Ein atomarer Blick auf die Arbeit molekularer Maschinen
Bio-News vom 01.11.2018
Wissenschaftler aus der Abteilung Dynamik in Atomarer Auflösung des MPSD am Center for Free-Electron Laser Science, dem Centre for Ultrafast Imaging (alle in Hamburg), der University of Toronto in Kanada und der ETH Zürich in der Schweiz haben eine neue Methode entwickelt, um Biomoleküle bei der Arbeit zu beobachten.
Diese Methode vereinfacht nicht nur das Experiment, sondern beschleunigt es auch noch maßgeblich, so dass viele Schnappschüsse nun während einer einzigen Experimentiersitzung aufgenommen werden können. Als Zeitraffersequenz aneinandergefügt bilden sie die molekularen Grundlagen der Biologie ab.
Das Leben ist dynamisch – genau wie seine molekularen Bausteine. Die Bewegungen und strukturellen Änderungen von Biomolekülen sind für ihre Funktionen von fundamentaler Bedeutung. Diese dynamischen Bewegungen auf molekularer Ebene zu verstehen stellt jedoch eine gewaltige Herausforderung dar. Eine der Methoden, die dieses Verständnis vertiefen kann, ist die zeitaufgelöste Röntgenkristallographie, bei der eine Reaktion in einem Biomolekül ausgelöst wird und dann atomare Aufnahmen des Moleküls während der Reaktion gemacht werden. Diese Experimente sind allerdings kompliziert und extrem zeitaufwändig.
Publikation:
Eike C. Schulz, Pedram Mehrabi, Henrike M. Müller-Werkmeister, Friedjof Tellkamp, Ajay Jha, William Stuart, Elke Persch, Raoul De Gasparo, François Diederich, Emil F. Pai & R. J. Dwayne Miller
The hit-and-return system enables efficient time-resolved serial synchrotron crystallography
Nature Methodsvolume 15, pages901–904 (2018)
DOI: https://doi.org/10.1038/s41592-018-0180-2
Die neue Hit-and-return-Methode ist auf die Untersuchung von biologisch relevanten Reaktionszeitskalen zugeschnitten, die von einigen Millisekunden bis zu mehreren Sekunden oder sogar Minuten andauern können. Diese Zeitspannen sind für Biologen und pharmazeutische Forscher besonders interessant, da sie oft strukturelle Veränderungen aufzeigen, die für eine bestimmte biologische Funktion oder die katalytische Umsetzung eines Medikaments relevant sind.
Durch die Anwendung der Hit-and-return-Methode an den hochintensiven, mikrofokussierten Röntgenstrahlen der Beamline P14 des Europäischen Molekular Biologie Labores (EMBL) und der Beamline P11 am Deutschen Elektronensynchrotron (DESY) gelang es dem Team, ein wichtiges Enzym für die Aufspaltung künstlicher Schadstoffe über mehrere Sekunden bei der Arbeit zu beobachten.
Der Schlüssel des Erfolges: das gesamte Experiment kann mit dem Hit-and-return-System viel schneller ausgeführt werden als mit gängigen Methoden. Bislang mussten die Daten über mehrere Stunden gesammelt werden, um einen einzigen strukturellen Schnappschuss zu generieren, während die Hit-and-return-Methode etwa einen Zeitpunkt pro Stunde ermöglicht – unabhängig von der Verzögerungszeit.
Mit dieser äußerst effizienten Methode lassen sich nun viele Schnappschüsse schnel nacheinander aufnehmen. Dies ermöglicht es Forschern wiederum, die Zeitraffersequenz der strukturellen Veränderungen während der gesamten Reaktion eines Biomoleküls innerhalb eines 24-Stunden-Experiments aufzunehmen.
Das hohe Potential der Hit-and-return-Methode in Kombination mit existierenden und zukünftigen hochbrillianten Synchrotron-Strahlenquellen verleiht ihr eine besondere Bedeutung. Dank ihrer zeitsparenden Abläufe wird eine größere Anzahl an Forschern Untersuchungen mit zeitaufgelöster Kristallographie durchführen können.
Zusammen mit dem EMBL, der Universität Hamburg und dank der Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) wird die Hit-and-return-Methode schon jetzt als Standard für die neue zeitaufgelöste, Kristallographie an der Beamline des EMBL am PETRA III-Synchrotron in Hamburg eingesetzt.
Das Team ist überzeugt, dass die Nutzung solcher hochmodernen und innovativen Technologien zu vielen weiteren wichtigen Erkenntnissen über biochemische Prozesse führen wird. Ein besseres Verständnis dieser Prozesse ist unerlässlich, um dringende Fragen zu unserer Gesundheit und unserer Umwelt zu beantworten.
Diese Newsmeldung wurde via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.