichnen, wie es sich vor etwa 8,5 Millionen Jahren im damaligen Bereich von Rheinhessen abgespielt hat. Obgleich keinerlei Pflanzenreste überliefert sind, erlaubt es die bekannte Artenvielfalt, die damaligen Umweltbedingungen differenziert zu rekonstruieren. Offenbar hatte die damalige Landschaft in Rheinhessen viel mit Savannenverhältnissen, wie man sie heute in Ostafrika antrifft, gemeinsam.
Die Fundstelle Dorn-Dürkheim nimmt darüber hinaus eine Schlüsselstellung ein, wenn es um die Zeiteinstufung geologischer Schichten nach den darin enthaltenen Fossilien geht. Die Evolution kleiner, kurzlebiger Säuger geht rascher voran, als die der Großsäuger mit langer Generationsdauer. Das bedeutet jede Entwicklungsstufe solcher Tiere hat innerhalb kleinerer Zeitfenster existiert als das z.B. bei den gleichzeitig vorkommenden Nashörnern und Rüsseltieren der Fall war. Daher zeigen Fundstücke kleiner Tiere an, wie alt eine Schicht ist, wenn man weiß, wann das Tier gelebt hat. Das Nebeneinander kleiner wie großer Säugetierfunde in Dorn-Dürkheim ermöglicht die zeitliche Zuordnung auch anderer Fundstellen, an denen sich nur Artefakte großer Tiere finden.
Ein weiterer Punkt ist der hohe Anteil an Migranten unter den aus Dorn-Dürkheim bekannt gewordenen Säugetierarten. Dabei handelt es sich zumeist um Waldbewohner, die sich offenbar zu jener Zeit vor der aus dem Mittelmeergebiet vorrückenden Trockenheit nach Norden zurück gezogen haben, Umweltflüchtlinge sozusagen.
Diese Erkenntnisse sind im aktuellen Heft (Bd. 93, Heft 2, 2013) der Senckenberg-Zeitschrift Palaeobiodiversity and Palaeoenvironments zu finden.
Diese Newsmeldung wurde via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.