Gewebe schützen ihre DNA bei mechanischer Belastung



Bio-News vom 21.04.2020

Zellkerne und genetisches Material organisieren sich neu.

Im täglichen Leben werden Gewebe wie zum Beispiel Haut und Muskeln werden im Alltag gedehnt, gezogen und gestaucht – und das, ohne dass die Zellen oder die DNA geschädigt werden. Ein Forschungsteam unter der Leitung von Sara Wickström, die am Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns und dem Exzellenscluster CECAD an der Universität zu Köln sowie dem Helsinki-Institut für Biowissenschaften an der Universität Helsinki forscht, hat nun entdeckt, dass sich die Zellen vor solchen Belastungen schützen, indem sie nicht nur die Zellkerne verformen, sondern auch das genetische Material selbst aufweichen.


Künstlerische Darstellung der DNA

Publikation:


Michele M. Nava, Yekaterina A. Miroshnikova, Leah C. Biggs, Daniel B. Whitefield, Franziska Metge, Jorge Boucas, Helena Vihinen, Eija Jokitalo, Xinping Li, Juan Manuel García Arcos, Bernd Hoffmann, Rudolf Merkel, Carien M. Niessen, Kris Noel Dahl, and Sara A. Wickström
Heterochromatin-driven nuclear softening protects the genome against mechanical stress-induced damage

Cell, April 2020



Der Schutz des genetischen Codes innerhalb unserer DNA ist entscheidend für die menschliche Gesundheit. Mutationen in der DNA führen zu einer Vielzahl von Krankheiten, wie z.B. Entwicklungsstörungen oder Krebs. "Die meisten unserer Gewebe enthalten gewebespezifische Stammzellen. Das sind langlebige Zellen, deren Funktion für die Gewebefunktion und -erhaltung entscheidend ist. Aufgrund ihrer langen Lebensdauer ist es entscheidend, dass das Genom dieser Zellen wirksam vor Mutationen geschützt wird, um Krankheiten wie Krebs vorzubeugen", sagt Michele Nava, der leitende Wissenschaftler der Studie. "Es ist viel über die Rolle von Chemikalien und Bestrahlung bei der Erzeugung von DNA-Schäden bekannt, aber wie mechanische Kräfte die DNA schädigen und welche Mechanismen existieren könnten, um unsere Zellen vor diesen Schäden zu schützen, war bisher nicht bekannt", erklärt Nava.

Zellkern und DNA organisieren sich aufgrund mechanischer Kräfte um

Um zu untersuchen, wie die DNA in Stammzellen auf mechanische Verformung reagiert, setzten Nava, Miroshnikova und Kollegen ein spezielles mechanisches Gerät ein, um Haut- und Muskelstammzellen einer ähnlichen mechanischen Dehnung auszusetzen, wie sie im Inneren des Gewebes auftreten würden. Infolge der Dehnung werden sowohl die Zellkerne als auch die DNA neu organisiert, verändern aber auch ihre mechanischen Eigenschaften und werden weicher. "Wir können die mechanischen Eigenschaften der DNA einfach dadurch verändern, dass wir mechanische Kräfte auf die Stammzellen ausüben. Wenn wir diese Veränderung experimentell verhindern, wird die DNA der Stammzellen geschädigt. Dies deutet darauf hin, dass wir einen wichtigen Schutzmechanismus entdeckt haben", sagt Jekaterina Miroshnikova, die die Studie zusammen mit Nava und Wickström leitete.

Als Nava, Miroshnikova und ihre Kollegen die Dehnungsreaktion von Stammzellen genauer untersuchten, stellten sie fest, dass sich das gesamte Gewebe bei längerer mechanischer Dehnung nach der Kraftrichtung ausrichtet. Diese Orientierung verhindert eine Verformung des Zellkerns und seiner DNA und ermöglicht es den Zellen, ihren ursprünglichen Zustand wiederherzustellen. Diese Neuorientierung dient somit als langfristiger Schutz vor mechanischer Belastung.

Krebszellen zeigen eine gestörte Reaktion auf Dehnung

Die Forschenden stellten auch fest, dass Krebszellen weniger empfindlich auf mechanische Dehnung reagierten als gesunde Stammzellen. Dies ist auf Unterschiede in der Konzentration wichtiger Kernproteine zurückzuführen. "Zentrale Merkmale für Krebs sind also, dass sie häufig mutieren und unempfindlichgegenüber äußeren Faktoren sind. Ein wichtiges zukünftiges Ziel des Labors ist es, zu verstehen, wie Defekte in diesem neu entdeckten Signalweg die Krebsbildung fördern könnten und wie Krebsarten die Mechanik ausnutzen könnten, um den Kontrollmechanismen des Gewebes zu entgehen", sagt Sara Wickström.


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Max-Planck-Instituts für Biologie des Alterns via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.

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