Entwicklung des Nervensystems: Wie Nervenzellen die Herstellung von Proteinen regulieren



Bio-News vom 13.09.2018

Werden in einer Zelle Proteine aus genetischer Information hergestellt, sprechen Wissenschaftler von Translation. Forscher des Exzellenzclusters „Cells in Motion“ der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster zeigen, wie Nervenzellen diesen Prozess während der Entwicklung des Nervensystems regulieren. Die Studie ist in „Cell Reports“ erschienen.

Sie sind die Arbeiter einer Körperzelle und erfüllen all ihre Aufgaben: Proteine. Proteine werden innerhalb der Zelle aus den dort enthaltenen genetischen Informationen hergestellt – ein Prozess, den Wissenschaftler Translation nennen. Wie genau sehen die Mechanismen aus, die diese Translation während der Entwicklung des Nervensystems regeln?

Das ist eine bisher nur gering beantwortete Frage, für deren Antwort sich Forscherinnen und Forscher am Exzellenzcluster „Cells in Motion“ der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) interessieren. In ihrer Studie fanden sie heraus, dass die Translation stark reguliert wird, wenn sich Nervenzellfortsätze während der Entwicklung wieder abbauen: „Interessanterweise ist ein bestimmtes Molekül in der Zelle, ein sogenannter Translationsinitiationsfaktor, ausgeschaltet, der üblicherweise beim Wachstum eine zentrale Rolle spielt“, sagt Dr. Sebastian Rumpf, Nachwuchsgruppenleiter am Exzellenzcluster und Leiter der Studie.


Entwickelt sich das Nervensystem von Fruchtfliegen, ist das Gen Mical wichtig. Links: Hergestellt wird das Gen in Nervenzellen (Stern). Rechts: Ist das Protein eIF3 gehemmt, fehlt Mical (Stern).

Publikation:



Entwicklung des Nervensystems: Wie Nervenzellen die Herstellung von Proteinen regulieren



Ist dieser Initiationsfaktor namens eIF4F inaktiv, geht die Herstellung von Proteinen stark zurück, wodurch sich die Zellfortsätze zurückbilden können. Aber: Gleichzeitig muss die Zelle noch gewährleisten, dass einige bestimmte Gene weiterhin in Proteine übersetzt werden – nämlich solche, die für den Abbau der Zellfortsätze wiederum unerlässlich sind. Die Forscher entdeckten den Mechanismus hinter diesem Phänomen: Die Zelle bringt eine Art „Umgehungs-Signalweg“ in Gang, bei dem anstatt des üblichen Initiationsfaktors eIF4F der Initiationsfaktor eIF3 rekrutiert wird. Dieser kann auch unter widrigen Bedingungen noch die Translation von Proteinen vermitteln, die für den Abbauprozess wichtig sind. „Wenn sich im Laufe der Entwicklung Nervenzellfortsätze abbauen, scheinen somit andere Translationsmechanismen aktiv zu sein als wenn sie wachsen“, sagt Dr. Sandra Rode, Erstautorin der Studie. Das Konzept des „Umgehungs-Signalwegs“ hatten zuvor bereits andere Forschergruppen vorgeschlagen, in dieser Studie konnte es aber erstmals im lebenden Organismus belegt werden. „Der Mechanismus ist sicher weit verbreitet und könnte noch in vielen anderen Zusammenhängen gefunden werden“, sagt Sandra Rode. An der Studie arbeiteten Biologen, Biochemiker und Molekularbiologen eng zusammen. Sie ist in der Fachzeitschrift „Cell Reports“ erschienen.

Die Geschichte im Detail:

Nervenzellen verbinden sich mithilfe ihrer langen Fortsätze, den Axonen und Dendriten. Nervenfortsätze, die sich im Laufe der Entwicklung falsch verbunden oder keine spezifische Funktion ausgebildet haben, bauen sich wieder ab und lösen ihre Verknüpfungen untereinander auf. Die münsterschen Biologen um Dr. Sebastian Rumpf sahen sich spezielle Nervenzellen in der Fruchtfliege Drosophila melanogaster an, die im Laufe der Entwicklung all ihre Dendriten verlieren. Um zu untersuchen, ob dabei die Translationsregulation eine Rolle spielt, manipulierten die Biologen die Nervenzellen auf genetische Art – eine bei Fruchtfliegen gut etablierte Technik.

