Evolutionsgeschichte der Roten Waldameisen



Bio-News vom 25.05.2021

Senckenberg-Wissenschaftler Bernhard Seifert hat in einer vier Jahrzehnte andauernden Forschungsarbeit die Systematik der Roten Waldameisengruppe Formica rufa entschlüsselt. In der im Fachjournal „Myrmecological News“ erschienen Studie zeigt der Görlitzer Ameisenforscher, dass nur 13 der bislang 54 dieser Ameisengruppe zugeordneten Namen eine Berechtigung haben. Die evolutionäre Entwicklung der Ameisen ist laut der Ergebnisse stark von Hybridisierungsereignissen geprägt und folgt nicht dem gängigen Artmodell.

Die sich häufig über mehrere Meter erstreckenden Ameisenhügel der Roten Waldameisen sind vielen Waldbesucher von Waldrändern oder Lichtungen gut bekannt. „In der Wissenschaft wurde dieser ikonischen Ameisengruppe vielleicht auch daher besondere Aufmerksamkeit geschenkt“, erklärt Dr. Bernhard Seifert vom Senckenberg Museum für Naturkunde in Görlitz und fährt fort: „Das Ergebnis ist aber leider ein ziemliches taxonomisches Durcheinander – 54 Namen wurden bisher dieser Gruppe zugeordnet.“


Waldameise beim Reinigen ihrer Fühler.

Publikation:


Bernhard Seifert
A taxonomic revision of the Palaearctic members of the Formica rufa group (Hymenoptera: Formicidae) – the famous mound-building red wood ants
Myrmecological News, 31 –133-179 (2021)

DOI: 10.25849/myrmecol.news_031:133



Seifert hat sich daher in den letzten 40 Jahre intensiv mit der korrekten Beschreibung und Zuordnung in dieser Gruppe auseinandergesetzt. „Die zahlreichen optischen Merkmale dieser Ameisen führten zu einer regelrechten ‚Namensschwemme’ – anhand von detaillierten Vergleichstabellen und Bestimmungsschlüsseln zeige ich in meiner aktuellen Arbeit, dass sich nur hinter 13 der 54 publizierten Namen reale Arten verbergen, 32 Namen wurden als Synonyme bereits beschriebener Arten publiziert. und acht weitere Namen erfüllen nicht die Standards für eine Artbeschreibung.“

Der Görlitzer Ameisenforscher hat für seine Ergebnisse insgesamt 1200 Proben aus Ameisenhügeln, 5500 Arbeiterinnen und 410 Geschlechtstiere in Gebieten zwischen Portugal und Kamtschatka untersucht. Dabei konnten lediglich zwei der Wissenschaft bisher unbekannte Arten beschrieben werden. Dies steht laut Seifert im krassen Widerspruch zur Situation in einer anderen, mit gleicher Methodik bearbeiteten, Ameisengruppe.


Waldameise beim Melken von Baumläusen.

Die enorme Vielfalt der morphologischen Erscheinungsbilder innerhalb der Formica-Gruppe führt Seifert unter anderem auf eine starke Hybridisierung zwischen den Ameisenarten zurück. Er nennt dies „retikuläre Evolution“ – ein Einkreuzen von Geninformationen durch Hybridisierung, das zu einem netzartigen Stammbaum führt. Bei 46 Prozent der 13 bestätigten Arten konnte der Görlitzer Forscher solch eine Hybridisierung nachweisen oder glaubhaft machen.

„Die Ameisen halten sich demnach nicht an eine lehrbuchhafte Artdefinition bei welcher sich Arten in sauber sich verzweigenden Stammbäumen optisch und genetisch klar voneinander abgrenzen; die Realität ist sehr viel komplexer. Die interspezifische Hybridisierung wird von vielen Zoologinnen und Zoologen immer noch als ein seltener Unfall abgetan, der in seiner evolutiven Bedeutung unerheblich sei. Die Studienergebnisse zur Roten Waldameise werden hoffentlich dazu beitragen, diese Denkweise unter den Zoologinnen und Zoologen zu ändern – die Forschenden sind ihnen in diesem Sachverhalt schon voraus“, schließt Seifert.


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Senckenberg Forschungsinstituts und Naturmuseen via Informationsdienst Wissenschaft erstellt

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