Die Forscher nahmen die Funktionen verschiedener Translationsinitiationsfaktoren unter die Lupe. Diese Proteine binden an die Boten-RNA (aus dem Englischen messenger RNA, kurz mRNA) – ein Biomolekül, das die genetische Information aus dem Zellkern zu den Orten in der Zelle transportiert, an denen Proteine hergestellt werden. Translationsinitiationsfaktoren bewirken, dass die Translation beginnt. Zunächst schalteten die Wissenschaftler einen Faktor genetisch aus, der normalerweise für die meisten Translationsprozesse zentral ist, den eIF4F. Mithilfe der Mikroskopie beobachteten sie während der Puppenphase der Fruchtfliegen, dass sich die Nervenzellfortsätze immer noch ganz normal abbauten. Schalteten die Forscher hingegen eIF3 oder eIF4A aus, waren zum selben Entwicklungszeitpunkt immer noch Dendriten vorhanden. „Diese beiden Faktoren scheinen also wichtig für den Abbau der Zellfortsätze zu sein“, sagt Sandra Rode.

Aber welche Mechanismen stecken dahinter? Die Wissenschaftler untersuchten, ob die Signalwege die Aktivität des Gens Mical beeinflussen. Dieses Gen wird für den Rückgang von Nervenzellfortsätzen benötigt. Die Forscher veränderten erneut die Translationsinitiationsfaktoren und untersuchten, in welcher Menge Mical in der Zelle vorkam. Die Ergebnisse bestätigten den Zusammenhang: Wenn eIF4A oder eIF3 inaktiv waren, war auch das Vorkommen von Mical geringer.

„Im nächsten Schritt fragten wir uns, welche örtlichen Faktoren eine Rolle spielen, um den Signalweg in Gang zu bringen“, sagt Sandra Rode. Die Forscher nahmen die Boten-RNA ins Visier, an deren Anfang, der sogenannten Kappe, die Translationsinitiationsfaktoren binden. Bereits in vorherigen Studien hatte sich gezeigt, dass Translationsinitiationsfaktoren häufig mit einer weiteren Region der Boten-RNA interagieren: dem sogenannten untranslatierten Bereich, der sich benachbart zur Kappe befindet. Biochemiker um Prof. Dr. Andrea Rentmeister, Professorin am Exzellenzcluster, halfen, die Rolle dieser Region zu untersuchen. Nach ersten Experimenten im Reagenzglas verfolgten die Forscher im lebenden Organismus die Vorgänge an der Boten-RNA. Dazu knüpften sie ein fluoreszierendes Signal an den untranslatierten Bereich und erzeugten so ein sogenanntes Reportergen, mit dessen Hilfe sie die Aktivität dieses Bereichs messen konnten. Schalteten sie die Faktoren eIF4A und eIF3 in den Neuronen aus, war das fluoreszierende Signal deutlich schwächer. „Also sind die Erkennungssignale für die Initiationsfaktoren tatsächlich in diesem Bereich der Mical-mRNA kodiert“, sagt Sebastian Rumpf.

Ihre Ergebnisse ließen die Forscher zudem vermuten, dass die beiden Initiationsfaktoren eIF3 und eIF4A bei der Translation von Mical eng zusammenspielen. Um die Wechselwirkungen dahinter zu untersuchen, wandten Molekularbiologen um Dr. Sebastian Leidel, ebenfalls Gruppenleiter am Exzellenzcluster, biochemische Methoden an. Sie fanden heraus, dass eIF4A und eIF3 in einem Komplex vorliegen, verbunden durch die Boten-RNA. Hemmten sie eIF4A, hatte das auch einen Effekt auf die Bindung von eIF3 an die Mical-mRNA. „In diesem Zusammenhang sind das ganz neue Interaktionen zwischen den beiden Faktoren, die wir ohne die interdisziplinäre Zusammenarbeit nicht herausgefunden hätten“, sagt Sebastian Rumpf. In weiteren Studien möchten die Forscher die genaue Rolle der Kappe der Boten-RNA untersuchen.

Die Geschichte im Detail:

Nervenzellen verbinden sich mithilfe ihrer langen Fortsätze, den Axonen und Dendriten. Nervenfortsätze, die sich im Laufe der Entwicklung falsch verbunden oder keine spezifische Funktion ausgebildet haben, bauen sich wieder ab und lösen ihre Verknüpfungen untereinander auf. Die münsterschen Biologen um Dr. Sebastian Rumpf sahen sich spezielle Nervenzellen in der Fruchtfliege Drosophila melanogaster an, die im Laufe der Entwicklung all ihre Dendriten verlieren. Um zu untersuchen, ob dabei die Translationsregulation eine Rolle spielt, manipulierten die Biologen die Nervenzellen auf genetische Art – eine bei Fruchtfliegen gut etablierte Technik.

Die Forscher nahmen die Funktionen verschiedener Translationsinitiationsfaktoren unter die Lupe. Diese Proteine binden an die Boten-RNA (aus dem Englischen messenger RNA, kurz mRNA) – ein Biomolekül, das die genetische Information aus dem Zellkern zu den Orten in der Zelle transportiert, an denen Proteine hergestellt werden. Translationsinitiationsfaktoren bewirken, dass die Translation beginnt. Zunächst schalteten die Wissenschaftler einen Faktor genetisch aus, der normalerweise für die meisten Translationsprozesse zentral ist, den eIF4F. Mithilfe der Mikroskopie beobachteten sie während der Puppenphase der Fruchtfliegen, dass sich die Nervenzellfortsätze immer noch ganz normal abbauten. Schalteten die Forscher hingegen eIF3 oder eIF4A aus, waren zum selben Entwicklungszeitpunkt immer noch Dendriten vorhanden. „Diese beiden Faktoren scheinen also wichtig für den Abbau der Zellfortsätze zu sein“, sagt Sandra Rode.

Aber welche Mechanismen stecken dahinter? Die Wissenschaftler untersuchten, ob die Signalwege die Aktivität des Gens Mical beeinflussen. Dieses Gen wird für den Rückgang von Nervenzellfortsätzen benötigt. Die Forscher veränderten erneut die Translationsinitiationsfaktoren und untersuchten, in welcher Menge Mical in der Zelle vorkam. Die Ergebnisse bestätigten den Zusammenhang: Wenn eIF4A oder eIF3 inaktiv waren, war auch das Vorkommen von Mical geringer.

„Im nächsten Schritt fragten wir uns, welche örtlichen Faktoren eine Rolle spielen, um den Signalweg in Gang zu bringen“, sagt Sandra Rode. Die Forscher nahmen die Boten-RNA ins Visier, an deren Anfang, der sogenannten Kappe, die Translationsinitiationsfaktoren binden. Bereits in vorherigen Studien hatte sich gezeigt, dass Translationsinitiationsfaktoren häufig mit einer weiteren Region der Boten-RNA interagieren: dem sogenannten untranslatierten Bereich, der sich benachbart zur Kappe befindet. Biochemiker um Prof. Dr. Andrea Rentmeister, Professorin am Exzellenzcluster, halfen, die Rolle dieser Region zu untersuchen. Nach ersten Experimenten im Reagenzglas verfolgten die Forscher im lebenden Organismus die Vorgänge an der Boten-RNA. Dazu knüpften sie ein fluoreszierendes Signal an den untranslatierten Bereich und erzeugten so ein sogenanntes Reportergen, mit dessen Hilfe sie die Aktivität dieses Bereichs messen konnten. Schalteten sie die Faktoren eIF4A und eIF3 in den Neuronen aus, war das fluoreszierende Signal deutlich schwächer. „Also sind die Erkennungssignale für die Initiationsfaktoren tatsächlich in diesem Bereich der Mical-mRNA kodiert“, sagt Sebastian Rumpf.

Ihre Ergebnisse ließen die Forscher zudem vermuten, dass die beiden Initiationsfaktoren eIF3 und eIF4A bei der Translation von Mical eng zusammenspielen. Um die Wechselwirkungen dahinter zu untersuchen, wandten Molekularbiologen um Dr. Sebastian Leidel, ebenfalls Gruppenleiter am Exzellenzcluster, biochemische Methoden an. Sie fanden heraus, dass eIF4A und eIF3 in einem Komplex vorliegen, verbunden durch die Boten-RNA. Hemmten sie eIF4A, hatte das auch einen Effekt auf die Bindung von eIF3 an die Mical-mRNA. „In diesem Zusammenhang sind das ganz neue Interaktionen zwischen den beiden Faktoren, die wir ohne die interdisziplinäre Zusammenarbeit nicht herausgefunden hätten“, sagt Sebastian Rumpf. In weiteren Studien möchten die Forscher die genaue Rolle der Kappe der Boten-RNA untersuchen.


Diese Newsmeldung wurde via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.

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